Curevac Firmengebäude von außen im Januar 2022 (Foto: SWR, Tarik Bourhaleb)

Woran arbeitet der Impfstoffentwickler gerade?

Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac sieht sich nicht abgehängt

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Miriam Plappert

Obwohl der erste Corona-Impfstoff ein Flop war, sieht CureVac-Chef Franz-Werner Haas sein Unternehmen nicht abgehängt. Er erklärt, wie es weitergeht.

Zwanzig Minuten Zeit hat der CureVac-Chef. Länger nicht. Per Videokonferenz. Im weißen Hemd sitzt Franz-Werner Haas an einem großen Konferenztisch. Die Interview-Fragen wollte er vorab. Gegenüber Medienvertretern ist CureVac vorsichtig. Das Tübinger Biotechnologie-Unternehmen hatte in letzter Zeit keine gute Presse. Zuerst musste CureVac seinen ersten Corona-Impfstoff wegen zu geringer Wirksamkeit aufgeben, dann verzögerte sich die Entwicklung des zweiten Impfstoffs, schließlich gab die Technologie-Chefin ihren Ausstieg bekannt und die CureVac-Aktie fiel auf einen Tiefpunkt. Weiter geht es trotzdem. Aber woran arbeitet CureVac eigentlich gerade? CureVac-Chef Haas nennt zwei Bereiche: Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten und die RNA-Krebstherapie.  

Die klinische Studie soll in wenigen Wochen beginnen 

Bei den Impfstoffen arbeitet das Unternehmen mit dem Pharmariesen GlaxoSmithKline zusammen – unter anderem an einem zweiten Corona-Impfstoff. "Es geht natürlich darum, in der Pandemie jetzt noch einen Unterschied zu machen", sagt Haas. Falls im nächsten Winter eine neue Variante komme, wolle man vorbereitet sein. Aber kann der Impfstoff überhaupt noch rechtzeitig zugelassen werden? Schließlich verzögert sich die klinische Studie am Menschen: Eigentlich wollte CureVac mit der Phase 1 schon im vergangenen Jahr starten. Daraus wurde nichts. Man wolle auch die neuen Varianten berücksichtigen, sagt Haas. In wenigen Wochen fange man jetzt aber wirklich an, verspricht er. Wann der Impfstoff dann zugelassen werden könnte, darüber will er nicht spekulieren. Unterdessen testen Moderna und BioNTech/Pfizer schon Impfstoffe gegen die Omikron-Variante. 

Der zweite CureVac-Impfstoff soll besser wirken 

Und was ist beim zweiten Impfstoff anders als beim ersten? Man habe die RNA verbessert, erklärt Haas – etwa wie lange und wie gut sie im Körper abgelesen wird. Davon hängt ab, wie gut das Immunsystem einen Schutz aufbauen kann. Und auch an der Verträglichkeit habe man gearbeitet. Beim ersten Impfstoff waren die Nebenwirkungen noch vergleichsweise hoch. An einer geringen Dosis will CureVac hingegen festhalten. Schon der erste Impfstoff war mit 12 Mikrogramm niedriger dosiert als BioNTech/Pfizers Impfstoff Comirnaty  (30 Mikrogramm) und Modernas Impfstoff Spikevax (100 Mikrogramm). 

Ab Sommer will CureVac chemisch modifizierten Impfstoff testen 

Und wie beim ersten Impfstoff ist auch der zweite Kandidat wieder mit natürlicher RNA. BioNTech/Pfizer und Moderna hingegen nutzen bei ihren Impfstoffen chemisch modifizierte. "Wir haben es auf RNA-Ebene geschafft, ohne chemische Modifikation die Zahl der Antikörper entsprechend zu erhöhen", sagt Haas. Eine im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie lieferte gute Ergebnisse. Dennoch entwickelt CureVac parallel einen Corona-Impfstoff mit chemisch modifizierter RNA. Der soll im Sommer am Menschen getestet werden, kündigt Haas an. "Dann haben wir einen Vergleich." 

Lichtblick ist ein neuer Grippe-Impfstoff 

Im Februar gab CureVac bekannt, einen RNA-Grippe-Impfstoff an Menschen zu testen. Die Nachricht führte zu einem kurzfristigen Anstieg der CureVac-Aktie. Aber auch hier schläft die Konkurrenz nicht: BioNTech/Pfizer, Moderna und der französische Pharmakonzern Sanofi testen schon länger eigene RNA-Grippe-Impfstoffe – Moderna sogar schon in der klinischen Phase 2. Ist CureVac schon wieder hinten dran? Nicht unbedingt, sagt Haas und beruft sich auf Daten, die Moderna im Dezember veröffentlichte: "Die ersten Grippedaten von Moderna zeigen, dass die RNA-Impfung im Vergleich zu den herkömmlichen Grippeschutzimpfungen noch nicht da ist, wo sie hinmüsste." Die Wirkung sei zwar mit der von gängigen Ei-basierten Grippe-Impfstoffen vergleichbar, die Nebenwirkungen seien jedoch ausgeprägter. Das heiße, auch Moderna müsse seine RNA noch verbessern.

"Wir können von Glück reden, dass es bei Covid so schnell funktioniert hat."

CureVac-Firmenschild außen (Foto: SWR, SWR)
CureVac ist aus der Entwicklung des Corona-Impfstoffs ausgestiegen.

Auch bei der Konkurrenz sieht CureVac Verbesserungsbedarf

Die Schwierigkeit bei Grippe: Der Impfstoff soll nicht nur gegen ein Virus, sondern gegen mehrere Stämme wirken. Deshalb müssten mehrere RNAs in einen Impfstoff gepackt werden, erklärt Haas. "Das heißt, Sie potenzieren dabei die Nebenwirkungen." Hier sieht Haas eine Expertise bei CureVac: Die Firma habe von Anfang an daran gearbeitet, mit möglichst geringen RNA-Dosen auszukommen, um die Verträglichkeit zu erhöhen. Auch bei der Dauer des Impfschutzes sieht Haas bei der Konkurrenz Verbesserungsbedarf: "Es kann nicht sein, dass wir alle drei Monate geboostert werden müssen", sagt er. "Das heißt, die RNA-Technologie wird weiter optimiert, weiter ausgebaut werden müssen und das wird auch passieren. Wie weit wir dort hinten dran sind, das wird sich zeigen. Eigentlich sehen wir uns da gar nicht so schlecht aufgestellt." 

Eine funktionierende RNA für alles 

Trotzdem: CureVac hat noch immer kein Produkt bis zur Zulassung gebracht. Wenn erst mal eine funktionierende RNA auf dem Markt sei, sei alles leichter, glaubt Haas. Denn die könne man schnell an verschiedene Varianten anpassen. Ziel sei also, die RNA zweiter Generation zur Zulassung zu bringen – auch als Basis für weitere Produkte.  

Mittelfristiges Ziel: Ein Grippe-Corona-Kombipräparat 

Mittelfristig wolle CureVac den Grippe-Impfstoff und Covid-Impfstoff dann kombinieren, sagt Haas. Auch hier ist die Konkurrenz einen Schritt weiter: Moderna hat im Januar angekündigt, einen kombinierten Wirkstoff möglicherweise im Herbst 2023 auf den Markt zu bringen.  

Und was ist mit dem "Geisterhaus"?  

Einst wollte CureVac die erste RNA-Industrieanlage weltweit bauen: 2017 gab das Unternehmen den Bau eines Produktionsgebäudes im Tübinger Technologie-Park bekannt. Aber wieder waren andere schneller. Mittlerweile gibt es einige RNA-Produktionsstätten. Die CureVac-Halle hingegen ist noch eine Baustelle. Lange gebraucht habe man nicht, sagt Haas. Im Gegenteil: Man sei schneller vorangekommen als gedacht. Durch die Pandemie habe sich der Ausbau beschleunigt. Trotzdem: "Wenn wir mit der ersten Generation zum Erfolg gekommen wären, war schon klar: So schnell wie es erforderlich gewesen wäre, hätten wir das Gebäude nicht weiter ausbauen können", sagt er. Deshalb habe CureVac damals ein Produktionsnetzwerk unter anderem mit Novartis aufgebaut. Jetzt, wo die erste Impfstoff-Generation nicht erfolgreich war, könne man sich mehr Zeit lassen. "Weil wir jetzt eben nicht im Jahr 2022 eine Milliarde Dosen produzieren müssen. Von daher bauen wir dieses Gebäude so aus, wie wir die Produktplanung bei uns sehen."  Das Gebäude an sich sei fertig. Innen werde noch ausgebaut. Dann fehle nur noch die vorgeschriebene Abnahme.  

Wenn man dem CureVac-Chef zuhört, fehlt meist nur noch ein kleines Stück zum Erfolg. Ob es tatsächlich irgendwann so weit sein wird, bleibt spannend.

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