Am Landgericht Tübingen hat der Prozess wegen eines Brands in einer Wohngruppe im Januar 2023 in Reutlingen begonnen. (Foto: SWR)

Prozess nach Brand mit drei Toten

Pflegekräfte der Wohngruppe in Reutlingen warnten vor Beschuldigter

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Theresa Krampfl
Theresa Krampfl (Foto: SWR, Patricia Neligan)
Magdalena Knöller
Magdalena Knöller (Foto: SWR)

Am Landgericht Tübingen hat die Bewohnerin ausgesagt, die ihr Zimmer in der Reutlinger Einrichtung in Brand gesetzt haben soll. Im Prozess muss geklärt werden, ob sie schuldfähig ist.

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Im Mordprozess am Landgericht Tübingen hat am Vormittag die mutmaßliche Brandstifterin ausgesagt. Die 58-jährige Bewohnerin der Wohngruppe in Reutlingen soll laut Staatsanwalt das Feuer gelegt haben. Sie habe ihr Bett angezündet und damit in Kauf genommen, dass andere Personen in der Pflegeeinrichtung zu Tode kommen und weitere verletzt werden.

Einfühlsam versuchte der vorsitzende Richter von der Frau im Gerichtssaal zu erfahren, wie es zu dem Brand kam, bei dem sie sich schwere Verbrennungen zuzog. Sie habe sich selbst im Gesicht angezündet, damit sie verbrenne, antwortete sie mit leer und ängstlich wirkendem Blick. Ihr Kopf sei "voll von Medikamenten", sagte sie immer wieder. Vom Brand selbst habe sie nichts mehr mitbekommen, weil sie bewusstlos geworden sei.

Frau ist wegen Mordes angeklagt

Als Mordmerkmal kommt unter anderem "gemeingefährliche Mittel" in Betracht. Die Staatsanwaltschaft bezieht sich damit auf das Feuer und hat die 58-Jährige wegen Mordes angeklagt. Laut Staatsanwalt leidet die Frau seit Jahrzehnten an chronifizierter, schizophrener Psychose. Sie soll seit Dezember 2022 immer wieder Suizid- und Mordgedanken geäußert haben. Ein psychiatrischer Sachverständiger beobachtet die ehemalige Bewohnerin bei Gericht. Denn es steht die Frage im Raum, ob sie schuldunfähig ist. Die Staatsanwaltschaft geht von einer "erheblich geminderten Schuldfähigkeit" aus.

Pflegekräfte: "geahnt, dass mal was passiert"

Im Laufe des Donnerstags sagten neben der Beschuldigten auch Pflegekräfte aus. Dabei ging es sowohl um die Erfahrungen mit der Bewohnerin als auch den Abend des Brandes. Im Team sei den Aussagen nach immer wieder Thema gewesen, dass so, wie sich die Bewohnerin verhalte, "irgendwann mal was passiert". Laut einer Pflegerin sei klar gewesen, dass man sie in dieser Einrichtung nicht so versorgen könne, wie es für sie gut wäre.

Im weiteren Prozessverlauf sollen auch Feuerwehrkräfte und Kriminaltechniker als Zeugen befragt werden. Sie waren an dem Abend und in der Nacht des Brandes vor Ort.

Brand in Reutlingen löste damals großes Entsetzen aus

Der Fall löste Entsetzen in der Bevölkerung aus. Am 17. Januar 2023 brannte es spätabends im Fachpflegeheim der Gemeindepsychiatrischen Hilfen Reutlingen, einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Drei Bewohner starben an einer Rauchgasvergiftung. Die Anteilnahme nach dieser Brandkatastrophe war groß. Bürger und Politiker gedachten der Opfer und legten Blumen am Gebäude ab.

Fall sorgte für Diskussion um Brandschutz

Die Stiftung Patientenschutz forderte kurz nach dem Brand Generalschlüssel für solche Einrichtungen sowie Sprinkleranlagen. Denn obwohl die Feuerwehr wenige Minuten nach Alarmierung vor Ort war, starben drei Personen. Unklar war, ob das damit zusammenhängen könnte, dass Türen abgeschlossen und die Bewohner es nicht mehr rechtzeitig aus den Räumen geschafft haben könnten. Außerdem sind in vielen Einrichtungen dieser Art die Feuermelder lautlos gestellt.

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