Jugendliche müssen Schmerzensgeld bezahlen

Prozess in Tübingen: Gewalt gegen Polizisten

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AUTOR/IN
Peter Binder

Jugendliche in Ammerbuch (Kreis Tübingen) attackierten 2021 zwei Polizisten. Am Mittwoch hat das Amtsgericht den Fall verhandelt. Drei Jugendliche müssen Schmerzensgeld bezahlen.

Das Amtsgericht Tübingen hat in einem Fall von Gewalt gegen einen Polizeibeamten das Verfahren gegen drei Jugendliche eingestellt. Als Auflage müssen sie den Polizisten Schmerzensgeld bezahlen

Prozess Gewalt gegen Polizisten (Foto: SWR, Peter Binder)
Viele Polizisten traten in dem Prozess am Amtsgericht Tübingen als Zeugen auf. Fast zwei Jahre nach der betreffenden Nacht waren ihre Erinnerungen aber sehr unterschiedlich.

Hohe Aggressivität

So eine Aggressivität habe er nie zuvor und seitdem nie wieder erlebt, erzählte der betroffene Polizist im Zeugenstand. Er sei inzwischen in psychotherapeutischer Behandlung, könne keinen Streifendienst mehr machen, sagte er. Wenn er Gruppen von jungen Leuten sähe, bekomme er sofort ein ungutes Gefühl.

Tritte und Faustschläge

Er und sein Kollege wurden in einer Nacht im April 2021 auf ein Fest mit einem Lagerfeuer zwischen Feld, Wald und Wiesen bei Ammerbuch im Kreis Tübingen aufmerksam. Kaum seien sie dort gewesen, seien sie sofort mit übelsten Worten beschimpft worden, erzählten sie bei Gericht. Es habe auch Tritte und Faustschläge gegeben. Dabei wurde dem Polizisten ein Finger gebrochen, einige Monate lang habe er deshalb Schmerzen gehabt.

Angeklagte Jugendliche äußern Bedauern

Die drei angeklagten Jugendlichen, zum Tatzeitpunkt zwischen 20 und 22 Jahre alt, gaben an, dass sie niemanden verletzen wollten, sich nur lebhaft gegen den Versuch der Beamten gewehrt hätten, ihnen Handschellen anzulegen. Die Handschellen seien nach Angabe der Polizisten zum Selbstschutz nötig gewesen, da die Jugendlichen aggressiv aufgetreten seien.

Hohe Promille-Werte

Eine Alkoholprobe später auf dem Polizeirevier ergab, dass alle drei - zwei junge Männer und eine junge Frau - stark angetrunken waren. Allerdings betonten die Polizisten, die als Zeugen auftraten, alle seien offensichtlich noch in der Lage gewesen, ihr Verhalten zu steuern.

Frust wegen Corona

Der Anwalt eines der Angeklagten geht davon aus, dass die Jugendlichen wegen der Corona-Regeln im Frühjahr 2021 unter Strom standen. Man habe die Jugend in dieser Zeit ja förmlich eingesperrt, da habe sich Frustration aufgestaut. Die habe sich vielleicht entladen, als die Jugendlichen bei einem heimlichen Beisammensein von der Polizei aufgescheucht wurden. Bislang seien sein Mandant und die anderen Angeklagten völlig unauffällig gewesen.

Im Nachhinein unerklärlich

Was in der Nacht passiert sei, betonte der Anwalt aber, sei natürlich sehr bedauerlich, die Jugendlichen könnten das auch selbst nicht mehr verstehen und entschuldigten sich dafür.

Unterschiedliche Erinnerungen

Was allerdings genau vorgefallen ist, konnte das Gericht nicht klären. Die Schilderungen der Polizeibeamten, die als Zeugen auftraten, unvollständige Aufnahmen der Bodycam eines Polizisten: Nichts stimmte völlig überein. Es war dunkel, es ging alles sehr schnell, es ist fast zwei Jahre her. Die Ereignisse ließen sich nicht rekonstruieren.

Verfahren eingestellt

Deshalb stimmte das Gericht dem Vorschlag eines Anwalts zu, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Die Jugendlichen müssen dem Polizisten nun ein Schmerzensgeld und seine Ausgaben für die Nebenklage bezahlen. Der Anwalt des Polizisten ist damit nicht glücklich, auch deshalb, weil die Beleidigungen, vor denen Polizeibeamte besonders geschützt sein sollten, damit nicht bestraft würden.

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Peter Binder