Hängende, teils überdimensionale Turnringe im Lichthof des Museums Ulm (Foto: Museum Ulm, Pressestelle / Oleg Kauz, VG Bild-Kunst)

Ausstellung von Brunner/Ritz: "Kunst turnen"

Werkschau der Konstrukteure des Berblinger-Turms im Museum Ulm

Stand
AUTOR/IN
Rainer Schlenz

Seit eineinhalb Jahren steht der schräge Berblinger-Turm am Donauufer - konstruiert vom Künstler-Duo Brunner/Ritz. Jetzt zeigt das Museum Ulm eine Werkschau der beiden. Titel: "Kunst turnen".

Schon vor dem Museum Ulm setzt das Künstler-Duo Brunner/Ritz ein unüberseh- wie unüberhörbares Zeichen: Ein alter Mercedes schlägt da mächtig Alarm. Er ist behängt mit Blaulichtern, aus seinem Inneren erklingt eine Komposition, zusammengesetzt aus elektronisch bearbeiteten Martinshörnern.

Ein blaues Auto voller Blaulichter (Foto: SWR, Rainer Schlenz)
Alarm vor dem Museumscafé: Der Eyecatcher des Künstler-Duos Brunner/Ritz für die Ausstellung "Kunst turnen", die am Freitagabend eröffnet wurde.

Irgendwie gibt es für den Betrachter gar keine Hemmschwelle zur Kunst von Johannes Brunner und Raimund Ritz. Denn sie verarbeiten fast ausschließlich Dinge, die jeder kennt: Plastikschwerter, Tennisbälle, Blaulichter - oder auch Getränkekisten.

Vom Alltagsplunder zum Kunstobjekt

Mehr als 650 Bierkästen haben die beiden Künstler Johannes Brunner und Raimund Ritz im Museum Ulm gestapelt. Für das Duo ist der Aufbau eine Skulptur - und ein Musikinstrument. Bespielt beziehungsweise gerüttelt wird es von sechs Schlagzeugern, wie zur Eröffnung der Ausstellung "Kunst turnen" am Freitagabend.

Es ist der Spaß an Alltagsgegenständen, der die beiden antreibt. Immer wieder fragen sie sich: Was kann man als Künstler aus ihnen "herausholen"?

"Da gehen wir mit großer Lust dran, uns ganz normale Alltagsdinge vorzuknöpfen und die in einen anderen Zusammenhang zu stellen."

Wer diese rhythmisch treibende Performance einmal miterlebt hat, wird das nächste Mal mit anderen Ohren in den Getränkemarkt gehen. Dahinter steckt die Fähigkeit der Künstler, Dinge anders sehen zu können. Und das wollen sie an die Museumsbesucher und -besucherinnen weitergeben. Sie nennen das: die Alltagsgegenstände "eine Umdrehung" weiterzudrehen.

"Diese Tür, die wir da aufmachen, diesen einen Spalt durch diese Verdrehung, der ermöglicht ja, das Eigentliche noch zu sehen und das Neue schon zu erkennen."

Viele Ulmerinnen und Ulmer kennen das Künstler-Duo: Denn seit eineinhalb Jahren steht am Ulmer Donauufer ein von ihnen entworfener spektakulärer Turm. Im Grunde ist es eine Art Wendeltreppe, die sich an einer schrägen, metallenen Achse auf rund zehn Meter Höhe hochwindet. Die Achse verläuft leicht schräg - und ist man oben angekommen, wackelt es auch noch leicht. Es ist der Berblinger-Turm. Symbol für den gescheiterten Versuch des Schneiders von Ulm, eben Berblinger, mit einem Fluggerät die Donau zu überqueren.

Berblinger Turm am Ulmer Donauufer (Foto: SWR, Michael Binder)
Eine wackelige Angelegenheit - wie der Flugversuch des Berblingers: Aus diesem Grund hat das Künstler-Duo Brunner/Ritz den Turm schräg und leicht schwankend konstruiert.

Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeiten Johannes Brunner und Raimund Ritz zusammen und schaffen Kunst im öffentlichen Raum, Architektur, Klang- und Videoinstallationen und vieles mehr. Von allem lassen sie sich inspirieren: Sie schauen gemeinsam einen Tatort und entdecken im Film ein Laserschwert aus Plastik.

"Und das Kind zieht unter der Decke ein Laserschwert hervor und ballert dem Vater trotzig hinterher. Und wir zwei Tatort-Konsumenten gucken uns gegenseitig an und sagen: Was’n das?"

Brunner/Ritz besorgen sich so ein Plastikding und inszenieren daraus eine Art schwebendes Leuchtschwert-Ballett für die Bühne. Später wird daraus eine Videoperformance, für die sie den Deutschen Videokunstpreis erhalten haben. Es ist extrem spannend zu erleben, wie aus dem abscheulichen Spielzeug Kunst wird, wie aus dem Grauen des Klangs und Materials eine Sogwirkung entsteht.

Johannes Brunner ist Bildhauer und Bildender Künstler, Raimund Ritz ist Musiker und Komponist. Beide Disziplinen fließen bei ihnen zusammen. Im Museum Ulm haben sie vier Orchesterpauken aufgestellt. Anstatt mit Schlägeln werden sie mit Tennisbällen, die aus gläsernen Röhren fallen, zum Klingen gebracht.

"Man bespielt die Pauke nicht mit einem Tennisball. Das macht man nicht."

Und gerade das ist der Reiz: Die Lust an der Grenzüberschreitung. Tennisbälle, Laserschwerter, teils überdimensionale Turnringe, die von der Decke hängen. Es gibt kein typisches Medium, mit dem die beiden arbeiten. Immer wieder suchen sie neue Materialien, neue Alltagsgegenstände. Und immer schwingt der Humor mit. Die Tennisball-Pauken-Komposition etwa, sie endet im Getöse.

"Und jeder Mensch weiß, das war der Schlusspunkt. Und jeder hat ein Grinsen auf dem Gesicht. Warum ist das lustig? Das finde ich wahnsinnig interessant, das im Experiment zu erforschen. Und ich komm einfach nicht drauf."

Es ist ein Werk, das nicht immer erklärbar ist. Aber eines ist es bestimmt: Klug und charmant und definitiv nie langweilig.

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Rainer Schlenz