Polizei Ofterdingen (Foto: SWR, Anette Hübsch)

Immer mehr Proteste von Impfgegnern auf dem Land

Proteste gegen Corona-Auflagen: Wie sich der Ort Ofterdingen wehrt

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Anette Hübsch

Seit Monaten ist Ofterdingen (Kreis Tübingen) Schauplatz von Demonstrationen. Sie werden vor allem von einem Impfskeptiker angestoßen. Doch es gibt auch Gegen-Demos.

Großdemonstrationen gegen die Corona-Politik gibt es wegen der hohen Infektionszahlen nicht mehr. Die Querdenker, Coronaleugner, Impfskeptiker und Verschwörungstheoretiker organisieren jetzt Demos in kleineren Städten und immer häufiger auch in ländlichen Regionen. Dort gehen sie vor allem montags auf die Straße.

Ein einzelner Impfskeptiker mischt Ofterdingen auf

Im Kreis Tübingen hat sich Ofterdingen im vergangenen Jahr als Ort von Anti-Corona-Protesten hervorgetan. Das liegt vor allem an einer einzelnen Person. Viele im Ort kennen sie. Seit Beginn der Corona-Pandemie macht der Mann mit seiner Frau und seinen zwei Kindern immer wieder von sich reden in dem 5.400-Einwohner-Dorf.

Gemeinde setzt auf Deeskalation

Schon mehrfach lud er Gleichgesinnte zu Demos gegen die Corona-Auflagen ein. Viele folgten seinen Aufrufen in den sozialen Medien. Die Gemeinde ließ ihn gewähren und sah von einem generellen Verbot der Demos ab, erzählt der Leiter des Mössinger Ordnungsamts, Klaus Preisendanz. Man setze auf Deeskalation.

"Wenn ich das so sehe, gibt es eigentlich keine Veranlassung, da auf Konfrontationskurs zu gehen. Das Verwaltungsgericht hat ja auch jüngst in einem Urteil beschlossen, dass nicht angemeldete Versammlungen nicht verboten werden dürfen."

Impfärzte mit KZ-Arzt Mengele verglichen

Bei vielen in Ofterdingen war allerdings eine Grenze überschritten, als der Impfskeptiker auf einer seiner Kundgebungen die Impfärzte in der Corona-Pandemie mit dem KZ-Arzt Josef Mengele verglich. Damals gab es eine Anzeige. Gegenüber dem SWR sagte er, dass er das so nicht mehr sagen würde; er hätte die Medienwirkung seines Vergleichs unterschätzt. Gegen Corona impfen lasse er sich nicht, so der Impfskeptiker. Der Impfstoff habe nur eine Sondergenehmigung und das Impfen gleiche einem großen Experiment, an dem er nicht teilnehmen wolle.

Kreative Gegen-Demos

Nach den Aufmärschen der Impfskeptiker und Coronaleugner, die auch von außerhalb zu den Demos kamen, fühlten sich viele im Dorf nicht mehr wohl und wollten ein Zeichen setzen, sagte einer der Initiatoren, die schon im vergangegnen Jahr zu Gegen-Demos aufriefen. "Wir waren einfach der Meinung, dass das nicht unser Dorf ist. Dass wir nicht so wahrgenommen werden wollen", sagt einer der Initiatoren. Mit verschiedenen, kreativen Aktionen protestierten sie gegen die Aufmärsche der Impfskeptiker. Mal spielten sie Clowns und standen mit Kostümen an der Straße, als die Protestierenden vorbeizogen, mal riefen sie die Ofterdinger dazu auf, die Rollläden im Dorf runter zu lassen, als die Impfgegner unterwegs waren. Die Gegen-Demos fruchteten, so die Initiatoren des leisen und lustigen Protests. Eine Zeitlang war Ruhe im Dorf.

Proteste gegen die Maskenpflicht an der Ofterdinger Schule

Doch nach den Sommerferien machte der Impfgegner erneut mobil: dieses Mal gegen die Schule und die Maskenpflicht, die in Baden-Württemberg seit Schulbeginn wieder gilt. Seinen neunjährigen Sohn befreite er vom Unterricht mit einem Attest, das er sich von einem Arzt holte. Die Schulleitung wollte das Attest aber nicht anerkennen und meldete den Fall dem Schulamt. Wegen 51 Fehltagen schickte das Ordnungsamt Anfang Januar den Eltern einen Bußgeldbescheid. Die waren empört und luden am darauffolgenden Montagabend zu einem "Naturspektakel Sternenhimmel" in Ofterdingen ein. Gut 300 Leute kamen. Sie trafen sich auf dem Parkplatz der Schule und liefen durch den Ort, erzählt Ofterdingens Bürgermeister Joseph Reichert. Für ihn sei sonnenklar, dass die Eltern ihre Anhänger mobilisierten, um gegen den Bussgeldbescheid in Höhe von knapp 2.700 Euro zu protestieren.

Die Frist für den Bußgeldbescheid läuft Ende Januar aus. Dagegen will er rechtlich vorgehen, sagte der Vater dem SWR. Sein Sohn könne keine Maske tragen, sonst bekomme er keine Luft und Kopfschmerzen. Um mögliche Folgeschäden auszuschließen, habe sein Hausarzt dem Kind ein Attest ausgestellt.

Gegner rufen zu Sofa-Protesten auf

Die Ofterdinger Initiative hat mittlerweile zu sogenannten Sofa-Protesten aufgerufen. Damit regt sie an, für jeden Menschen, der gegen Corona protestiert, Geld an die internationale Impfkampagne Covax zu spenden. Auf einer Internetseite können Spendenwillige sich registrieren, erklärte ein Initiator. Im Grunde genommen sei dann jeder Querdenker dafür verantwortlich, dass irgendwo auf der Welt geimpft werde, weil gleichzeitig für eine Impfung gespendet werde. Damit wollen sie das Vorgehen der Corona-Leugner, Impfskeptiker und Querdenker konterkarieren, also witzig unterlaufen und umdrehen.

Tübinger Politologe warnt vor "gesteuerter Bewegung"

Der Tübinger Politologe Oliver Schlumberger hält solche Aktionen für wichtig. Sie setzten ein Zeichen. Die Mehrheit der Bürger stehe hinter den Corona-Auflagen der Politik, nur eine Minderheit protestiere dagegen, so Schlumberger. Außerdem warnt er vor der Gefahr einer immer mehr gesteuerten Bewegung der Anti-Corona-Proteste.

"Wir wissen, dass diese Bewegung insgesamt abnimmt, nicht zunimmt. Die Bewegung als solche wird nicht größer, aber sie wird besser organisiert und sie radikalisiert sich und darin liegt natürlich eine Gefahr."

Am vergangenen Montagabend war es in Ofterdingen übrigens völlig ruhig. Der Ofterdinger Impfskeptiker hatte über Soziale Medien seine Anhänger nach Tübingen geschickt.

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