Immer mehr Schutzsuchende aus der Ukraine

Kita-Besuche für Flüchtlingskinder sollen in BW ermöglicht werden

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Die Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen für ukrainische Geflüchtete in Baden-Württemberg steigt, denn viele suchen Schutz. Kindern soll nun auch der Besuch von Kitas ermöglicht werden.

Die Kommunen wollen den ukrainischen Flüchtlingskindern den Weg in die Kitas ebnen. "Wir befinden uns in Habachtstellung und diskutieren, wie die Betreuung der Kinder vor Ort am besten gewährleistet werden kann", erläuterte der Dezernent für Familie und Soziales des Städtetages, Benjamin Lachat, am Montag in Stuttgart.

Das Interesse der Flüchtlinge sei groß, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Unter den etwa 1.000 in der Landeserstaufnahme registrierten Menschen sind auch zahlreiche Kinder. Lachat forderte, die Corona-bedingten Erleichterungen für die Kitas fortzusetzen - ansonsten werde die Integration der Flüchtlingskinder kaum zu stemmen sein oder das Angebot werde drastisch reduziert werden müssen.

Russische und ukrainische Muttersprachler benötigt

So sollten Kita-Gruppen weiterhin deutlich vergrößert werden. Überdies müsse es weiter möglich sein, erfahrenes, aber nicht formal qualifiziertes Personal einzustellen, sagte Lachat. Da die Haushaltsmittel für die Kita vielerorts mangels Mitarbeiterinnen nicht ausgeschöpft würden, könnten diese für solche Kräfte verwendet werden. Unter anderem seien Russinnen und Ukrainerinnen gefragt.

SWR Extra "Krieg in der Ukraine - Der Südwesten hilft" mit allen aktuellen Entwicklungen:

Es gebe Überlappungen zwischen der ukrainischen und russischen Sprache, erläuterte Lachat. Aber solche Sprachmittlerinnen, zumal für im Krieg traumatisierte Kinder, gebe es nicht häufig. Es brauche keine großen Programme des Kultusministeriums, obwohl das Land die Kommunen insgesamt unterstützen sollte, sagte Lachat. "Wir müssen darauf vertrauen, dass die Bürgermeister und Oberbürgermeister im Land pragmatische Entscheidungen fällen."

Schulpflicht für Flüchtlinge nach sechs Monaten

Rechtlich steht weder dem Kita- noch dem Schulbesuch etwas entgegen. Das Recht zum Besuch einer Schule besteht laut Kultusministerium von Anfang an. Eine Schulpflicht beginnt sechs Monate nach dem Zuzug aus dem Ausland. Sie endet mit Ende des 18. Lebensjahres.

Die verzögerte Schulpflicht trägt möglichen Traumata der Kinder Rechnung. Sie sollen Zeit haben, sich in ihrem neuen Umfeld zu orientieren und die Erlebnisse der Flucht zu verarbeiten. Das Kultusministerium erinnerte daran, dass zu Zeiten der großen Zuwanderung in den Jahren 2015/16 die Vorbereitungsklassen für allgemeinbildende und berufliche Schulen gute Dienste geleistet hätten.

Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen steigt

Mittlerweile seien 1.053 Schutzsuchende aus der Ukraine registriert worden, sagte ein Sprecher des Migrationsministeriums am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Das sind 700 mehr als noch vergangenen Donnerstag. Für Flüchtende aus der Ukraine, die nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen, sind bisher die Erstaufnahmeeinrichtungen in Ellwangen, Freiburg, Sigmaringen, Karlsruhe und Heidelberg Anlaufstellen.

Auch regional wachsen die Angebote für Flüchtlinge, so auch zum Beispiel in Heilbronn-Franken. Dafür wird ein ehemaliges Krankenhaus in Künzelsau (Hohenlohekreis) umfunktioniert. In dem ehemaligen Krankenhausgebäude können ab sofort im zweiten Stock bis zu 88 Ukrainerinnen und Ukrainer unterkommen, wie das Landratsamt des Hohenlohekreises mitteilte. Aktuell arbeite man an einer Erweiterung auf 100 Plätze, welche zeitnah folgen soll, so die Mitteilung. Und da noch deutlich mehr Flüchtlinge erwartet werden, soll die ehemalige Zollernalb-Kaserne und frühere Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) reaktiviert werden.

Seelsorge und Schaffung von Aufnahmeeinrichtungen

Für die ankommenden Flüchtlinge in Baden-Württemberg aber auch für Menschen aus dem Land, die Ängste haben, gibt es zahlreiche Hilfsangebote. Eines davon ist der Verein des Kinderschutzbundes Karlsruhe "Nummer gegen Kummer". Er hilft und berät Kinder und Jugendliche per Telefon und Chat. Seit 40 Jahren hört sich der Verein die Sorgen und Ängste der Betroffenen an. Birgit Grosshans leitet den zuständigen Fachbereich beim Kinderschutzbund, sie arbeitet dort seit 2005 ehrenamtlich als Telefonberaterin.

"Was ist überhaupt Angst? Wann hattest du schon mal Angst? Wann ist die Angst wieder weggegangen? Das sind so Dinge, um überhaupt erst einmal zu dem Thema Angst einen Bezug zu finden. Ich habe Bilder gesehen und ich habe Angst. Und ich möchte jetzt mit jemandem reden."

Unzählige Hilfsaktionen für Ukraine-Flüchtlinge in BW

Unterdessen reißen die privaten, aber auch öffentlichen Hilfsangebote im Land nicht ab. So hat sich etwa das Hotel "Lorca" in Weinsberg (Kreis Heilbronn) dazu entschieden, sechs Zimmer für Familien auf der Flucht freizuhalten. In den vergangenen Tagen sind zum Beispiel auch Geflüchtete aus der Ukraine am Bodensee und in Oberschwaben angekommen. 40 Menschen wurden etwa in Wangen im Allgäu aufgenommen. Dort brachte die Organisation "H.O.P.E – We help Children", Menschen in einem Bus ins Allgäu. Privatpersonen öffneten ihre Türen und haben Flüchtlinge bei sich zu Hause aufgenommen. Im Kreis Biberach soll kurzfristig im ehemaligen Krankenhaus in Riedlingen ein Stockwerk für Flüchtlinge vorbereitet werden. Auch im Kreis Lindau hat das Landratsamt die Doppelturnhalle in Heimenkirch als erste Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine vorbereitet.

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