Arzt rennt durch Intensivstation einer Klinik (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Frank Molter)

Trotz Ärztemangel

Warum eine ukrainische Ärztin in BW als Putzfrau arbeitet

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Bettina Gall

Olga Soloviova spricht gut deutsch, hat viel Berufserfahrung und möchte hier als Ärztin arbeiten. Offene Stellen gibt es genug. Aber die BW-Behörden dürfen sie nicht zulassen.

Viele Kliniken in Baden-Württemberg suchen händeringend Ärztinnen und Ärzte. Der Mangel ist groß, das vorhandene Personal ist nach zwei Corona-Jahren ausgelaugt. So bietet jedes einzelne der folgenden Krankenhäuser mehr als zehn Stellen für ärztliches Personal an: die Alb-Fils-Kliniken, das Ostalb-Klinikum, die Medius-Klinik im Kreis Esslingen, die Klinik-Zentren in Heidenheim, Stuttgart, Konstanz und Heilbronn sowie die Unikliniken in Ulm und Freiburg. Olga Soloviova, Ärztin aus der Ukraine mit guten Deutschkenntnissen und hervorragenden Zeugnissen, muss sich dennoch ihren Lebensunterhalt in Baden-Württemberg unter anderem als Putzfrau verdienen.

Olga Soloviova, ukrainische Ärztin ohne Job in BW (Foto: SWR)
Olga Soloviova, ukrainische Neurologin, verdient sich ihr Geld in BW unter anderem als Putzfrau.

Drei Jahre in NRW als Assistenzärztin gearbeitet

Die Bundesärzteordnung (BÄO) erlaubt Ärzten und Ärztinnen aus Nicht-EU-Ländern eine zeitlich begrenzte Tätigkeit in Deutschland ohne Approbation. Diese Möglichkeit hatte Soloviova genutzt: Von 2018 bis 2021 arbeitete sie in einem Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen, zunächst als Hospitantin und bald als Assistenzärztin.

Sie ist Neurologin, hat aber auch Erfahrung als Allgemein- und Notärztin sowie in der Ultraschalldiagnostik und mit Computertomographie. Die 55-Jährige kam 2017 nach Deutschland, um sich beruflich weiterzuentwickeln. Auch sind die Verdienstmöglichkeiten hier deutlich besser. Als Krankenhausärztin verdiente sie in ihrer Heimat umgerechnet 200 bis 300 Euro im Monat.

Hürden für Approbation in Deutschland hoch

Um die staatliche Zulassungsberechtigung, kurz Approbation, in Deutschland zu bekommen, müssen ausländische Ärztinnen und Ärzte die Gleichwertigkeit ihrer Ausbildung mit der deutschen nachweisen. Dies findet meist in einer sogenannten Kenntnisprüfung statt.

Mit dieser mündlichen Befragung durch ärztliche Kommissionen soll nach der Bundesärzteordnung sichergestellt werden, dass Mediziner und Medizinerinnen aus Drittstaaten über das gleiche Wissen verfügen, das von deutschen Absolventinnen und Absolventen medizinischer Hochschulen verlangt wird.

Soloviova hatte Pech. Ihre Kenntnisprüfung fand vor einer Kommission im nordrhein-westfälischen Münster statt. Diese sei bekannt für viele Ablehnungen, so der Sachverständige für die Auswertung von Approbationsunterlagen, Wilhelm Gerner, gegenüber dem SWR. Die Durchfallquote in Münster liege teilweise bei über 80 Prozent. Zwar dürfe die Prüfung zweimal wiederholt werden, die Chance zu bestehen, werde aber beim zweiten oder dritten Versuch nach seiner Erfahrung eher geringer, so Gerner.

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe widerspricht dieser Darstellung: Die Durchfallquote sei deutlich geringer als von Gerner dargestellt, so ein Sprecher der Kammer. Grundsätzlich sei es auch in Nordrhein-Westfalen selten, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin die Prüfung im dritten Versuch nicht erfolgreich absolviere. Die Nicht-Bestehensquote nehme mit der Anzahl der Versuche bei den Kenntnisprüfungen sehr deutlich ab, so der Sprecher der Kammer weiter.

Dreimal nicht bestanden - endgültige Ablehnung

Auch Soloviova fiel dreimal durch. Obwohl sie inzwischen ein Jobangebot der Medius Klinik in Kirchheim-Teck (Kreis Esslingen) hatte, lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart ihren Antrag auf Approbation mit Verweis auf die dreimal nicht bestandene Kenntnisprüfung im Januar 2022 ab. Daraufhin zog auch die Medius Klinik ihr Stellenangebot zurück. Dabei bräuchte die Klinik nach den Worten eines dortigen Arztes dringend speziell Neurologen.

Regierungspräsidium: Kein Ermessensspielraum

Das Regierungspräsidium Stuttgart - verantwortlich für die Erteilung von Approbationen in diesem Regierungsbezirk - bedauert, Olga keine Zulassung erteilen zu können. Es gebe hier keinen Ermessensspielraum, erklärt der Leiter des Referats Landesprüfungsamt und Anerkennungsstelle für Gesundheitsberufe, Clemens Homoth-Kuhs, dem SWR. In Baden-Württemberg werde die überwiegende Mehrheit der Anträge positiv beschieden, jährlich seien es rund 800. Dass jemand dreimal nicht bestehe, sei extrem selten.

Putzjob statt Arztberuf - auch Bewerbung in der Pflege abgelehnt

Seither arbeitet Soloviova als Putzfrau und in Anlaufstellen für Geflüchtete aus der Ukraine. Ihr Versuch, ihre medizinischen Kenntnisse wenigstens als Krankenschwester anwenden zu können, scheiterte. Das Klinikum Esslingen lehnte eine Anstellung trotz großen Personalbedarfs in der Pflege ab - es fehle ein Diplom.

Sozialministerium: Patientenschutz geht vor

Das Sozialministerium in Stuttgart verweist auf SWR-Anfrage auf den Patientenschutz, dieser habe Priorität vor den Berufswünschen von Medizinerinnen und Medizinern aus Drittländern. Auch sei das Niveau der beruflichen Qualifikation bei diesen häufig niedriger. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob der Patientenschutz bei überlasteten Krankenhausärztinnen und -ärzten immer gewährleistet werden kann.

Letzte Hoffnung: Approbation im EU-Ausland

Soloviova bildet sich weiter mit Vorträgen und Fortbildungen. Was ihr bleibt, ist die Hoffnung, in einem anderen EU-Staat doch noch eine Approbation zu bekommen. Damit könnte sie laut Homoth-Kuhs vom Regierungspräsidium Stuttgart dann auch in Baden-Württemberg als Ärztin arbeiten.

Dieser Beitrag wurde zwischenzeitlich redaktionell überarbeitet. Eine Stellungnahme der Ärztekammer Westfalen-Lippe wurde ergänzt.

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