Auf Initiative von Mitgliedern des Tübinger Grünen-Kreisverbandes haben Palmer-Unterstützer seit Mitte Dezember in der Partei Unterschriften gesammelt. Über 500 Mitglieder, vor allem aus dem Landesverband Baden-Württemberg, haben unterschrieben. Dazu gehören auch etliche prominente Parteimitglieder, darunter der frühere Umweltminister Franz Untersteller, neun ehemalige Bundestagsabgeordnete, neun frühere Landtagsabgeordnete und ein aktiver Landtagsabgeordneter.

Erfolge als Oberbürgermeister zu wenig gewürdigt
Die Unterzeichner halten ein Parteiordnungsverfahren für falsch. Es beschädige sowohl die Partei als auch Palmer. In der bisherigen Diskussion sei das erfolgreiche Wirken von Palmer als Oberbürgermeister in Tübingen viel zu wenig gewürdigt worden. In dem Papier wird unter anderem darauf verwiesen, dass in Palmers Amtszeit der CO2-Ausstoß in Tübingen um ein Drittel gesenkt wurde. Dank Palmers konsequenter sozial-ökologischer Kommunalpolitik könne Tübingen als Musterstadt für die Umsetzung von grünen Werten und Zielvorstellungen gelten, heißt es in dem Aufruf.
Grüne profitierten von Palmers Einsatz gegen Stuttgart 21
In dem Aufruf wird außerdem an Palmer Verdienste als Verhandler beim Schlichtungsverfahren zum Bahnprojekt Stuttgart 21 erinnert. Mit seiner sachlichen Argumentation habe er einen wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Wahlkampf für die Landtagswahl 2011 geleistet. Wörtlich heißt es in dem Aufruf: Für die Schaffung von Akzeptanz der Grünen in bis dahin noch nicht erreichte Wählerschichten war dies ein wertvoller und nicht zu unterschätzender Beitrag.
Ausschluss nicht gerechtfertigt
Es sei der Grünen unwürdig, jemanden aus der Partei auszuschließen, nur weil er bei einzelnen Themen andere Positionen vertrete als die Mehrheit, heißt es weiter in dem Aufruf. Ausschlussanträge seien nur dann gerechtfertigt, wenn ein Parteimitglied sich parteischädigend verhalten habe. Das könne man aber Palmer nicht vorwerfen.
"Kein deutscher Oberbürgermeister hat in Zusammenarbeit mit seiner Verwaltung, seinem Gemeinderat und seinen Bürgerinnen und Bürgern so viele urgrüne Ziele realisiert wie Boris Palmer – wir meinen: an seinen Taten sollt Ihr ihn messen."
Basis soll sich äußern
Der Aufruf ging am Montag an den Landes- und Bundesvorstand, sowie an alle 44 Kreisverbände im Land. Die Basis solle die Möglichkeit erhalten, sich dazu zu äußern, heißt es in einer Mitteilung. Die Grünen in Baden-Württemberg wollen Palmer aus der Partei ausschließen, wegen mehrerer provokanter Äußerungen.
Führung hält an Verfahren fest
Die Grünen-Führung im Südwesten verteidigte das Parteiordnungsverfahren gegen Palmer. Die Grünen hätten immer wieder bewiesen, dass sie eine streitbare Partei seien, die lebendig und offen diskutiere, sagte eine Sprecherin des Landesverbands am Dienstag. Abweichende Meinungen auszuhalten und Provokationen zu ertragen, gehöre zum Parteileben selbstverständlich dazu. Mit Blick auf Palmer sagte sie aber: "Grenzüberschreitungen des Sagbaren, bei denen Menschengruppen gegeneinander ausgespielt werden, gehören nicht zu einer gesunden Debattenkultur und nicht zu den Grundsätzen von Bündnis 90/Die Grünen". Das Verfahren werde nun klären, was die Partei ertragen müsse und ob ein Parteiausschluss gerechtfertigt sei, so die Sprecherin.