Landgericht Tübingen von außen, frontal, bei blauem Himmel (Foto: SWR, Magdalena Knöller)

Sexuelle Handlungen während der Therapie

Tübinger Landgericht: Prozess wegen Missbrauchs einer Patientin

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Am Landgericht Tübingen hat der Prozess gegen einen Psychotherapeuten aus Oberreichenbach (Kreis Calw) begonnen. Der 72 Jahre alte Mann soll eine Patientin sexuell missbraucht haben.

Ein wegen sexuellen Missbrauchs seiner Patientin angeklagter Psychotherapeut hat sich zum Prozessauftakt am Montag in Tübingen nicht zu den Tatvorwürfen äußern wollen. Vor dem Landgericht machte der 72 Jahre alte Mann nur Angaben zur Person. Sein mutmaßliches Opfer, eine heute 30 Jahre alte Frau, gab an, ab ihrem 18. Lebensjahr immer wieder mit ihm Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Auch vorher sei es zu sexuellen Handlungen gekommen. Eine Therapie habe sie im Alter von 17 Jahren bei ihm begonnen, weil sie nach der Scheidung der Eltern unter Depressionen gelitten und kaum noch Kontakt zu ihrem Vater gehabt habe. Zudem habe sie eine Beziehung mit einem fast doppelt so alten Mann gehabt. Das habe auch zu Problemen in der Familie geführt.

Eigentliche Therapie hat nicht mehr stattgefunden

Nach Therapiebeginn habe ihr Therapeut in den Folgemonaten damit begonnen, sie beim Abschied zu umarmen und sie zum Eis essen einzuladen. Später habe er ihr unter das T-Shirt und an den Po gefasst. Sie habe Vertrauen zu ihm gehabt, er sei für sie ein "Ersatzdaddy" gewesen. Nach ihrem 18. Geburtstag habe er ihr das "Du" angeboten. Später sei es mehrmals zum Geschlechtsverkehr an verschiedenen Orten zwischen ihnen gekommen. "Hätte er seinen Job richtig gemacht, wäre mir vieles erspart geblieben", so die Zeugin vor Gericht. Sie sei emotional abhängig von dem Mann gewesen, habe sich fremdgesteuert und leer gefühlt. Später habe sie Suizidgedanken gehabt und begonnen sich selbst zu verletzen. Der Therapeut habe das nicht ernst genommen. Die eigentliche Therapie habe gar nicht mehr stattgefunden. Auch nach der Therapie habe sie lange Zeit viele schwierige Beziehungen mit Männern gehabt. Jahre später habe sie sich ihrer neuen, derzeitigen Therapeutin offenbart. Auf die schockierte Reaktion der Therapeutin hin habe sie verstanden, dass das sexuelle Verhältnis von der Seite ihres Therapeuten aus nicht rechtens war. Die Staatsanwaltschaft erhob Ende Januar 2020 Anklage.

Sexuelle Handlungen in 46 Fällen

Dem Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft Tübingen sexuellen Missbrauch einer Patientin vor. Der 72 Jahre alte Mann soll laut Anklagebehörde während der Psychotherapie in 46 Fällen mit der Patientin bis kurz vor deren 21. Geburtstag sexuelle Handlungen bis hin zum Geschlechtsverkehr ausgeführt haben. Die Taten sollen zwischen Ende 2008 und 2013 in Oberreichenbach, Calw-Holzbronn, Friedrichshafen und Lindau passiert sein.

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SWR