Ab Mittwoch muss Personal in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen gegen Corona geimpft sein. Auch für Physiotherapeuten, Hausärzte, Heilpraktiker oder Hebammen aber auch für Mitarbeiter von Rettungsdiensten oder sozialpädagogischen Zentren gilt diese sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Doch wie sinnvoll ist sie? Da gehen die Meinung auseinander. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa will sie in seinem Bundesland nicht umsetzen. Auch in der Region gibt es Kritik daran.
Lage hat sich durch Omikron-Variante verändert
Die Impfpflicht wurde im Dezember 2021 beschlossen. Damals war die Lage auf vielen Intensivstationen dramatisch. Ärzteverbände warnten vor einer Überlastung des Gesundheitssystems. Am 10. Dezember etwa wurden auf der Intensivstation der Uniklinik Tübingen 26 Covid-Patienten behandelt. Damals beschloss der Bundestag die Impfpflicht. Mitte März ist die Situation eine ganz andere: Auf der Tübinger Intensivstation werden noch acht Corona-Fälle behandelt. Die Omikron-Variante des Virus dominiert. Sie ist zwar ansteckender, aber die Krankheitsverläufe sind meist milder.

Landrat befürchtet Verschärfung des Pflegenotstands
Angesichts dieser Entwicklung lehnt der Tübinger Landrat Joachim Walter (CDU) die Impfpflicht derzeit ab. Denn auch wer geimpft sei, könne Corona übertragen, das zeigen Zahlen aus dem Tübinger Gesundheitsamt. So waren es in 16 von 20 Fällen Geimpfte oder Geboosterte, die das Corona-Virus in Alten- und Pflegeheime des Kreises einschleppt hatten. Die Impfplicht sei angebracht gewesen, als die Delta-Variante des Virus vorherrschte, so Walter. Doch Omikron habe die Lage verändert. Walter befürchtet, dass die Impfpflicht mehr schadet als nützt:
"Ich halte es für ein großes Behördenbeschäftigungsprogramm, ohne dass es tatsächlich Auswirkungen aufs Pandemiegeschehen hat. Aber - was ich befürchte - ist, dass es große Auswirkungen auf den bereits bestehenden Pflegenotstand hat."
Viele Menschen, auch im Pflegebereich, seien krank. Da könne man es sich nicht leisten, gesundes, aber nicht geimpftes Personal in der Pflege nach Hause zu schicken. Manche hätten sich Jobs in anderen Bereichen gesucht. Deshalb sollte jetzt der Pflegenotstand nicht noch verschärft werden. Einzelne Pflegedienste haben laut Walter bereits angekündigt, keine Patienten mehr aufzunehmen. Andere haben angefragt, ob sie nicht erkrankte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unter erhöhten Schutzvorkehrungen weiter einsetzen dürfen, weil sonst nicht genügend Personal da ist.
Auch Krankenhausgesellschaft gegen Impfpflicht
Der verschärfte Personalmangel durch Omikron sei nicht nur im Kreis Tübingen ein Problem, so Joachim Walter, der auch Präsident des baden-württembergischen Landkreistags ist. Die Krankenhausgesellschaft habe ihn erst am Samstag gebeten, noch einmal einen Vorstoß gegen die Impfpflicht zu unternehmen, weil der Druck auf die Krankenhäuser immer größer werde. Das Beispiel Österreich zeige, dass eine Verschiebung der Impfpflicht möglich sei. Im Juli und August könne man die Lage ja wieder neu bewerten. Jetzt jedenfalls sei eine Einführung der Impfpflicht unsinnig, schade dem gesamten Pflegebereich und die Kontrolle werde den Landratsämtern viel Arbeit bereiten.

Uniklinik-Chef befürwortet die Impfpflicht
Der ärztliche Direktor der Uniklinik Tübingen, Michael Bamberg, hält die Impfpflicht weiter für sinnvoll. Ihm geht es vor allem darum, besonders gefährdete Patienten und Patientinnen zu schützen. Zwar wirke eine Impfung gegen die Omikron-Varianten des Virus nicht mehr so gut. Aber die Viruslast sei bei Geimpften niedriger, das würden Untersuchungen zeigen. Damit sei klar, dass die Gefahr Patienten anzustecken, bei geimpftem Personal geringer sei. Der Schutz der Patienten sei höher zu werten, als die persönliche Freiheit, sich zu entscheiden, ob man sich impfen lasse, so Bamberg.