Als vor 80 Jahren der Zweite Weltkrieg endete, war Marga Storer 22 Jahre alt. Sie hat das Kriegsende in Langenau miterlebt. Noch heute erinnert sie sich gut an den Moment, als die amerikanischen Besatzer einmarschierten. Und an Sorgen, Ängste und Veränderungen, aber auch an ein gutes Gefühl, dass das Kriegsende mit sich brachte.
Einmarsch vor 80 Jahren mit Panzern und Gewehr im Anschlag
Alle Bewohnerinnen und Bewohner des Mietshauses, in dem Marga Storer wohnte, übernachteten in der Nacht vor der Ankunft der Amerikaner im Keller. Auch ein neugeborenes Kind sei dabei gewesen. Gegen 5 Uhr morgens hätten dann die Wände gezittert, die Erde gebebt. Da habe man gewusst, dass Panzer im Anmarsch seien.
Schon an den Tagen zuvor hatte es immer mehr Gerüchte gegeben, dass sich die Amerikaner näherten. Es werde nur noch Tage dauern, bis sie in Langenau seien. Man habe Kanonenschüsse gehört.
An jenem Morgen im Frühjahr 1945 fuhren die Panzer gegen 6 Uhr in die Stadt. Die damals 22-jährige war neugierig. "Ich bin aus dem Keller raus, hab die Haustüre einen Spalt geöffnet und hab rausgeschaut." Der Anblick war erschreckend. "In dem Moment fuhr ein Panzer am Haus vorbei, rechts und links davon Soldaten mit Gewehren im Anschlag." Da habe sie Angst bekommen und schnell die Türe zu gemacht. Sie schlüpfte wieder in den Keller.

Bis kurz vor Kriegsende als Sekretärin bei der Wehrmacht
Für Marga Storer hätte es durchaus auch anders ausgehen können. Sie arbeitete bei der Wehrmacht, als Sekretärin eines Kommandanten am Fliegerhorst Leipheim (Landkreis Günzburg). Etwa anderthalb Jahre lang war sie auch in Frankreich. Die Arbeit selbst war ihr nicht so wichtig, erzählt sie. Sie habe vor allem die Chance nutzen wollen, ins Ausland zu kommen, um französisch zu lernen. Als die Westfront der Alliierten vorrückte, seien schnell die Stellungen geräumt worden. Es ging zurück nach Langenau.
Sieben Tage vor Kriegsende habe ihr Vater sie dann nicht mehr zu ihrer Arbeit in Leipheim (Landkreis Günzburg) radeln lassen. "Er sagte: Dort braucht man Dich nicht, Du bleibst hier", berichtet die heute 102-Jährige. Sie blieb zu Hause. "Eigentlich bin ich fahnenflüchtig geworden", so Marga Storer: "Als Soldat wäre ich erschossen worden." Langenau selbst hisste vor dem Einmarsch der Amerikaner die weiße Flagge. Eine Verteidigung habe es nicht gegeben.

Sorgen, Ängste und Aufatmen nach Kriegsende
Nachdem die Amerikaner in Langenau einmarschiert waren, belegten sie mit ihren Soldaten nicht nur Schulen, Turnhallen und Gaststätten, sondern auch Wohnungen. So mussten auch die Storers ihre Wohnung abgeben. Sie wuschen für die Soldaten die Wäsche und putzten die Wohnung. Im Gegenzug durften sie auf dem Dachboden übernachten. Im Haus sei es laut gewesen, erinnert sich die 102-Jährige, es herrschte Hochbetrieb mit Radiomusik und brennenden Lichtern.
Nach fünf Tagen seien die Soldaten ins Forsthaus gegenüber gezogen. Die Storers konnten in ihre Wohnung zurück. Die Soldaten hätten sie aber jeden Tag besucht und auch beschenkt: mit Wurst, Käse, Früchten, Schokolade und Zigaretten. "Uns ist es wirklich gut gegangen", so Marga Storer. Das Verhältnis sei gut gewesen: "Man hat gemerkt, dass sie auch froh sind, dass der Krieg vorbei ist und dass sie wieder nach Hause möchten."
Das war für mich eine Erlösung.
Für sie selbst sei das Kriegsende eine Erlösung gewesen. "Es war die totale Befreiung", erinnert sich Marga Storer. Zuvor hatte gab es ständig Angst um Söhne, Väter, Brüder. Man war ehrlich froh, als der Krieg aus war. Nun konnte nichts mehr passieren.
Froh um amerikanische Besatzung in Langenau
Mangel herrschte aber weiter. Vor Kriegsende hatte es zu wenig von allem gegeben. So hatten die Langenauer im Rathaus Gutscheine erhalten, beispielsweise für eine Jacke und ein Paar Schuhe pro Jahr, nur das nötigste an Lebensmitteln. Der Mangel herrschte auch kurz nach dem Kriegsende noch. Umso dankbarer sei ihre Familie für die Freundlichkeit der Besatzer gewesen, berichtet Marga Storer.
Im Vergleich zu den von Frankreich und England besetzten Gebieten sei es ihnen gut gegangen, erzählt die Langenauerin. Sie habe von Racheakten erfahren. Die schlimmsten Gräuel habe sie aus dem russisch besetzten Gebiet gehört. So seien ihre beiden Schwägerinnen aus Berlin geflüchtet. "Sie hätten dort nicht bleiben können, ohne Schlimmes zu erleben", erzählt Marga Storer - mehr erzählt sie nicht.

Erinnerung an friedliche Momente
Die 102-Jährige erzählt von einem Erlebnis bei der Feldarbeit. In Langenau arbeiteten sie und weitere junge Frauen auf einem Feld neben einem Munitionslager. Als die Wächter dort sahen, dass sie nur dünne Suppe mit mehr Fliegen als Einlage zu essen bekamen, hätten sie ihr Essen mit ihnen geteilt.
"Wir waren alle satt und es hat wunderbar geschmeckt - und in Deutschland hatte man zu der Zeit ja fast nichts." Und den Wächtern habe es im Gegenzug gefallen, den Mädchen bei der Arbeit zuzusehen. Ein paar Monate lang war Langenau besetzt, dann zogen die Soldaten wieder ab.