Wirbel um Ärztliche Versorgungsanstalt in Tübingen (Foto: SWR, Anne Schmidt)

Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen wegen Untreue

Wirbel um Ärztliche Versorgungsanstalt in Tübingen

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Anne Schmidt

Die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte steht in der Kritik. Der Tübinger Oberbürgermeister fordert den Rücktritt der Präsidentin.

Die Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen gegen Führungskräfte der Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte wegen Untreue. Dabei geht es um Zulagen und Sonderzahlungen. Tübingens Oberbürgermeister Palmer (Grüne) fordert Konsequenzen, weil die Bezüge in Höhe von über 200.000 Euro für das Ehrenamt unverhältnismäßig seien.

VA-Mitglieder beklagen stagnierende Renten

Bereits seit Jahren sorgt sich eine Gruppe von VA-Mitgliedern um die hohen Verwaltungskosten. Diese seien in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen. Die Rentenanwartschaften hingegen seien im gleichen Zeitraum um rund 10 Prozent gesunken. Beim zuständigen Sozialministerium haben vier Ärzte deshalb Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Das Ministerium teilte dem SWR auf Anfrage mit, dass das Sozialministerium als Rechtsaufsicht nicht berechtigt ist, zu prüfen, ob Maßnahmen und Entscheidungen der Versorgungsanstalt für Ärzte etwa fachlich sinnvoll oder zweckmäßig sind. Das heißt, es ist rechtens, wenn die Versorgungsanstalt dem Ministerium keine Auskunft über die Einzelheiten ihrer Finanzierung erteilt.

Weshalb legt VA-Präsidentin ihre Bezüge nicht offen?

Einer der Kernpunkte des Streits ist die Aufwandsentschädigung, die die Heidelberger Zahnärztin erhält. Einige VA-Mitglieder können nicht nachvollziehen, weshalb die Führungsspitze ihre Bezüge nicht transparent offenlegt, etwa um Spekulationen zu vermeiden. SWR-Recherchen ergaben, dass der ehemalige VA-Präsident 80.000 Euro für sein Ehrenamt erhielt. Die jetzige VA-Präsidentin Eva Hemberger soll jährlich über 200.000 Euro erhalten. Über ihre Bezüge äußerte sich Hemberger gegenüber dem SWR nur schriftlich.

"Da die Versorgungsanstalt sich selbst verwaltet und keinerlei öffentliche Gelder erhält, ist eine Offenlegung von Aufwandsentschädigungen und ähnlichem weder notwendig noch angezeigt".

Aus dem Sozialministerium heißt es dazu, dass es konkrete Fragen zu personalbezogenen Vorgängen "aus Datenschutzgründen" nicht beantworten kann. Eigentliches Kontrollgremium der VA- Führungsspitze ist der Verwaltungsrat. Doch dessen Mitglieder können sich öffentlich nicht äußern. Sie haben eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben.

OB Palmer legt VA-Präsidentin Rücktritt nahe

Der Tübinger Oberbürgermeister Palmer hat beschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen, weil auch die Stadt bislang schlechte Erfahrungen mit der Versorgungsanstalt gemacht. Sie habe erfolglos versucht, in einer Immobilie der VA einen Stadtteiltreff zu gründen. Dabei sei er immer wieder auf Missstände in der VA angesprochen worden. Zum Beispiel, dass ein unliebsamer Mitarbeiter überraschend beurlaubt wurde, zu einem Zeitpunkt, als er einen Personalrat gründen wollte. Palmer forderte gegenüber dem SWR die Präsidentin der Versorgungsanstalt auf, zurückzutreten. Die Zustände in der VA seien unhaltbar.

"Mich ärgert das Gesamtbild. Eine Präsidentin, die 250.00 Euro im Jahr einstreicht aber behauptet, das sei nicht so und den echten Betrag nicht nennen will. Eine VA, die die Gründung eines Personalrates verhindert und die Leute rauswerfen will, die dies tun. Und eine VA, die dem Gemeinderat sagt, ist uns doch wurscht, was ihr wollt, Hauptsache bei uns stimmt die Rendite und Stadtteiltreffs stören das Zusammenleben. Wo leben wir eigentlich? Dass ist wirklich unerträglich."

Versorgungsanstalt kommuniziert über Medienberater

Die Versorgungsanstalt habe außerdem für ein erkleckliches Honorar eine Medienberatung eingeschaltet, die dafür gesorgt hat, eine öffentliche Debatte über einen Stadtteiltreff zu verhindern, so Palmer. Die Medienberater der VA nahmen jüngst auch Kontakt zum SPD-Bundestagsabgeordneten Martin Rosemann auf. Er unterstützt die 100 Mitarbeiter bei der Gründung eines Personalrates.

Gründe für überraschende Beurlaubung eines Mitarbeiters unklar

Unterstützung gibt es auch von der Gewerkschaft ver.di. Der Bezirksvorsitzende der Region Neckar-Alb, Benjamin Stein, begleitete den beurlaubten VA-Mitarbeiter beim Gang vor das Reutlinger Arbeitsgericht. Um wieder arbeiten zu dürfen, beantragte der Mitarbeiter dort vergeblich eine einstweilige Verfügung. Seither durfte er die VA nur unter Aufsicht betreten. Eine Begründung für seine Beurlaubung habe er bis heute nicht erhalten, so Stein. Er vermutet, dass der Mitarbeiter beurlaubt wurde, weil er einen Personalrat gründen wollte. Man kenne das von anderen Betrieben, die so gegen die Initiatoren vorgehen wollten, so Stein.

Gleich mehrere Personalwechsel nach öffentlicher Kritik

Der Anwalt des betroffenen Mitarbeiters teilte dem SWR mit, dass die VA offenbar im Rahmen der SWR-Recherchen dessen Beurlaubung zurückgenommen hat. Weshalb er beurlaubt wurde, dazu wollte sich VA-Präsidentin Hemberger nicht äußern. "Über die Gründe dieser Entwicklung dürfen wir Ihnen aus rechtlichen Gründen keine Auskunft geben", teilte sie dem SWR schriftlich mit. Zuletzt gab es zwei weitere Personalwechsel: Der Geschäftsführer wurde versetzt, dessen Posten erhält nun sein Stellvertreter. Nun hofft man, dass endlich wieder Ruhe einkehrt in die Rentenkasse der Ärzte. Am 3. Dezember können die Mitarbeiter der Versorgungsanstalt für Ärzte dann erstmals nach 70 Jahren einen Personalrat wählen.

Vor rund 70 Jahren in Tübingen gegründet

Vor rund 70 Jahren wurde die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, kurz VA, in Tübingen gegründet. 100 Mitarbeiter sind dort mittlerweile beschäftigt. Die VA verwaltet die Renten der Mediziner im Land. Rund 80.000 Einzahler und Rentenempfänger gehören ihr landesweit an.

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