Zwei Räder, eine Achse, darüber eine Ladefläche aus Eschenholz und vorne zwei leichtgebogene Holme zum Ziehen. Fertig ist der mittelalterliche Karren. Seit fast drei Monaten drechselt, sägt, schnitzt und bohrt Drechsler Hans auf dem Campus Galli in Meßkirch (Kreis Sigmaringen) schon an ihm herum. Jetzt passt er die letzten Bauteile an. Für den Aufbau auf der Ladefläche. In einigen Tagen soll der neue Karren nämlich schon zum Einsatz kommen. Dann wird das Getreide geerntet. Mit dem Karren soll es über den Campus transportiert werden. Mit reiner Muskelkraft: Vorne an den beiden Holmen zieht ein Mitarbeiter, und je nach Gewicht schieben mehrere Mitarbeiter von hinten.

Drechsler war im Mittelalter Wagenbauer
Es ist nicht ungewöhnlich, dass gerade der Drechsler auf dem Campus Galli die Karren baut. "Der Drechsler war schon im frühen Mittelalter der Wagenbauer", meint Hans und passt die letzten Hölzer für den Aufbau auf der Ladefläche an. Das Drechslerhandwerk ist eines der ältesten Gewerke der Erde. Gedrechselte Funde gibt es bereits aus dem 7. Jahrhundert vor Christus aus Italien. Im 8. und 9. Jahrhundert zählten die Drechsler zu den sogenannten notwendigen Handwerken. Auf dem Bauplan zum Kloster von St. Gallen aus dem Jahr 820 ist für sie sogar ein eigener Raum eingezeichnet.
Eiche für die stark belasteten Teile
Es ist bereits der dritte Karren, den Drechsler Hans auf dem Campus Galli hergestellt hat. Um möglichst authentisch die mittelalterlichen Karren bauen zu können, orientiert sich der Handwerker an Funden und Abbildungen aus der Buchmalerei. Drei Monate braucht er für ein solches Gefährt. Hans hat Radnaben und Speichen aus hellem Eichenholz gedrechselt, die Ladefläche aus Esche zusammengebaut. Die beiden Holme zum Ziehen hat er aus einer einzigen Esche herausgesägt. " Der Baum war so krumm und lies sich so gut spalten, der wollte ein Karren werden", meint Hans lächelnd.

Das Wichtigste am Karren: Die Räder
Die Arbeit an den Karren beginnt immer bei den Rädern. Die sind auch das Schwierigste. Die ersten Räder hat Drechsler Hans komplett aus Holz gebaut. So wie es sie im frühen Mittelalter gab und wie man es aus verschiedenen Funden auch heute noch sehen kann.
Doch auf dem Campus Galli, mit seinen Kieswegen und den schweren Lasten, die transportiert werden müssen, wie etwa Steine oder Baumstämme, hielt der Karren nicht lange. Da können schon einmal Lasten von bis zu einer dreiviertel Tonne zusammen kommen. Die Räder zerbröselten im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb hat der Schmid zwei große Eisenringe gefertigt, die nun um das Rad liegen und das Holz schützen.

Während Hans mit dem Schneckenbohrer Löcher in das helle Eschenholz bohrt, sitzt Michael im Unterstand neben der Drechslerhütte. Zwei Wochen ist er als Freiwilliger auf der Baustelle, jetzt schält er Haselnussstöcke. Die geschälten Haselnussstangen werden später auf den Aufbau der Ladefläche gesteckt. Das sieht dann so ähnlich aus wie ein Käfig, für Getreide und Heu. Aber auch schwere Steine, sperrige Stämme und Lehmkörbe werden dann übers Gelände transportiert. Wie im Mittelalter eben. Funktional und schnörkellos, ohne Schnitzereien und Verzierungen. Auf das verzichtet Hans ganz, auch wenn es ihn manchmal schon etwas in den Fingern gejuckt hat.
"Dann hängt man sein Herz so rein, dass man umso trauriger ist, wenn er dann mal kaputt ist"
Sobald der Aufsatz fertig ist macht Hans eine kleine Probefahrt quer übers Gelände. Dann wird der neue Karren bei den täglich anfallenden Arbeiten eingesetzt. Und hoffentlich pfleglich behandelt, lacht Hans. Drei Jahre auf dem Campus Galli, so hofft der Drechsler, könnte der neue Karren dann überstehen.