Polizeieinsatz nach Messerstecherei im Botanischen Garten in Tübingen (Foto: SWR, Tim Richter)

Reaktionen auf tödliche Attacke im Park

Nach tödlichem Messerangriff in Tübingen: Kritik und Zustimmung zu Palmer-Äußerungen

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Sarah Beschorner

Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich besorgt über den Messerangriff in einem Park in Tübingen geäußert. Sein Umgang mit dem gewaltsam Getöteten stößt aber auch auf Kritik.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne, Parteimitgliedschaft ruht) hat sich zu dem Messerangriff im "Alten Botanischen Garten" geäußert. Auf facebook veröffentlichte Palmer ein Foto vom Park und schrieb dazu: "Der Tatort ist etwa da, wo ich dieses Foto gemacht habe. Es ist der Ort der offenen Drogenszene, die vor allem von Geflüchteten aus Gambia betrieben wird." Palmer vermutete direkt nach der Tat, dass der Getötete ein Drogendealer war. Die Polizei bestätigte später, dass der mutmaßliche Täter und das Opfer den Beamten in Zusammenhang mit Drogen bekannt waren.

CDU-Fraktionsvorsitzender Hagel unterstützt Palmer

Manuel Hagel (CDU) äußerte sich am Dienstag nach der Tat auf Twitter zu Palmers Worten. Der Oberbürgermeister werde "gleich wieder reflexhaft in die rechte Ecke gestellt", womit die Debatte im Keim erstickt werde, so Hagel. Er bekräftigt Palmer, in dem er schreibt, die Bundesregierung müsse endlich in die Gänge kommen und ihre Migrationspolitik besser machen.

SPD spricht von "abscheulicher Schuldumkehr"

Der Tübinger Ortsverein der SPD hingegen wirft Palmer vor, er habe die Tat ohne Umschweife politisiert und instrumentalisiert, und zwar ohne, dass alle Hintergründe bekannt seien. Von der Herkunft des Opfers aus Gambia automatisch auf kriminelle Umstände zu schließen, offenbare Palmers eigene "rassistische Weltsicht". Und anzudeuten, dass es diese Tat nicht gegeben hätte, wenn "kriminelle Asylbewerber nicht in unseren Städten untergebracht wären" sei eine abscheuliche Schuldumkehr, die das Opfer schlussendlich für die Tat mitverantwortlich mache.

Verein gegen Diskriminierung kritisiert Palmer

Auch der Tübinger Verein "adis e.V., Antidiskriminierung, Empowerment, Praxisentwicklung" wendet sich in einer Pressemitteilung gegen Palmers Umgang mit dem gewaltsamen Tod des 23-Jährigen. Der Verein spricht offenbar für die Freunde des Opfers, seine Pflegefamilie und alle anderen Trauernden.

Während der Täter noch flüchtig war und die Hintergründe der Tat völlig unklar gewesen seien, habe Palmer das Geschehen für seine Politik instrumentalisiert und das Opfer verleumdet, so der Vorwurf. Dies sei unanständig und unerträglich. In dem Schreiben heißt es:

"Ist es zu viel verlangt, in dieser Stunde, dem Toten und den Trauernden ein Zeichen des Respekts zu vermitteln?"


Das Zitat von Palmer auf facebook "Mir genügt Ort, Zeit und Herkunft völlig, um zu wissen, was der Hintergrund ist!" wertet der Verein als unfassbare Vereinfachung. Er bittet darum, Palmer zu einer Entschuldigung zu bewegen oder wenigstens zu schweigen.

Auch die Grüne Jugend Tübingen verurteilt in einer Mitteilung ausdrücklich die Statements des Oberbürgermeisters. "Spekulationen zur Tat einzig und allein aufgrund von Tatort und ethnischer Herkunft anzustellen, halten wir für gefährlich und absolut unangemessen, insbesondere in einer solchen Verantwortungsposition." Eine ähnliche Haltung wird in einem Offenen Brief mit vielen Unterzeichnern wie dem Aktionsbündnis Seebrücke, dem Studierendenrat der Universität Tübingen und mehr als 600 Einzelunterzeichnern deutlich.

Palmer zu Drogenszene in Tübingen

Palmer hatte auf facebook geschrieben, er habe bei der Polizei immer gedrängt, die Drogenszene so intensiv wie möglich zu bekämpfen. Bei Geflüchteten sei das aber sehr schwer. Für eine Abschiebung reiche die Kleinkriminalität nicht. Der finanzielle Gewinn sei so groß, dass Verhaftungen und einige Tage Knast einkalkuliert seien. Palmer schreibt weiter: "Und oft müssen die jungen Männer das Geld nach Hause schicken. Dafür wurden sie los geschickt."

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen. (Foto: SWR)
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen.

Die Polizei habe vor allem Erfolg, wenn sie Drogendepots aushebe oder die Lieferanten zu fassen bekomme. "Gegen die Dealer selbst ist unser Rechtsstaat fast machtlos. Es kommen immer wieder neue."

Palmer: Tat in Tübingen durch nichts zu rechtfertigen

Die Drogenszene direkt neben einem Spielplatz im Park sei immer ein Ärgernis und nie akzeptabel gewesen. Nun sei, vermutet Palmer, offenbar einer der Dealer erstochen worden. Das sei an sich schrecklich und durch nichts zu rechtfertigen. Palmer meint, dass die Tat aber nicht unvermeidbar gewesen wäre. Ohne einen Streit über Drogen würde der junge Mann vermutlich noch leben, so der Oberbürgermeister. Deswegen sei dieser Tod auch ein Grund, über Kriminalprävention zu diskutieren.

"Offene Drogenszenen sind eine Gefahr und das Asylrecht darf kein Deckmantel für Drogenhandel sein."

Palmer schreibt: "Kriminelle Asylbewerber sollten nicht in unseren Städten untergebracht sein, sondern in Aufnahme-Einrichtungen der Länder." Einen entsprechenden Vorschlag habe er gerade mit seinem grünen Parteifreund Jens Marco Scherf an den Bundeskanzler geschickt. Der Tübinger Oberbürgermeister meint, man müsse über solche Lösungen genau dann reden, wenn etwas passiert sei.

Viele Reaktionen auf Palmers facebook-Eintrag

Weitere Internet-Nutzer haben auf den facebook-Eintrag von Boris Palmer reagiert. So schreibt ein Mann: "Man fragt sich, warum der Drogenhandel dort ungestört von statten gehen kann, wenn das der Stadt Tübingen längst bekannt ist?" Ein anderer Mann fragt sich, warum sich die Polizei nicht durchsetzt und Platzverweise ausspricht.


Tatverdächtiger ist in U-Haft

Am Freitagabend wurde ein 27-Jähriger in dem Fall des getöteten 23-Jährigen in Tübingen festgenommen. Der Mann, der im Verdacht steht, im Alten Botanischen Garten den 23-Jährigen erstochen und tödlich verletzt zu haben, befindet sich inzwischen in Untersuchungshaft.

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