Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen macht auch die Menschen in Baden-Württemberg zunehmend nervös. Das macht sich nicht zuletzt an den Zugriffszahlen auf Artikel von SWR Aktuell über Truppenbewegungen bemerkbar - oder an den Posts in den Sozialen Medien, die über die Verlegung von Armeematerial berichten.
In Mannheim registrierten die Anwohner des US-amerikanischen Coleman-Militärareals am Wochenende vermehrte Aktivitäten auf dem Gelände. Panzer und schweres Material rollten auf Zügen hinein und hinaus. Auf der A6 bei Hockenheim und Sinsheim wurden außerdem am Montag mehrere Schwertransporte der Bundeswehr mit US-Panzern gesichtet. Auch der Überschallknall über Baden-Württemberg am 5. März hat die Bürgerinnen und Bürger womöglich mehr erschreckt, als das noch vor dem Ukraine-Krieg der Fall gewesen wäre.
Bundeswehrsprecher: Bereitschaft ist erhöht
Ein Sprecher der Bundeswehr in Stuttgart sagte dem SWR auf Anfrage, dass die Bundeswehr als Teil der NATO wegen des Ukraine-Kriegs ihre Bereitschaft erhöht habe. Das bedeute zum Beispiel auch, dass Lagerbestände auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft würden oder Soldaten vermehrt trainierten. Dazu könnten auch Schießübungen auf unterschiedlichen Übungsplätzen gehören - zum Beispiel auf dem Truppenübungsplatz in Stetten am Kalten Markt in Sigmaringen. Diese Schießübungen gab es nach Angaben des Sprechers in den vergangenen Jahren auch - möglicherweise auf anderen Truppenübungsplätzen - sie werden jetzt aber unter den gegebenen Umständen möglicherweise bewusster von der Bevölkerung wahrgenommen.
Außerdem bietet Deutschland als Drehscheibe den verbündeten NATO-Staaten - also etwa den USA - im Rahmen des sogenannten Host-Nation-Supports Unterstützung an. So können etwa Autobahnen für Transporte gesperrt oder Soldatinnen und Soldaten mit Essen versorgt werden.
Keine Erkenntnisse über konkrete Gefährdung
Grund zu großer Sorge gibt es aber laut Bundeswehrsprecher nicht. "Erkenntnisse über eine konkrete Gefährdung liegen dem Landeskommando Baden-Württemberg derzeit nicht vor", so der Sprecher. So lautet auch die Erklärung der Bundeswehr auf dem offiziellen Twitter-Account des Verteidigungsministeriums: Deutschland droht derzeit kein Krieg.
Politologe: Aktuelle militärische Aktivitäten eher beruhigend
Auch Gerald Schneider, Politologe und Professor für Internationale Politik an der Universität Konstanz, hält die Gefahr für die Menschen in Baden-Württemberg für gering. Dem SWR sagte Schneider als Grund: "Weil der Westen versucht, das Risiko zu minimieren, dass Deutschland beziehungsweise die NATO in diesen Konflikt hineingezogen wird." Es sei höchstens mit Angriffen durch russische Hacker und Trolle auf die kritische Infrastruktur zu rechnen. Aber auch hier - so Schneider - sei die Gefahr eines Überschwappens der hybriden Kriegsführung (Kriegsführung mit militärischen und nichtmilitärischen Mitteln, Anm. d. Red.) auf Westeuropa zumindest momentan relativ gering.
Die aktuellen militärischen Aktivitäten hält Schneider eher für beruhigend, denn es zeige, dass die Bundeswehr beziehungsweise die NATO sich auf den schlimmen Eventualfall vorbereite. "Die Bürger müssten beunruhigt sein, wenn keine Aktivitäten beobachtet werden könnten", ist Schneider überzeugt.
Monatelanger Häuserkampf in der Ukraine droht
Allerdings meint der Politologe auch, dass sich der Krieg in der Ukraine noch länger hinziehen wird. Er hält es für wahrscheinlich, dass mit einem wochen- wenn nicht monatelangem intensivem Häuserkampf mit hohen Verlusten zu rechnen ist. "Putin kann zwar unter Umständen einen militärischen Sieg erzielen, das wird aber ein Phyrrussieg, weil für lange Zeit keine Befriedung erreichbar wäre."
Außerdem habe Putin keinen Plan, wie er die Ukraine nach einem militärischen Sieg beherrschen wolle. Für die anfallenden Aufgaben würde ihm wegen der Sanktionen auch das Geld ausgehen.