In mehreren Orten wurde am Donnerstag an Matthias Erzberger erinnert. Der ehemalige Vizekanzler und Finanzminister der Weimarer Republik wurde vor genau hundert Jahren, am 26. August 1921, bei einem rechtsterroristischen Anschlag im Schwarzwald getötet. Der katholische Zentrumspolitiker saß seit 1903 für den Wahlkreis Biberach-Leutkirch-Waldsee-Wangen im Reichstag. Die größte Gedenkveranstaltung fand in Biberach statt, wo Erzberger begraben wurde. Als Gastredner hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) gesprochen.
Schäuble würdigt Erzberger in seiner Rede
Vor etwa 200 Zuschauerinnen und Zuschauern in der Biberacher Stadthalle sagte Schäuble, Erzberger sei einer der meistgehassten Politiker des Landes gewesen. Er kritisierte, dass die Bundesrepublik später wenig an Erzberger erinnert habe. Schäuble zähle Erzberger zu den herausragenden Persönlichkeiten des Übergangs zur Weimarer Republik und zog Parallelen zur Ermordung Walter Lübckes.

Schwabe mit klaren Positionen
Matthias Erzberger war die Symbolfigur der jungen deutschen Demokratie der Weimarer Republik. Ein unbequemer Politiker mit einem strengen Sparkurs und felsenfesten demokratischen Überzeugungen - streitbar, rechtschaffen, mutig - und seinen Gegnern ein Dorn im Auge. Ein echter Schwabe; geboren 1875 als Sohn eines Schneiders in der Gemeinde Buttenhausen im Lautertal auf der Schwäbischen Alb (Kreis Reutlingen).
Vom Kriegsbefürworter zum Kriegsgegner
Erzberger, Mitglied der Zentrumspartei, wurde 1903 mit nur 28 Jahren in den Reichstag gewählt. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war er zunächst ein glühender Unterstützer des Militärs. Als sich immer deutlicher zeigte, dass das Deutsche Reich den Krieg nicht gewinnen würde, setzte er sich jedoch als Erster öffentlich für Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe ein. Bereits im Juli 1917 wollte er mit einer Resolution die Regierung zur Einleitung von Friedensverhandlung bewegen.
Akzeptanz des Versailler Vertrags löst rechte Hetzkampagne aus
Am Ende des Ersten Weltkriegs war er maßgeblich am Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 beteiligt. Er akzeptierte außerdem 1919 als Vizekanzler den Versailler Vertrag - was ihn aus Sicht der Rechten zu einem "Novemberverbrecher" machte. Denn der geschlossene Frieden war teuer für Deutschland, den Alliierten mussten in der Weimarer Republik hohe Summen bezahlt werden. Der militärischen Niederlage folgte der schiere Bankrott. In der dann neu gegründeten Republik war Erzberger Finanzminister und setzte eine Steuerreform durch, die Kriegsgewinne und Reichtum schwer belastete. Nach einer Hetzkampagne aus Reihen des deutsch-nationalen Spektrums trat er 1920 als Finanzminister zurück.
Im Schwarzwald erschossen
Gerade als er seine Karriere wieder aufnehmen wollte, geschah das Attentat. Zwei rechtsradikale Offiziere erschossen den 45-Jährigen am 26. August 1921 bei einem Aufenthalt in Bad Peterstal-Griesbach im Schwarzwald. Fünf Tage später begleiteten Tausende Erzbergers Leichnam zum Friedhof.
Ermordung löst Entsetzen und Begeisterung gleichermaßen aus
Nach seiner Ermordung gingen überall in Deutschland Hunderttausende Menschen auf die Straße. Seine Unterstützer sahen in ihm einen Friedensmacher und Fürsprecher des einfachen Volks. Für Nationalisten und die alten Eliten war er ein Verräter.
Sein Tod war Auftakt einer Mordserie
Erzbergers Tod sollte nur der Auftakt einer Mordkampagne gegen Vertreter der Republik sein: Ein knappes Jahr später wurde Außenminister Walther Rathenau ebenfalls auf offener Straße erschossen, bis Juni 1922 wurden insgesamt mehr als 300 rechtsgerichtete politische Morde begangen.
Gedenken an Erzberger in Baden-Württemberg
Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg hat ein Erzberger-Jahr organisiert, unter anderem mit einer eigenen Internetseite. Und auch die Gedenkstätte im Elternhaus von Matthias Erzberger in Münsingen-Buttenhausen hat mehrere Veranstaltungen vorbereitet. Zusätzlich hat die Gedenkstätte einen Teil ihrer Ausstellung ebenfalls im Internet zugänglich gemacht. Das Erzberger-Haus in Buttenhausen ist jeden Sonntag bis 17 Uhr geöffnet.