Die Jugend - das ist Aufbruch, eine große Party, das ist die Suche nach dem anderen Geschlecht. Aber das Welterkunden ist nicht einfacher geworden: Die Pandemie ist immer noch spürbar, der Krieg ist in Europa, politische Gewissheiten sind auseinandergebrochen. Jugend war immer eine Herausforderung, aber in diesen Zeiten ist sie noch herausfordernder. Das zeigt die neue Ausstellung "Auf der Suche" im Kunstmuseum Heidenheim.
Ein SWR-Team hat mit Jugendlichen gesprochen, die sich die Ausstellung angeschaut haben. Die große Frage war: Können sich die jungen Menschen mit den Gleichaltrigen in den Bildern und Motiven identifizieren?
Ausstellung im Kunstmuseum Heidenheim zeigt "Unorte" zum Wohlfühlen
Das Plakat zur Ausstellung zeigt vier Jugendliche, die in der Nacht unter einer Autobahnbrücke abhängen. Eigentlich ein abweisender Platz, das Gras ungemäht, daneben ein riesiger Betonblock. Ein Unort. Und doch das Richtige für junge Leute. Ein Foto Valentin Groppel vermittelt: Man ist unter sich.

Aber doch gucken alle auf ihre Smartphones und sind irgendwie seltsam abwesend - also zusammen und doch irgendwie allein.
Das Foto fängt die nächtliche Stimmung ein, man spürt das Gemeinschaftsgefühl der Jugendlichen. "Aber doch gucken alle auf ihre Smartphones", bemerkt Museumsleiter Marco Hompes. Sie sind "irgendwie seltsam abwesend - also zusammen und doch irgendwie allein."
Die 15-jährige Laura sieht das genauso: "Ich merke, dass ich selber sehr viel am Handy sitze und auch nicht mehr die Natur wahrnehme. Und auch wenn ich an einem besonderen Ort bin, mache ich eben direkt mein Foto und genieße das nicht mehr."
Ständiger Vergleich mit perfekten Körpern
Es geht in dieser Ausstellung nicht darum, das Smartphone schlechtzureden. Es geht um die besonderen Herausforderungen dieser Zeit. Jugendliche messen sich eben nicht mehr nur mit Gleichaltrigen im Klassenzimmer. Sie messen sich mit den Influencern im weltweiten Netz.
...wo man nicht weiß, was passiert eigentlich mit einem? Und dann kommen auch sehr viel Selbstzweifel auf.

Wozu führt der ständige Vergleich mit perfekten Körpern? Das ist das Thema der Künstlerin Ivonne Thein. Ihr Foto "Zweiunddreißig Kilo" hat nichts mit einem gesunden Körperbild zu tun. Thein hat ein extrem dünnes Model fotografiert und am Computer noch dünner werden lassen. Ein verstörendes Bild über die Auswirkungen von Magersucht. Seit Corona, so heißt es in einem Begleittext des Museums, haben Essstörungen weltweit zugenommen.
Ein Mädchen einer Schülergruppe vom Heidenheimer Hellenstein-Gymnasium weiß genau, worum es geht: "Gerade bei Frauen in der Entwicklung verändert sich mehr am Körper. Da steckt man vielleicht auch gerade in so einer gewissen Identitätskrise, wo man nicht weiß, was passiert eigentlich mit einem? Und dann kommen auch sehr viel Selbstzweifel auf."
Kunstmuseum Heidenheim: Videoinstallation über Liebe und Fake
Im Grunde kann man alles kaufen auf dem globalen Markt. Nur eines nicht: die Liebe. Auch wenn Datingportale sie versprechen. Der Videokünstler Philipp Valenta hat dieses Versprechen zugespitzt: Er hat Darsteller von Sex-Seiten dafür bezahlt, dass sie ihm per Video tief empfundene Liebe versichern. Auch bei diesen Bildern verschlägt es einem die Sprache.

Man sieht in der Installation 22 junge Männer, die alle auf ihrer Sprache, mal ukrainisch, mal russisch, mal türkisch "aufrichtig" versichern, wie sehr sie einen lieben. Aber diese Geständnisse sind natürlich nicht echt. "Und das zeigt sehr schön die Suche nach Liebe in einer unauthentisch gewordenen digitalen Welt", meint Marco Hompes.
Emanzipation von der Familie, Politik, Sexualität, Suche nach Identität - es ist alles da in dieser Ausstellung "Auf der Suche". Die niederländischen Fotokünstler Ari Versluis und Ellie Uyttenbroek haben non-binäre Menschen fotografiert. Biologische Männer in Frauenkleidung, die sich mit keinem der Geschlechter identifizieren wollen.

Geschlechtliche Identität vielfältiger ausdrücken zu können ist das eine, sagt Hompes. "Es macht aber die Sprache natürlich komplizierter, es macht das Miteinander komplizierter, wenn Jugendliche sich intensiver damit auseinandersetzen müssen: Was bin ich eigentlich? Was ist mein Geschlecht?"
Die Diskussion ist symptomatisch: Früher war mehr oder weniger klar, es gibt zwei Geschlechter. Heute spricht man von LGBTQIA+. Die Ausstellung bewertet das nicht. Sondern sie stellt dar, dass das Leben heutiger Jugendlicher deutlich komplexer geworden ist - eben auch in sexueller Hinsicht.
Wir müssen dauerhaft entscheiden. Und diese Entscheidung ist ein wirklicher Zwang geworden.
Hier liegt der Fokus von "Auf der Suche". Die Komplexität betrifft alle Lebensbereiche. Junge Menschen können (und müssen) in Zeiten der Globalisierung weltweit auswählen - was sie kaufen, was sie werden wollen, wohin sie gehen. Die Freiheit zu entscheiden ist grenzenlos. Damit wird die Freiheit zur Einengung, die Wahl wird zur Pflicht. "Wir müssen uns konstant entscheiden", sagt Marco Hompes. "Welche Sneaker trage ich? Welchen Job nehme ich? Welches Essen esse ich? Das Essen ist ja auch schon fast eine Religion geworden. Wir müssen dauerhaft entscheiden. Und diese Entscheidung ist ein wirklicher Zwang geworden. Und das ist nicht immer einfach."

Zwei Gemälde des Künstlerduos "Römer + Römer" zeigen Orte, an denen Menschen für eine gewisse Zeit zusammenkommen. Ein Protestcamp in Brandenburg etwa oder ein Festivalgelände. Die Bilder bestehen aus winzig kleinen gepinselten Punkten - fast wie digitale Pixel.
Sven, 16 Jahre alt, erkennt darin eine Überstimmung: "Diese Pixeligkeit ist für mich so, als ob man durch ein Handy sieht. Durch die Medien ist einfach alles so ein bisschen verzerrt. Und man hat nicht mehr diesen klaren Durchblick. Und die Leute, die auf diesem Bild zu sehen sind, die haben wahrscheinlich noch diesen klaren Durchblick. Sie sind nicht am Handy, genießen den Moment. Die sehen die Farben. Und für uns aus der Ferne ist das Ganze verschwommen, verpixelt."
Ausstellung "Auf der Suche" ist eine Herausforderung
Die Ausstellung zeigt nicht nur die problematischen Seiten. Zu sehen sind Jugendliche beim Skaten, beim Kuscheln, beim Tanzen. Eines ist klar: Die Ausstellung ist eine Herausforderung, wie die Jugend selbst. Und jung waren wir ja alle mal.
Fazit eines der Jugendlichen: "Ich würde schon sagen, dass es viele Bilder gibt, in denen man sich widerspiegelt, oder sich gut damit identifizieren kann, wenn man sich selbst so kleiden würde, oder so. Aber ich finde auch, dass es sehr viel Abstraktes gibt, mit dem ich mich persönlich nicht wirklich identifizieren könnte."