Die Glocken der Pfullinger Martinskirche (Kreis Reutlingen) sind in der Nacht zu laut und werden deshalb zwischen 22 und 7 Uhr abgestellt. Anwohner hatten sich beschwert, dass das Geläut ihnen den Schlaf raube. Die Evangelische Kirchengemeinde bestellte daraufhin einen Gutachter. Der kam zu dem Ergebnis: Die Glocken überschreiten klar den gesetzlichen Grenzwert, der für die Nacht gilt.
Schon vor über zwanzig Jahren gab es ein Gutachten, das aber zu einem anderen Ergebnis kam. Demnach war die Lautstärke in der Nacht okay. Wie kann das sein? Pfarrer Benjamin Lindner verneint augenzwinkernd, dass hier übersinnliche Kräfte im Spiel sind. Eine eindeutige Erklärung dafür, warum die Glocken auf einmal lauter schlagen, hat er nicht. Allerdings gibt es einige Vermutungen.
Messpunkt bei früherem Gutachten ein anderer
Bei dem damaligen Gutachten war der Messpunkt ein anderer. Der jetzige lag ein Stückchen näher an der Kirche, so Lindner. Außerdem habe sich der Marktplatz verändert - ein anderer Belag, weniger Bäume. "Es bleibt die Vermutung, dass das was ausmacht, wenn sich Bepflanzung und Belag ändern".
Der gesetzliche Grenzwert liegt bei Einzelfallschlägen in der Nacht im Bereich der Pfullinger Martinskirche bei 65 Dezibel. "Da waren wir etwa zehn Dezibel drüber", sagt Pfarrer Lindner. Kurz hat man überlegt, Nachtmotoren einzubauen, die mit weniger Kraft auf die Glocken schlagen. Kostenpunkt: 10.000 Euro pro Motor. Und das pro Glocke. Da war die Überlegung schnell vom Tisch.
Der Herr der Kirchtürme Turmuhren und -glocken erzählen Geschichte: Die Kunst des Pfullinger Turmuhrenbauers
Andreas Walz steigt in seinem seltenen Beruf als Turmuhrenbauer hoch hinaus und kümmert sich um die Uhrwerke und Glocken von Kirchtürmen. Dabei kommt er an Orte, die sonst niemand sieht.
Nicht alle finden die Glocken zu laut
Auf dem Marktplatz an helllichten Tag sehen viele Menschen das Läuten ihrer Martinskirche recht gelassen. "Ich habe geschlafen wie ein Bär", sagt eine Anwohnerin. "Die Glocken läuten doch schon seit Jahrhunderten", eine andere. Sie verstehe den "Aufriss" um die Glocken nicht.
Eine Anwohnerin, die mit ihrem Mann unterwegs ist, ist aber froh, dass sie künftig nachts nicht mehr geweckt wird. "Um drei bin ich wach geworden, um vier und um fünf - und morgens um sieben gleich wieder".
In Katastrophenfällen kann das Pfullinger Geläut die Bewohnerinnen und Bewohner rund um den Marktplatz aber dennoch aus dem Bett schellen. Das sogenannte "Sturmläuten" ist Teil des Bevölkerungsschutzes und kann bei Katastrophen eingeleitet werden, um die Bevölkerung zu warnen.