
Mit feinem Werkzeug, teilweise Zahnarztbesteck, kratzt ein Grabungshelfer letzte winzige Erdkrümel von den Beinknochen. Im offenen Grab liegen die Skelette zweier Menschen - die beiden halten Händchen. Die linke Hand des einen und die rechte Hand des anderen sind ineinander verschränkt.
"Wenn sich das nachher bewahrheitet, dass das wirklich Mann und Frau sind, die sich hier die Hände reichen, dann wäre das natürlich auch eine sehr spannende Geschichte, um die Geschichte dahinter ein bisschen rauszukitzeln", sagt Archäologe Manfred Woidich.
Anthropologin urteilt: ein Liebespaar
Ob die beiden wirklich ein Liebespaar waren, soll die Anthropologin Eva Kropf klären. Sie steigt den halben Meter hinunter ins Grab. Sie schaut zunächst auf die Knochenenden, um zu sehen, ob es Erwachsene sind. "Und das ist hier klar, die Wachstumsfugen sind hier überall geschlossen, also definitiv Erwachsene. Um die 20 - aufwärts", lautet Kropfs Urteil.
Und noch mehr kann die Anthropologin anhand der Knochen erkennen. Das Becken des einen Skeletts sei eindeutig weiblich, auch das Schambein ist das einer Frau. "Das Becken ist immer der beste Indikator für das Geschlecht", erläutert Kropf. Auch das andere Skelett kann sie daher einem Geschlecht zuordnen: Ein Mann. Die zwei sind also händchenhaltend vereint im Tod: Das Liebespaar aus dem Nördlinger Ries.
Tod nicht durch Gewalt
Eine Todesursache lässt sich nicht mehr herausfinden. Kein offensichtliches Schädeltrauma sei zu erkennen, sagt Kropf - also keine Hinweise auf einen gewaltsamen Tod. "Das Wahrscheinlichere ist irgendeine Infektionskrankheit", sagt die Anthropologin. Einer könnte den anderen angesteckt haben, das würde erklären, warum beide gleichzeitig gestorben sind.

Rittergrab mit Schere und Kamm
Nur wenige Meter entfernt sind die Archäologen auf ein Rittergrab gestoßen. Mit prächtigen Grabbeigaben, vor allem Waffen. Noch spannender: "Ein Kamm und eine Schere", sagt Woidich. Zwar seien Kämme und Scheren eher in Frauengräbern zu erwarten, treten allerdings auch regelmäßig in Männergräbern auf. Bei dem Ritter könne man also davon ausgehen, dass dieser lange Haare und einen Bart hatte, den er mit Schere und Kamm pflegte.
"Man kann also sagen, die ältesten Deininger waren vielleicht auch Hipster."
Die Skelettfunde geben Einblicke in den Alltag der Vorfahren. Etwa wie sie sich in Szene setzen ließen, sagt Johann Friedrich Tolksdorf vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. "Wir dürfen uns da jetzt nicht so den ungepflegten Krieger vorstellen, sondern schon jemanden, der auf der einen Seite natürlich zeigt, was er für ein gewaltig abschreckender Mann ist, auf der anderen Seite aber auch durchaus zeigt, dass er kultiviert ist und da auf Körperpflege großen Wert legt", erläutert Tolksdorf.

Einmaliger Fund nördlich der Alpen
Und sich puren Luxus leisten kann. Das wird die Analyse im Labor Wochen später zeigen. Der Kamm ist nämlich aus Elfenbein. Auf der Vorder- und Rückseite sind Szenen eingeritzt, in denen Tiere vor Raubtieren flüchten. Nördlich der Alpen ist dieser Fund bisher einmalig.