Zur blauen Stunde brennen zahlreiche Kerzen am Tatort eines Messerangriffs auf zwei Mädchen. Nach dem Angriff auf zwei Schülerinnen in Illerkirchberg bei Ulm ist Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes gegen den Verdächtigen erlassen worden. Eine 14-Jährige wurde bei der Attacke tödlich und ein 13 Jahre altes Mädchen schwer verletzt. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)

Diskussion um mögliche frühere Vorfälle

Bürgermeister von Illerkirchberg: "Geflüchtete nicht in Generalverdacht nehmen"

Stand

Die Gemeinde Illerkirchberg kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Messerangriff gegen zwei Mädchen wird unter anderem der Umgang mit Geflüchteten diskutiert. Der Bürgermeister ist besorgt.

Nach den Ereignissen in Illerkirchberg (Alb-Donau-Kreis) vom vergangenen Montag treibt Verantwortliche die Sorge um den weiteren Umgang mit Geflüchteten in der Gemeinde um. Bürgermeister Markus Häußler (parteilos) erneuerte am Donnerstag die Bitte nach einer differenzierten Betrachtung. "Nehmen Sie Geflüchtete aller Nationen nicht in Generalverdacht, sondern begegnen Sie ihnen offen und schreiten Sie ein, wenn Sie Zeuge von Grenzüberschreitungen werden", schrieb Häußler in einem offenen Brief.

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Auch Lothar Klatt vom Ulmer Flüchtlingsrat schätzt die Lage für Geflüchtete nach dem Vorfall in Illerkirchberg als angespannt ein. Man habe mitbekommen, dass von vielen rechten Gruppierungen "getrommelt" werde. Viele Geflüchtete seien "hellhörig" geworden, "das wirkt sich dann natürlich ganz schnell auf ihre persönliche Situation aus", sagte Klatt dem SWR.

Bei einer Demonstration in Illerkirchberg im Alb-Donau-Kreis anlässlich des tödlichen Messerangriffs am Montag haben sich am Vormittag rund 150 Menschen versammelt. Damit blieb die Zahl der Teilnehmenden hinter der Ankündigung zurück. Zu der Demonstration hatte die AfD aufgerufen. Einige Anwohner haben sich zu einer Gegendemo getroffen. (Foto: SWR, Peter Schmid)
Demonstration am Samstagvormittag vor dem Rathaus in Illerkirchberg: Die AfD hatte dazu aufgerufen.

Aufrufe zu Demonstrationen in Illerkirchberg

Bei einer Demonstration am Samstagvormittag in Illerkirchberg im Alb-Donau-Kreis haben sich nach Auskunft des Landratsamtes rund 120 Menschen versammelt. Zu der Demonstration vor dem Rathaus hatte die AfD aufgerufen.

Zeitgleich trafen sich einige Anwohner zu einer Gegendemonstration. Mehrere Gruppierungen hatten zu Kundgebungen aufgerufen, unter anderem über die sozialen Medien. Die Polizei bestätigte dem SWR, mit einer "angemessenen Anzahl an Einsatzkräften" im Ort für Sicherheit zu sorgen.

Trauer in Illerkirchberg: Bei einer weiteren Demonstration am Samstag riefen Teilnehmende zu Frieden, Solidarität und Toleranz auf. (Foto: SWR, Peter Schmied)
Trauer in Illerkirchberg: Bei einer weiteren Demonstration am Samstag riefen Teilnehmende zu Frieden, Solidarität und Toleranz auf.

Geflüchteter aus Illerkirchberg begeht Suizid - Wurde er bedroht?

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass ein 25-Jähriger, der zeitweise als verdächtig galt, Suizid begangen hatte. Staatsanwaltschaft und Polizei betonten, dass es gegen den Mann keinen Tatverdacht gegeben habe. Der mutmaßliche Angreifer vom Montag sei nach der Tat in die Wohnung des 25-Jährigen geflüchtet. Derzeit ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft die Gründe für den Suizid, unter anderem auch, ob der Mann aus Eritrea bedroht wurde.

Vor Ort ist die Lage weiter angespannt. Anwohnerinnen und Anwohner berichteten mehreren Medien davon, dass die Asylbewerber mehrfach negativ aufgefallen seien, die Gemeinde bisher dagegen aber nichts unternommen habe. In den sozialen Netzwerken wie Facebook äußerten sich in den vergangenen Tagen immer wieder Menschen, die von angeblichen Belästigungen junger Mädchen in Illerkirchberg berichteten.

Lage in Illerkirchberg angespannt - Unterschiedliche Aussagen über Vorfälle

Die "Schwäbische Zeitung" zitierte eine Anwohnerin, die am Mittwoch gegenüber Pressevertretern gesagt haben soll, dass durchaus bereits entsprechende Beschwerden über "die Asylbewerber, die in dem Haus am Tatort wohnten" an die Gemeinde gerichtet worden seien.

Die Polizei verwies auf SWR-Anfrage dazu an die Gemeinde. Bürgermeister Markus Häußler hatte im SWR bereits am Mittwoch betont , dass es keine Probleme über das Übliche hinaus gegeben habe, auch seien die Bewohner nicht allein gelassen worden. Man habe seit vielen Jahren eine Flüchtlingsbeauftragte, die sich auch intensiv um die Unterkünfte kümmere, so Häußler weiter. Auf weitere SWR-Anfragen zu dem Thema reagierte die Gemeinde seither nicht mehr.

Bürgermeister von Illerkirchberg betont: Keine Kenntnis über Belästigungen

Der "Schwäbischen Zeitung" sagte Häußler am Freitag, von angeblichen Belästigungen von Mädchen wisse man im Rathaus nichts. Er habe dazu auch nochmals Gespräche mit den Erzieherinnen des Kindergartens geführt, der sich nahe des Tatorts befindet. "Auch ihnen sind keinerlei Vorkommnisse in dieser Form bekannt", betonte der Bürgermeister.

Er hoffe, dass nach dieser tragischen Woche langsam etwas Ruhe im Ort einkehre, damit die Bürgerinnen und Bürger die schrecklichen Ereignisse verarbeiten könnten. "Das öffentliche Leben in Illerkirchberg steht still. Für uns wird es sehr schwierig sein, zu einem normalen Alltag überzugehen. Wir alle stehen unter Schock", so Häußler gegenüber der Zeitung weiter.

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Am Tag nach dem tödlichen Messerangriff auf ein 14-jähriges Mädchen in Illerkirchberg wird über die Bedeutung der Herkunft des Verdächtigen für die Tat diskutiert. Ein Faktencheck.

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Nach Messerattacke in Illerkirchberg: Tatverdächtiger schweigt

Die Aufarbeitung der Tat von Montag geht indes weiter. Der 27-jährige Tatverdächtige befinde sich in einem Justizvollzugskrankenhaus und schweige weiter zu den Vorwürfen, so die Staatsanwaltschaft. Bei seiner Festnahme waren Verletzungen festgestellt worden, diese soll er sich nach ersten Erkenntnissen der Behörden selbst zugefügt haben. Derzeit laufen laut Staatsanwaltschaft weitere rechtsmedizinische Untersuchungen.

Gegen den Verdächtigen wurde Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes erlassen. Laut Staatsanwaltschaft gab es zunächst keine Anhaltspunkte, dass sich der Mann und die Opfer kannten. Die Ermittler prüfen nach eigenen Angaben, ob der 27-Jährige zuvor auffällig aggressiv gewesen sei. Bei den Behörden war der Mann vor dem Angriff nicht durch Gewalttaten bekannt. Er befindet sich den Angaben zufolge seit 2016 in Deutschland.

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