Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis weit ins 20. Jahrhundert war die große Zeit schwäbischer Textilhersteller. Reutlingen und die Alb waren führend, was Stoffe, Mode und Schnitte anging. Hergestellt wurden die Textilien mit Strickmaschinen und Webstühlen. Zu sehen sind viele dieser Schätze im städtischen Industriemagazin, darunter auch viele historische Maschinen der Metallindustrie. Während der Corona-Zwangspause wurden sie entstaubt und auf Vordermann gebracht und das Industriemagazin in Ausstellungsräume verwandelt.
SWR Reporterin Anne Schmidt über das neu gestaltete Industriemagazin
Räumliche Trennung wichtig
Damit die historischen Exponate mehr zur Geltung kommen, hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin Marisse Hartmut die Schau thematisch aufgeteilt. In der mittleren Werkhalle steht eine riesige Dampfmaschine, in den beiden anderen Werkhallen sind metallverarbeitende Maschinen und Textilmaschinen wie Strickmaschinen und Webstühle ausgestellt. "Teilweise wurden die Maschinen hier gefertigt, mit anderen wurde hier gearbeitet", sagt die Reutlinger Kulturamtsleiterin Anke Bächtinger.
Kreative Lösungen an den Fenstern
Auch außen wurde das Gebäude aufgehübscht. Weil zuletzt eine Scheibe eingeworfen wurde und über die teils maroden Fenster Einbrecher in das Gebäude gelangen wollten, hat das Kulturamt aus der Not eine Tugend gemacht: Die historischen Fenster des Backsteingebäudes wurden mit Holztafeln dicht verschlossen. Auf die Bretter wurde das ursprüngliche Fenster im Originalmaßstab als Fotomontage projiziert. Innen sehen die Besucher und Besucherinnen hinter den Glasfenstern alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus Reutlinger Industriebetrieben.

Neue Texttafeln für die Besucher
Jede einzelne Maschine wurde mit einer Schautafel versehen. So können sich Besucher die Schau selbstständig erschließen. Auf größeren Texttafeln, die teils mit historischen Firmenlogos versehen sind, finden die Besucher Informationen zu einzelnen Reutlinger Firmen und deren Gründern. Einzelne Texttafeln behandeln ganze Themen wie beispielsweise "Antrieb und Energie". Laut Kulturamt kommen regelmäßig Schulklassen oder Auszubildende der IHK Reutlingen-Tübingen ins Industriemagazin, wenn sie das Thema Industriegeschichte behandeln.

Maschinen werden alle zwei Wochen zum Leben erweckt
Seit rund 15 Jahren arbeitet das Reutlinger Heimatmuseum, welches das Industriemagazin betreut, mit ehrenamtlichen Senioren zusammen. Einige von ihnen haben einst selbst die Maschinen bedient. Jeden zweiten Samstag im Monat werfen sie die Maschinen an. So können die Besucher hautnah mit allen Sinnen in die Reutlinger Industriegeschichte eintauchen. Damit auch künftig die Vorführungen weitergehen können, sucht das Kulturamt nun jüngere Ehrenamtliche, die sich für die historischen Maschinen begeistern können.
Mit dem Fahrrad Industriegeschichte erleben
In Zusammenarbeit mit den Reutlinger Stadtführern will das Heimatmuseum künftig Fahrradführungen zur Industriegeschichte anbieten. Dort erfahren die Teilnehmenden, dass Reutlingen weit bis ins 20. Jahrhundert eine der führenden Industriestädte im Südwesten war. In diesem Jahr sind drei verschiedene Touren geplant. Im Sommer geht es mit der ersten Führung zur Reutlinger Textilindustrie los.