Düstere Zukunftsaussichten zeichnete der Geschäftsführer des Benild-Hospiz, Andreas Lazarek, in einem Brandbrief vom 26. Januar für seine Einrichtung. Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht käme etwa einem "Todesstoß" für die Pflege gleich, heißt es darin. Auf knapp drei DIN-A4-Seiten hat er sich im Namen seiner Mitarbeiter den Frust von der Seele geschrieben. Demnach fühlen sich seine Angestellten von der Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen ab Mitte März benachteiligt.
Geschäftsführer Andreas Lazarek arbeitet nach eigenen Angaben seit 45 Jahren im Pflegebereich. Durch die Impfpflicht werde enorm Druck auf die Angestellten ausgeübt, das habe er in seiner beruflichen Laufbahn so noch nicht erlebt.

Die Situation im Pflegebereich sei ohnehin schon prekär und habe sich während Corona noch verschärft. "Von Beginn an stand die Pflege an der Front. Die Angestellten konnten nicht ins Homeoffice, standen immer an den Betten der Patienten und haben ihre Gesundheit riskiert", sagt Lazarek. Viele Angestellte haben zwar kein Problem, sich impfen zu lassen, aber einige wollten es eben nicht.

Die im März in Kraft tretende Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen übe nun noch mehr Druck auf die Pflegenden aus. Und auch für Berufsanfänger wird sie laut Lazarek eine Rolle spielen, und das nicht nur wegen des Impfstatus. Lazarek ist sich sicher, dass sich die Situation in Kliniken und Pflegeeinrichtungen deutlich verschärfen wird. Das würde noch mehr Überstunden und Stress für künftige Angestellte bedeuten. "Da kann ich mir vorstellen, dass einer sagt: 'Unter den Bedingungen werde ich den Beruf nicht auswählen'", erläutert der Hospiz-Geschäftsführer.
"Ich glaube, da wird eine Welle ausgelöst, die man langfristig gar nicht zu Ende gedacht hat."
Bisher ist noch niemand in seinem Hospiz an Corona erkrankt. Das liege vor allem an strenger Hygiene. Jeder, der in die Einrichtung komme, müsse sich testen lassen - egal, ob geboostert, doppelt geimpft, genesen oder ungeimpft, erzählt er.
Die Impfquote im Hospiz in Illertissen selbst ist hoch. Nur vier von 37 Angestellten sind nach eigenen Angaben nicht geimpft (Stand: 26.1.). Mit dem Brief wolle man trotzdem ein Zeichen setzen. Mit einer Antwort aus Berlin rechnet er jedoch nicht. "Vielleicht führt dieser Brief zum Umdenken", hofft Lazarek. Auch eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsene mache die Situation für die Ungeimpften nicht einfacher. "Aber es erscheint mir zumindest ein Stück weit gerechter", meint Lazarek.
Was andere Pflegeeinrichtungen sagen
Für eine allgemeine Impfpflicht spricht sich auch Karin Albrecht von der Ökumenischen Sozialstation Rosenstein in Heubach (Ostalbkreis) aus. Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr der richtige Weg. "Wir hätten schneller reagieren müssen und dann hätten wir uns viele Diskussionen gespart", sagt die Geschäftsführerin der Pflegeeinrichtung. Von den aktuell 52 Angestellten der Sozialstation sind nach eigenen Angaben drei Mitarbeiter nicht geimpft.
"Wenige werden sich also aus dem Gesundheitswesen verabschieden."
Auch andere Pflegeeinrichtungen in der Region stehen der Umsetzung der Impfpflicht im Gesundheitswesen eher skeptisch gegenüber. Robert Kiesinger, Leiter des St. Anna Stift Pflegeheims in Ulm, glaubt nicht daran, dass das alles reibungslos funktionieren wird. "Wir müssen abwarten, was sich in den nächsten sechs Wochen tut", sagt Kiesinger. Sein Betrieb sei vorbereitet. Aktuell seien nur wenige Angestellte nicht geimpft, aber auch er fürchtet personelle Engpässe.