Deutsche Bahn baut bis 2026/27 um

Geheimnisse hinterm Sichtschutz: Was die Baustelle am Ulmer Hauptbahnhof verbirgt

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Von Autor/in Martin Miecznik

Seit dem vergangenen Herbst ist es nicht mehr möglich, den Hauptbahnhof Ulm zu betreten. Ein Baustellenbesuch zeigt, warum das so ist: Das Gebäude ist fast wieder ein Rohbau.

Die Deutsche Bahn investiert 33 Millionen Euro in den Umbau des Ulmer Hauptbahnhofs. Ende 2026 soll das Gebäude wieder genutzt werden können. Derzeit sieht es dort fast wieder so aus wie in einem Rohbau. Und dieser birgt Zeugnisse vergangener Zeiten.

Was sich im Inneren des Hauptbahnhofs Ulm abspielt, bleibt der Öffentlichkeit verborgen: Hinter einem Sichtschutz finden umfangreiche Umbauarbeiten statt. Heller, aufgeräumter, moderner soll die Eingangspforte zur Stadt werden und das ist nicht nur Kosmetik: Für geplante 33 Millionen Euro gibt es ein komplettes Face-Lifting im Inneren, das nach Abschluss einige Überraschungen und neue Einblicke bieten wird.

Der Eingangsbereich zur Haupthalle des Ulmer Hauptbahnhofs hinter einem Sichtschutzzaun
Endstation Sichtschutz: So präsentiert sich derzeit der Ulmer Hauptbahnhof. Dahinter wird mit erheblichem Aufwand umgebaut.

Ein Hauptbahnhof gilt gemeinhin als Visitenkarte einer Stadt und die wirkte in den vergangenen Jahren im Fall von Ulm nicht sonderlich attraktiv. Der Hauptbahnhof ist ein Zweckbau aus den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, immer wieder angestückelt und in verschiedenen Bauphasen ergänzt und umgebaut - und so sah er zuletzt auch aus.

Roland Walser, Projektleiter Ulmer Hauptbahnhof
Dem Hauptbahnhof die Würde zurückgeben - will der Projektleiter Hauptbahnhof Ulm, Roland Walser.

Der Stadtverwaltung Ulm wäre es am liebsten gewesen, wenn der Bahnhof abgerissen und neu gebaut worden wäre, aber da hat die Deutsche Bahn abgewunken: zu teuer, zu wenig ökologisch. Und - ein bisschen überraschend - sagt Projektleiter Roland Walser: "Wir wollten dem Gebäude seine Würde wiedergeben." Die Gesellschaft neige dazu, alles abzureißen und neu zu bauen - das sei im Fall "Ulmer Hauptbahnhof" nicht der richtige Weg. Denn auch das Nachkriegsgebäude habe ja seine Geschichte und die solle sichtbar erhalten bleiben, "mit einer Lösung aus einem Guss".

Wir wollten dem Gebäude seine Würde wiedergeben.

Statt eines Neubaus kommt also jetzt die Modernisierung im Bestand. Ein Baustellenbesuch zeigt: Auch bei der "Nur-Modernisierung" ist innen kaum ein Stein auf dem anderen geblieben.

Die Eingangshalle wirkt wie eine Trümmerwüste: Bagger fahren durch die Halle über den nackten Erdboden, vorbei an Resten dessen, was hier bis 2024 stand. Böden sind herausgerissen worden und geben jetzt den Blick ins Untergeschoss frei. Hier und da Mauerreste aus Beton und Ziegelsteinen. Diese sind Zeugnisse einer anderen Zeit, des ersten Hauptbahnhofs von 1850, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch alliierte Luftangriffe zerstört wurde.

Der Projektleiter des Ulmer Hauptbahnhofs neben historischen Überbleibseln des ehemaligen Gebäudes des Ulmer Hauptbahnhofs.
Projektleiter Roland Walser neben geschichtsträchtigem Schutt: Die Ziegelsteine und die Andeutung eines Gewölbebogens gehörten zum zerstörten Ulmer Hauptbahnhof aus dem Jahr 1850.

Frühzeit der Eisenbahngeschichte im Ulmer Hauptbahnhof

"Das sind die Überreste der Frühzeit der Eisenbahngeschichte", sagt Projektleiter Walser. "Alte Gewölbe, die mal als Kellerräume genutzt wurden, weichen jetzt dem Ausbau für die Fahrgäste." Einfach abgerissen werden die Gewölbereste nicht, sie werden stabil mit einem Granulat zugeschüttet und das ist auch nötig: Der Boden der Eingangshalle habe sich in den vergangenen Jahren leicht in den weichen Untergrund gesenkt.

Der alte Ulmer Hauptbahnhof von 1850, historische Aufnahme
So sah der alte Ulmer Hauptbahnhof von 1850 bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg aus.

Gebaut wurde der Bahnhof in Ulm nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Eisenbahnknotenpunkt Ulm war durch amerikanische Luftangriffe zerstört und musste schnell wieder funktionsfähig gemacht werden. Das ging damals in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf Kosten einer genauen Bodenuntersuchung, und das rächt sich jetzt. Denn nicht alle Fliegerbomben explodierten bei den Angriffen, manche bohrten sich auch als Blindgänger tief ins Erdreich - und ob dort heute noch gefährliche Altlasten liegen, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten.

Zerstörte Gleise am Hauptbahnhof Ulm im Jahr 1945
Endstation, vorübergehend: Aufräumarbeiten im Gleisbereich des Ulmer Hauptbahnhofs nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Knotenpunkt musste rasch wieder in Betrieb gehen, dazu gehörte auch der Neubau des zerstörten Bahnhofsgebäudes.

Kein Blindgänger im Boden unter dem Ulmer Hauptbahnhof

Es gibt zwar Sonden, aber die melden nicht "Blindgänger", sondern "Metall" - und davon liegt viel im Boden unter dem Ulmer Hauptbahnhof. Um was es sich da im Einzelnen handelt, das musste mit viel Aufwand in jedem einzelnen Fall ein Feuerwerker über Probebohrungen mit Metall-Entnahme feststellen. Die gute Nachricht: Ein tatsächlicher Blindgänger war nicht dabei.

Doch damit endet der Blick in die Vergangenheit nicht, und der betrifft jetzt auch die jüngere Vergangenheit seit dem Neubau. Beim Entkernen stießen die Bauarbeiter hinter einem Paneel auf ein Bild mutmaßlich aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, über dem Hauptportal, dort, wo zuletzt ein Spielsalon untergebracht war.

Wiederentdecktes Wandgemälde in einem Raum des Ulmer Hauptbahnhofs. Entstehungszeit wahrscheinlich die 1950er Jahre
Schatz an der Wand: Dieses Gemälde wurde nach dem Abriss eines Paneels im ehemaligen Frühstücksraum des Bundesbahnhotels über dem Hauptportal entdeckt.

Vorher gehörte dieser Raum als Frühstücksraum zum angrenzenden Bundesbahnhotel, einem Hotel, das es heute auch schon lange nicht mehr gibt. Das Bundesbahnhotel, das "Bubaho", war nach Ende des Zweiten Weltkriegs gebaut und in den 90er Jahren wieder abgerissen worden. Und zwar zugunsten des Intercity-Hotels, das heute an gleicher Stelle steht. Über den Frühstücksraum und das Gemälde hatte sich der Mantel des Vergessens gelegt.

Hotelzimmer für Gäste der Olympischen Spiele 1972

Doch damit endet die gemeinsame Geschichte von Bahnhof und Hotel nicht: Auf der anderen Seite des Gebäudes, also rechts vom Hauptportal, wurden zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zwei Stockwerke zusätzlich auf das Gebäude gesetzt. Hier entstanden zusätzliche Hotelzimmer für Gäste der Olympischen Spiele 1972 in München - ein längst vergessener Teil der Geschichte des Hauptbahnhofs. Irgendwann wurden die Räume auch von ihrer Bestimmung her von Hotelzimmern zum Teil des Verwaltungstrakts. Sichtbar ist die Höhe des Gebäudes von innen derzeit nicht, aber das wird sich ändern, verspricht die Bahn.

Der Verwaltungstrakt des Ulmer Hauptbahnhofs mit zwei zusätzlichen Stockwerken für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München.
Olympischer Aufbau: Anfang der 1970er Jahre wurde das Bahnhofsgebäude um zwei Stockwerke erweitert, für Gäste der Olympischen Spiele 1972 in München.

Neue gläserne Decke als Abschluss eines großen Atriums

Der bisher niedrige Quergang im Hauptbahnhof, wo Service-Center, eine Bäckerei und eine Bücherei untergebracht waren, wird eine spektakuläre Aufwertung erfahren, so plant es die Bahn. Die Decke soll raus, von oben betrachtet ist sie der Boden eines bislang ungenutzten Innenhofs im Verwaltungstrakt. Die neue gläserne Decke soll dann oben, fünf Stockwerke höher, ein großes Atrium abschließen, das an dieser Stelle entstehen wird und den Ort massiv aufwerten soll.

Baustelle Ulmer Hauptbahnhof mit offener Flanke nach unten: Der entkernte Seitentrakt des Ulmer Hauptbahnhofs. Wenn künftig die Decke geöffnet ist, hebt sich der Blick auf den fünfstöckigen Verwaltungstrakt - und es entsteht ein großes Atrium, das mit einem Glasdach abgeschlossen wird.
Offene Flanke nach unten: Der entkernte Seitentrakt des Ulmer Hauptbahnhofs. Wenn künftig die Decke geöffnet ist, hebt sich der Blick auf den fünfstöckigen Verwaltungstrakt - und es entsteht ein großes Atrium, das mit einem Glasdach abgeschlossen wird.
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33 Millionen Euro Baukosten - Eröffnung 2026/2027

Zusammen mit der Neugestaltung der Haupthalle soll das laut Deutscher Bahn 33 Millionen Euro kosten - Eröffnung dann Ende 2026 beziehungsweise im Jahr 2027, was den Verwaltungstrakt betrifft. Dafür gibt es dann auch noch Rolltreppen in die und aus der Unterführung zu den Gleisen. Einen unterirdischen Anschluss zur anderen Seite des Hauptbahnhofs, zum "Dichterviertel" der Stadt Ulm und zur Schillerstraße, wird es dagegen nicht geben. Das, sagt die Bahn, sei nicht ihre Sache, sondern Sache der Stadt Ulm.

Fund in der Baustelle: Ein Aktenordner mit historischen Dokumenten zum Ulmer Hauptbahnhof seit 1945.
Fast im Altpapier gelandet: Ein Bahn-Mitarbeiter hat hier Dokumente aus der Geschichte von acht Jahrzehnten Ulmer Hauptbahnhof gesammet, beginnend im Sommer 1945.

Was die jüngere Geschichte des Ulmer Hauptbahnhofs nach dem Zweiten Weltkrieg angeht, da hat sich die Bahn selbst nicht als besonders akribisch entpuppt. Im Gegenteil: Fast wäre ein Aktenordner im Altpapier gelandet, der all die Um- und Anbauten auflistet. Ein unbekannter Bahn-Mitarbeiter hatte die Dokumente und Zeitungsausschnitte über all die Jahre akribisch gesammelt. Heute sind sie ein wahrer Schatz, beginnend gleich nach dem Krieg: "2.6.1945. Betreffs Sonntagsarbeit", liest Projektleiter Walser vor, "eine Anordnung noch für die Deutsche Reichsbahn."

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