
Ob Corona-Test-Strategie, Impfpflicht, Umgang mit Geflüchteten, Klimaschutz - kein deutsches Stadtoberhaupt löst so viele bundesweite Schlagzeilen aus wie Boris Palmer - und auch manchen Ärger. Das kann schon mal nervig sein, geht mir auch so. Und jetzt macht er auch noch ein Riesen-Brimborium wegen der OB-Wahl! Diesmal zu Recht, finde ich. Denn wie ging das denn alles los? Die Urwahl, mit der die Tübinger Grünen jetzt zum ersten Mal die OB-Kandidatur festlegen wollten, kam ja nur zustande, weil- so haben sie es selbst formuliert - der Parteifrieden wieder hergestellt werden soll.
Ende der internen Querelen angestrebt
Die internen Querelen um Palmer sollten enden. Das ist ein legitimes Ansinnen. Aber haben die Tübinger Grünen wirklich geglaubt, dass Palmer sich auf diese Vor-Prüfung einlassen würde? Seit Monaten bläst ihm parteiinterner Gegenwind ins Gesicht. Der Landesverband will ihn rausschmeißen. Der Stadtverband schickte schnell eine Gegenkandidatin ins Urwahl-Rennen. Da frage ich mich: Kennen die denn ihren Palmer nicht? Seinen Dickschädel, seine Standhaftigkeit bei jedweder Attacke? Zudem kann Palmer durch seine OB-Leistungen reichlich punkten - mit visionärer Politik: nachhaltige Wohnprojekte, Energie sparen, Müll vermeiden, ÖPNV fördern, Corona-Modellstadt. Tübingen ist bundesweit noch bekannter geworden - durch Palmers Vorreiter-Politik.
Wiederwahl gut möglich
Drum, meine ich, hat Palmer gute Chancen, wieder gewählt zu werden - aufgrund der Leistung, nicht wegen der Partei. Und noch etwas stimmt mich nachdenklich: Die Grünen liefen Gefahr, vielleicht ohne es selbst zu merken, die Wählerschaft zu bevormunden, ihr durch die parteiinterne Vorauswahl den Kandidaten Palmer vorzuenthalten. Natürlich ist es bei einer OB-Wahl möglich, dass Wahlberechtigte eine zusätzliche Person auf den Stimmzettel schreiben und ihr die Stimme geben. Aber dass Palmers Name durch seinen Alleingang garantiert auf den Wahlzetteln auftauchen wird - ohne grüne Parteiselektion - ist aus meiner Sicht ein Gewinn für die Demokratie.