"Viele sind nach der Pandemie nicht wiedergekommen"

Berlinale als Zugpferd: Neu-Ulmer Kinobesitzer hofft auf mehr Besucher

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Am Donnerstag hat die Berlinale begonnen. Roman Sailer vom Dietrich Theater in Neu-Ulm hofft auf deren Zugkraft und erklärt im Interview, wie es aktuell um das Kino steht.

Mit den 73. Internationalen Filmfestspielen in Berlin wird der Film unter medialem Großaufgebot gefeiert. Während dort Stars aus aller Welt über den roten Teppich flanieren, sieht es in den Kinos der Region weniger glamourös aus. Vor allem die kleinen Filmkunst-Kinos in Ulm haben zu kämpfen.

SWR Aktuell: Was leisten Großereignisse wie die Berlinale für Film und Kino?

Roman Sailer: Ich halte solche Events für das Kino und Filme generell sehr wichtig. Das Gleiche gilt für andere Filmpreise wie die Golden Globes oder die Oscars. Das sind immer Veranstaltungen, über die medial berichtet wird. Die mediale Berichterstattung hilft am Ende, das Kino wieder ins Bewusstsein zu rücken.

Wie geht es Ihren Kinos in Ulm und Neu-Ulm denn aktuell?

Sailer: Man muss unterscheiden: Es gibt das Kino im Mainstream-Bereich, also die großen Blockbuster-Filme aus Hollywood, die wir z.B. im Dietrich-Theater in Neu-Ulm zeigen. Da kann man sagen, war der Dezember und der Januar dominiert von dem Film Avatar. Nach 13 Jahren der zweite Teil. Da war es schon sehr schön, dass wieder ein großes Erlebnis auf der Kinoleinwand geboten war. Es ist ganz anders, wenn man die Situation der Arthouse-Kinos anschaut. Dort wo vorwiegend europäischer Film, deutscher Film, anspruchsvoller Film gezeigt wird, leiden die Kinos immer noch darunter, dass sehr viele Besucher nach der Pandemie nicht wiedergekommen sind.

Wie sehen die Besucherzahlen bei Ihnen aus?

Sailer: Dort wo das große Hollywood-Kino ist und das große Spektakel, im Mainstream-Multiplex-Kino, ist im Dezember und im Januar der gleiche Besuch erreicht worden wie durchschnittlich in einem Dezember oder Januar vor der Pandemie. Das heißt aber nicht, dass es dort auch so bleibt. Beim Arthouse-Kino, wo es besuchsmäßig schwieriger ist, sprechen wir eher von 50 Prozent der Besucher in den Kinos im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie.

Was machen Sie als Betreiber, um wieder mehr Besucher ins Kino zu bekommen?

Sailer: Im Bereich der Arthouse-Kinos in Ulm, also im Obscura, Mephisto und in der Lichtburg, werden wir versuchen Besucher zurückzugewinnen oder neu auf das Kino aufmerksam zu machen, indem wir besondere Events und Veranstaltungen rund um die Kinos, die Region und Filme anbieten. Über solche Events, wie zum Beispiel Besuche von Regisseuren, Filmteams oder Autoren. Die Hoffnung ist natürlich, dass wenn man das Kino mal wieder besucht hat und dort ein ansprechendes, schönes, emotionales Erlebnis hatte, dass dann ein Besuch zu einer normalen Vorstellung im normalen Programm den Leuten wieder ins Gedächtnis gerückt wird.

Lohnt sich Kino noch? Wie lukrativ ist das Geschäft?

Sailer: Im Bereich Arthouse kann man das zumindest in Ulm und Neu-Ulm ganz klar sagen. Die drei Kinos Obscura, Mephisto und Lichtburg sind zum einen seit Jahren für ihr ausgezeichnetes Programm prämiert, von der Landesregierung in Baden-Württemberg und von der Bundesregierung. Mit dieser öffentlichen Förderung gehen Prämien einher. Das ist ein sehr wichtiger Baustein, um diese Kinos unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten tragbar zu betreiben.

Der andere Punkt, und das muss man ganz klar sagen: Ohne die Umsätze und den wirtschaftlichen Erfolg, den wir in Neu-Ulm im Dietrich-Theater mit den großen Hollywood-Filmen erreichen und ohne das Geld, das dort verdient wird, würde es keine Ulmer Arthouse-Kinos in dieser Form geben. Sie werden in unserem Unternehmen ganz klar von dem Erfolg in Neu-Ulm getragen und wären sonst wirtschaftlich nicht darstellbar. Das ist aber nicht erst seit der Pandemie so, das war in großen Teilen schon auch vor der Pandemie so, aber hat sich natürlich durch die Zuschauerrückgänge noch verschärft.

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Wie macht sich die Energiekrise in den Kinos bemerkbar?

Sailer: Die Energiekrise im Sinne von Stromkostensteigerungen merkt man im Kino sofort. Das Kino braucht vergleichsweise viel Strom. Wenn ich ein schönes Bild auf einer großen Leinwand haben will, ist viel Licht notwendig und das ist mit einem hohen Stromverbrauch verbunden. Für jede Vorstellung wird Energie verbraucht. Jetzt im Winter müssen wir die Säle natürlich heizen, im Sommer werden die Säle klimatisiert. In Neu-Ulm können wir das ganz gut verkraften, da wir da den Strom zu tagesaktuellen Preisen einkaufen können. Die Arthouse-Kinos in Ulm haben kleinere Verbräuche, da leiden wir unter den ganz normalen Preiserhöhungen wie sie Stromtarife mit sich bringen. Das ist in der Situation mit den fehlenden Besuchern im Arthouse natürlich doppelt schmerzhaft.

Wie gehen sie mit den höheren Kosten um? Hat sich das auf die Kino-Preise ausgewirkt?

Sailer: Unsere Reaktion war, dass wir die Preise erhöhen mussten, im Schnitt um 50 bis 80 Cent pro Ticket. Wir haben insbesondere darauf geachtet, dass die Preise für Kinder bis elf Jahre gleichbleiben. Zuletzt haben wir im Oktober 2022 eine Preisanpassung bei den Tickets und bei Süßigkeiten und Softdrinks an der Theke gemacht. Die Gründe dafür sind zum einen die steigenden Energiekosten, aber auch, dass die Löhne aufgrund der Inflation und der neuen Gesetzgebung zum neuen Mindestlohn angepasst wurden.

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SWR