Erst vor wenigen Wochen hat Bausinger eine Hörbuchaufnahme im SWR Studio Tübingen begleitet. Der Schauspieler Ulrich Tukur las ein bislang unveröffentlichtes Buch Bausingers vor. Es ist ein Sachtext über das Erzählen, angereichert mit Anekdoten. Erscheinen soll es im kommenden Frühjahr.
"Empirische Kulturwissenschaft" statt "Volkskunde"
Bausinger war über 30 Jahre lang Direktor des Tübinger Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft. Von Anfang an hatte er entscheidende Impulse für eine Neuausrichtung des Lehrstuhls Volkskunde an der Universität Tübingen gegeben. Das Fach war durch die nationalsozialistische Vergangenheit belastet. Bausinger hat es in eine zeitgemäße Wissenschaft überführt.
Themen des Alltags wissenschaftlich untersucht
Empirisch geforscht wurde über Themen wie Einwanderung am Beispiel der Gastarbeiter, das Leben auf dem Dorf, über kulturelle Identität, den Heimatbegriff, Sozialgeschichte, Dialekte, über Imbisskultur oder Comics: Feldforschung über alle möglichen Phänomene der Alltagskultur.
Wissenschaft unterhaltsam präsentiert
Bausinger dozierte dabei nie von der Kanzel herab. Obwohl er bis zu seinem Tod fließend druckreif formulierte, ging es ihm nie um professorale Selbstdarstellung. Für seine Studendierenden hatte er immer ein offenes Ohr, und als brillanter Redner immer eine Anekdote parat.

Nach seiner Emeritierung 1992 - und bis zuletzt - war der hochangesehene, vielfach ausgezeichnete Nestor der Kulturwissenschaft als Redner und kenntnisreicher Interviewpartner auch in den Medien gefragt.

Er veröffentlichte unzählige Aufsätze zur Landeskunde, Kulturgeschichte, Sprache und Facetten der Alltagskultur. Unter anderem schrieb er über den herben Charme des Landes Baden-Württemberg, eine "Schwäbische Literaturgeschichte" und eine Betrachtung über die Universität Tübingen in der Nachkriegszeit.

Archiv 2017 abgebrannt
Als Hermann Bausingers Büro und Archiv in einer Außenstelle des Ludwig-Uhland-Institutes 2017 bei einem Brand zerstört wurde, nahm es der damals 90-Jährige einigermaßen gelassen. Sein Mitgefühl galt dem Brandstifter, der in dem Feuer umgekommen war. Um all die Dokumente trauerte er weniger. Sein Lebenswerk sei damit nicht vernichtet, betonte er.

Willensstark, klar und zielbewusst bis zuletzt
Am Mittwochabend ist Hermann Bausinger 95-jährig in einer Reutlinger Klinik gestorben. Ein Freund schildert ihn als willensstark bis zum Schluss, trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme. Bei Gesprächen über letzte Korrekturen an seinem im Februar erscheinenden Erzählbuch habe Bausinger noch klar und zielbewusst geklungen.