Die Baustelle einer Baugemeinschaft am Ulmer Safranberg: Ulms Bodenvorratspolitik macht sich bezahlt (Foto: SWR, Maren Haring)

Immobilienmarkt unter Druck

Eigene Strategie: Wie Ulm die Preise für Grundstücke drückt

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Maren Haring
Maren Haring (Foto: SWR, SWR - Alexander Kluge)

Die Stadt Ulm betreibt seit 130 Jahren eine Bodenvorratsstrategie: Sie kauft Bauland, um Grundstücke günstiger verkaufen zu können. Das ist nachhaltig - doch die Nachfrage ist derzeit zu hoch.

Die Preise für Mietwohnungen, für Eigentumswohnungen und Grundstücke fürs eigene Häuschen kannten bis jetzt nur den Weg nach oben. Gerade in Ballungsräumen, aber immer mehr auch auf dem Land ist es teuer. Ulm ragt mit einem eigenen Konzept bundesweit heraus. Seit Ende des 19. Jahrhunderts betreibt die Kommune eine Bodenvorratspolitik und nimmt so Einfluss auf die Grundstückspreise.

Kauf von Bauland auf Vorrat

Vor 130 Jahren hat Ulm diese Strategie aus der Taufe gehoben. Damals brauchte es in der heutigen Oststadt Wohnungen für Arbeiter, erklärt Ulms Bodenstrategieexperte Ulrich Soldner. Es war das Zeitalter der Industrialisierung, Fabriken brauchten Fachkräfte. Die Stadt hat damals damit begonnen, Arbeitereigenheime zu errichten. 1894 fiel ein entsprechender Beschluss im Ulmer Gemeinderat. Seitdem kauft die Stadt Grundstücke, um Bauland für Ulmerinnen und Ulmer zur Verfügung stellen zu können.

"Dazu hat auch gehört, dass man von da an systematisch im Außenbereich, (...), aufgekauft hat, um (...) Bebauungspläne aufzustellen."

An diesem Vorgehen hat die Stadt bis heute nichts geändert: Jedes Jahr stehen dem Liegenschaftsamt 16 Millionen Euro für Grundstückskäufe zur Verfügung. 4.600 Hektar, mehr als ein Drittel der Fläche Ulms, gehören der Stadt. Zentraler Punkt der Bodenvorratspolitik ist laut Ulrich Soldner, immer genügend Baugrund zu besitzen, um eine aktive Stadtentwicklung betreiben zu können. Und dabei auch den Hut aufzuhaben. Wie im Falle von Neubaugebieten. Die werden in Ulm nur erschlossen, wenn alle dafür notwendigen Flächen im Eigentum der Kommune sind.

Die Baustelle einer Baugemeinschaft am Ulmer Safranberg: Ulms Bodenvorratspolitik macht sich bezahlt (Foto: SWR, Maren Haring)
Die Baustelle einer Baugemeinschaft am Ulmer Safranberg: 720 Euro pro Quadratmeter hat die Stadt verlangt, nicht billig, aber weit günstiger als auf dem privaten Markt

Auch nach dem Verkauf eines Grundstücks habe die Stadt noch den Daumen drauf, sagt Soldner. Sie hat ein Wiederkaufsrecht, sollte das Grundstück nicht wie vorgesehen vom Käufer bebaut werden. Die Kommune zahle dann den Preis zurück, den sie erhalten hat. Wird beispielsweise ein Einfamilienhaus bezugsfertig erbaut und dann direkt verkauft, wird eine Nachzahlung fällig. Denn die Stadt hat eine Selbstnutzung von zehn Jahren eingeführt.

"Wir haben beim Einfamilienhaus mindestens zehn Jahre Selbstnutzung eingeführt, sonst ist eine Nachzahlung fällig."

Stadt spekuliert nicht mit ihren Grundstücken

So will die Stadt verhindern, dass mit ihren Grundstücken spekuliert wird. Zugleich nimmt sie als alleinige Verkäuferin neuer Baugrundstücke Einfluss auf die Preise, erklärt die Leiterin des Liegenschaftsamtes, Tanja Oelmaier. Die Stadt verkaufe ihre Grundstücke immer kostendeckend, also für das Geld, dass sie selbst in Kauf und Erschließung investiert hat.

"Wir spekulieren nicht am Markt mit unseren Grundstücken, (...) sondern wir kalkulieren auskömmliche Preise."

Die Baustelle einer Baugemeinschaft am Ulmer Safranberg: Ulms Bodenvorratspolitik macht sich bezahlt (Foto: SWR, Maren Haring)
Architekt Roberto Carnevale mit zwei Bauherren der Baugemeinschaft am Safranberg, Melanie Steiner und Markus Blum.

Ein Beispiel für den Einfluss der Stadt auf Grundstückpreise ist im Ulmer Stadtviertel Safranberg zu finden. Dort entsteht ein neues Wohn- und Geschäftsviertel. Drei Grundstücke sind an Baugemeinschaften gegangen, hier sieht die Stadt eine Zukunft für privates Eigentum im Stadtgebiet. Markus Blum und Melanie Steiner gehören zu einer der Baugemeinschaften. Markus Blum erzählt, dass er 2016 mit der Suche nach einem Häuschen für seine Familie begonnen hat und lange nicht fündig wurde. Die verlangten Preise seien für zwei normale Arbeitnehmer eher unrealistisch gewesen, so Blum.

"Wenn's realistisch war, waren die Angebote gelinde gesagt etwas frech."

Dann sei er vor drei Jahren zu der Baugemeinschaft gestoßen, inzwischen steht der Rohbau für das mehrstöckige Wohnhaus mit Gewerbenutzung im Erdgeschoss. Die Lage ist optimal: Die Ulmer Innenstadt ist mit etwas gutem Willen noch fußläufig erreichbar, zugleich grenzt das Neubaugebiet direkt ans Grüne. Zentrumsnah und noch bezahlbar. 720 Euro pro Quadratmeter hat die Baugruppe bezahlt, am freien Markt wäre an dem Standort deutlich mehr fällig gewesen, vermutet ihr Architekt Roberto Carnevale. Er habe schon auf Grundstücken gebaut, die für mehr als das Doppelte verkauft wurden.

Die Baustelle einer Baugemeinschaft am Ulmer Safranberg: Ulms Bodenvorratspolitik macht sich bezahlt (Foto: SWR, Maren Haring)
Architekt Roberto Carnevale im Rohbau am Ulmer Safranberg

"Da muss man eigentlich auf dem freien Markt Faktor zwei bis drei rechnen. Es gibt durchaus Grundstücke, die für 1.600 oder 1.700 Euro pro Quadratmeter verkauft wurden."

Zu viele Bauwillige, zu wenig Baugrund

Doch trotz der 130 Jahre alten Bodenpolitik der Stadt steht auch in Ulm der Immobilien- und Grundstücksmarkt unter Druck. Es gibt zu viele Bauwillige und zu wenig Baugrund. Ein Beispiel: Die Stadt hat jüngst 37 neue Baugrundstücke zum Verkauf angeboten - darauf gab es 1.700 Bewerbungen. Wer da keinen Zuschlag bekommt, versucht es auf dem freien Markt, den Bauherr Markus Blum beschreibt. Dort sind die Preise deutlich gestiegen.

Gerrit Bernstein vom Gutachterausschuss für Grundstücksbewertung und Immobilienpreise in Ulm analysiert alle Kaufverträge auf dem Immobilienmarkt und sagt, die Preise seien eigentlich noch nie gesunken. Seit 2014 nehme er eine deutliche Steigerung wahr, die zwischen 2017 und 2019 sogar noch mal an Fahrt aufnahm. Erst im vergangenen Jahr habe es ein Abflachen der Kurve gegeben, sowohl bei der Zahl an Verkäufen als auch bei den Preisen.

 "Wenn wir uns die Verkäufe im Geschosswohnungsbau anschauen, ist dort keine Stagnation festzustellen."

Ungebremst sei die Entwicklung im Bereich des Wohnungsbaus. Der Gutachter schätzt, dass Bauwillige inzwischen nicht nur mangels Grundstücks, sondern auch wegen massiv steigender Baupreise lieber auf eine größere Wohnung umschwenken, anstatt ein Haus zu bauen.

Dennoch könne und müsse die Kommune weiter Einfluss nehmen, sagt Ulms Experte Ulrich Soldner. Das Mittel gegen das Ungleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot sei einfach: bauen, bauen, bauen. Und das tue neben Ulm auch die Nachbarstadt Neu-Ulm. Soldner ist der Überzeugung, dass sich Nachfrage und Angebot auf dem Immobilienmarkt wieder einpendeln werden.

Entwicklung auf dem Immobilienmarkt schwer einzuschätzen

Doch wie geht es weiter? Es mehren sich Meldungen über Bauherren, die ihre Projekte aufgrund der Preisentwicklung nicht mehr realisieren können. Steigende Zinsen, schlechte Verfügbarkeit von Handwerkern, ein Mangel an Baumaterialien – das macht den Bauwilligen Sorgen, so Architekt Roberto Carnevale. Auch er kenne Bauherren, die abgesprungen sind. Dazu kommen erste Meldungen von sinkenden Immobilienpreisen.

Doch Tanja Oelmaier und Gerrit Bernstein glauben nicht, dass die Chancen auf sinkende Preise groß sind. Die Marktteilnehmer seien verunsichert, so Oelmaier, sie warten ab. Aber langfristig rechne sie dennoch mit weiteren Preissteigerungen. Er glaube eher an eine Seitwärtsbewegung, so Gerrit Bernstein. Er habe bislang noch nie beobachtet, dass die Preise in Ulm gefallen wären.

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