Die Deutsche Bahn investiert 33 Millionen Euro in den Umbau des Ulmer Hauptbahnhofs. Ende 2026 soll das Gebäude wieder genutzt werden können. Derzeit sieht es dort fast wieder so aus wie in einem Rohbau. Und dieser birgt Zeugnisse vergangener Zeiten.
Was sich im Inneren des Hauptbahnhofs Ulm abspielt, bleibt der Öffentlichkeit verborgen: Hinter einem Sichtschutz finden umfangreiche Umbauarbeiten statt. Heller, aufgeräumter, moderner soll die Eingangspforte zur Stadt werden und das ist nicht nur Kosmetik: Für geplante 33 Millionen Euro gibt es ein komplettes Face-Lifting im Inneren, das nach Abschluss einige Überraschungen und neue Einblicke bieten wird.

Ein Hauptbahnhof gilt gemeinhin als Visitenkarte einer Stadt und die wirkte in den vergangenen Jahren im Fall von Ulm nicht sonderlich attraktiv. Der Hauptbahnhof ist ein Zweckbau aus den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, immer wieder angestückelt und in verschiedenen Bauphasen ergänzt und umgebaut - und so sah er zuletzt auch aus.

Der Stadtverwaltung Ulm wäre es am liebsten gewesen, wenn der Bahnhof abgerissen und neu gebaut worden wäre, aber da hat die Deutsche Bahn abgewunken: zu teuer, zu wenig ökologisch. Und - ein bisschen überraschend - sagt Projektleiter Roland Walser: "Wir wollten dem Gebäude seine Würde wiedergeben." Die Gesellschaft neige dazu, alles abzureißen und neu zu bauen - das sei im Fall "Ulmer Hauptbahnhof" nicht der richtige Weg. Denn auch das Nachkriegsgebäude habe ja seine Geschichte und die solle sichtbar erhalten bleiben, "mit einer Lösung aus einem Guss".
Wir wollten dem Gebäude seine Würde wiedergeben.
Statt eines Neubaus kommt also jetzt die Modernisierung im Bestand. Ein Baustellenbesuch zeigt: Auch bei der "Nur-Modernisierung" ist innen kaum ein Stein auf dem anderen geblieben.
Die Eingangshalle wirkt wie eine Trümmerwüste: Bagger fahren durch die Halle über den nackten Erdboden, vorbei an Resten dessen, was hier bis 2024 stand. Böden sind herausgerissen worden und geben jetzt den Blick ins Untergeschoss frei. Hier und da Mauerreste aus Beton und Ziegelsteinen. Diese sind Zeugnisse einer anderen Zeit, des ersten Hauptbahnhofs von 1850, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch alliierte Luftangriffe zerstört wurde.

Frühzeit der Eisenbahngeschichte im Ulmer Hauptbahnhof
"Das sind die Überreste der Frühzeit der Eisenbahngeschichte", sagt Projektleiter Walser. "Alte Gewölbe, die mal als Kellerräume genutzt wurden, weichen jetzt dem Ausbau für die Fahrgäste." Einfach abgerissen werden die Gewölbereste nicht, sie werden stabil mit einem Granulat zugeschüttet und das ist auch nötig: Der Boden der Eingangshalle habe sich in den vergangenen Jahren leicht in den weichen Untergrund gesenkt.

Gebaut wurde der Bahnhof in Ulm nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Eisenbahnknotenpunkt Ulm war durch amerikanische Luftangriffe zerstört und musste schnell wieder funktionsfähig gemacht werden. Das ging damals in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf Kosten einer genauen Bodenuntersuchung, und das rächt sich jetzt. Denn nicht alle Fliegerbomben explodierten bei den Angriffen, manche bohrten sich auch als Blindgänger tief ins Erdreich - und ob dort heute noch gefährliche Altlasten liegen, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten.

Kein Blindgänger im Boden unter dem Ulmer Hauptbahnhof
Es gibt zwar Sonden, aber die melden nicht "Blindgänger", sondern "Metall" - und davon liegt viel im Boden unter dem Ulmer Hauptbahnhof. Um was es sich da im Einzelnen handelt, das musste mit viel Aufwand in jedem einzelnen Fall ein Feuerwerker über Probebohrungen mit Metall-Entnahme feststellen. Die gute Nachricht: Ein tatsächlicher Blindgänger war nicht dabei.
Doch damit endet der Blick in die Vergangenheit nicht, und der betrifft jetzt auch die jüngere Vergangenheit seit dem Neubau. Beim Entkernen stießen die Bauarbeiter hinter einem Paneel auf ein Bild mutmaßlich aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, über dem Hauptportal, dort, wo zuletzt ein Spielsalon untergebracht war.

Vorher gehörte dieser Raum als Frühstücksraum zum angrenzenden Bundesbahnhotel, einem Hotel, das es heute auch schon lange nicht mehr gibt. Das Bundesbahnhotel, das "Bubaho", war nach Ende des Zweiten Weltkriegs gebaut und in den 90er Jahren wieder abgerissen worden. Und zwar zugunsten des Intercity-Hotels, das heute an gleicher Stelle steht. Über den Frühstücksraum und das Gemälde hatte sich der Mantel des Vergessens gelegt.
Hotelzimmer für Gäste der Olympischen Spiele 1972
Doch damit endet die gemeinsame Geschichte von Bahnhof und Hotel nicht: Auf der anderen Seite des Gebäudes, also rechts vom Hauptportal, wurden zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zwei Stockwerke zusätzlich auf das Gebäude gesetzt. Hier entstanden zusätzliche Hotelzimmer für Gäste der Olympischen Spiele 1972 in München - ein längst vergessener Teil der Geschichte des Hauptbahnhofs. Irgendwann wurden die Räume auch von ihrer Bestimmung her von Hotelzimmern zum Teil des Verwaltungstrakts. Sichtbar ist die Höhe des Gebäudes von innen derzeit nicht, aber das wird sich ändern, verspricht die Bahn.

Neue gläserne Decke als Abschluss eines großen Atriums
Der bisher niedrige Quergang im Hauptbahnhof, wo Service-Center, eine Bäckerei und eine Bücherei untergebracht waren, wird eine spektakuläre Aufwertung erfahren, so plant es die Bahn. Die Decke soll raus, von oben betrachtet ist sie der Boden eines bislang ungenutzten Innenhofs im Verwaltungstrakt. Die neue gläserne Decke soll dann oben, fünf Stockwerke höher, ein großes Atrium abschließen, das an dieser Stelle entstehen wird und den Ort massiv aufwerten soll.

Deutsche Bahn und Bund investieren 35 Millionen Euro Umbau beginnt: So soll der Ulmer Bahnhof künftig aussehen
Einen kompletten Neubau wollte die Bahn aus Kostengründen nicht. Jetzt startet die Modernisierung des Ulmer Hauptbahnhofs für 35 Millionen Euro - heller und endlich mit Rolltreppen.
33 Millionen Euro Baukosten - Eröffnung 2026/2027
Zusammen mit der Neugestaltung der Haupthalle soll das laut Deutscher Bahn 33 Millionen Euro kosten - Eröffnung dann Ende 2026 beziehungsweise im Jahr 2027, was den Verwaltungstrakt betrifft. Dafür gibt es dann auch noch Rolltreppen in die und aus der Unterführung zu den Gleisen. Einen unterirdischen Anschluss zur anderen Seite des Hauptbahnhofs, zum "Dichterviertel" der Stadt Ulm und zur Schillerstraße, wird es dagegen nicht geben. Das, sagt die Bahn, sei nicht ihre Sache, sondern Sache der Stadt Ulm.

Was die jüngere Geschichte des Ulmer Hauptbahnhofs nach dem Zweiten Weltkrieg angeht, da hat sich die Bahn selbst nicht als besonders akribisch entpuppt. Im Gegenteil: Fast wäre ein Aktenordner im Altpapier gelandet, der all die Um- und Anbauten auflistet. Ein unbekannter Bahn-Mitarbeiter hatte die Dokumente und Zeitungsausschnitte über all die Jahre akribisch gesammelt. Heute sind sie ein wahrer Schatz, beginnend gleich nach dem Krieg: "2.6.1945. Betreffs Sonntagsarbeit", liest Projektleiter Walser vor, "eine Anordnung noch für die Deutsche Reichsbahn."