Je dementer ein Mensch, desto weniger ist er über den Verstand erreichbar, sondern zunehmend über seine Gefühle. Das weiß man mittlerweile über die Krankheit Demenz. Musik kann daher eine große Rolle spielen. Sie kann Erinnerungen wecken, beruhigen oder beleben oder einfach ein gutes Gefühl auslösen.
Deswegen hat die Württembergische Philharmonie Reutlingen vor gut sechs Jahren die Konzertreihe "Seelenbalsam" für Menschen mit Demenz und ihre Begleiter ins Leben gerufen. Nach zwei Jahren Corona-Pause gab es in Reutlingen und Tübingen wieder solche Konzerte.
Demenzkranke Menschen reagieren auf Musik mit Empathie
Am Dienstag spielte das Musica Varia Ensemble der Württembergische Philharmonie in der Tübinger Jakobuskirche, mit zwei Violinen, einer Bratsche, einem Cello und einem Kontrabass. Im Publikum saßen demenzkranke Menschen, Angehörige und Pflegekräfte. Die meisten der Dementen schienen vor dem Konzert ins Leere zu blicken. Doch kaum begann die Musik, wandelte sich die Atmosphäre. Plötzlich war Leben in der Kirche, die Leute sangen mit.
Musik ist auf Demenzkranke abgestimmt
Musik kann laut Alzheimergesellschaft Baden-Württemberg Erinnerungen wecken, erst recht, wenn man die Stücke von früher kennt. So sind die "Seelenbalsam-Konzerte" auf die Bedürfnisse der Dementen abgestimmt. Die klassischen Musiker spielen Gassenhauer von einst, wie "Mein kleiner grüner Kaktus" oder "Veronika der Lenz ist da". Anke Möck, Geschäftsführerin der Tübinger Familien- und Altershilfe, ist froh, dass nach zwei Jahren Corona-Pause so eine Veranstaltung wieder möglich ist, und die Menschen aus der Isolation kommen.
Verunsicherung bei den Angehörigen
Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto weniger trauen sich Demente in die Öffentlichkeit. Und auch Angehörige zögern. Man weiß ja nie, wie sich der Erkrankte verhält. Das bestätigte auch eine Konzertbesucherin.
Musik berührt Menschen mit Demenz unmittelbar
Rund eine Stunde spielte das Musica Varia Ensemble der Württembergischen Philharmonie Reutlingen. Auch für die Musiker ein besonderes Konzert, sagte Kontrabassspieler Günther Fischer. Man merke einfach, wie man die Menschen direkt berühre. Sie lachen und weinen. Das sei das Schöne an diesen Konzerten. Die Musiker der Reutlinger Philharmonie und die Organisatoren der Konzertreihe sind mehr denn je überzeugt, dass Musik wichtiger wird, wenn der Mensch nicht mehr über seinen Verstand, sondern zunehmend über seine Gefühle erreichbar ist.