Statt 30 Euro nun 120 Euro pro Jahr für einen Parkplatz bezahlen! Viele Bewohner der Reutlinger Innenstadt und einiger Gebiete drumherum haben sicher heftig geschluckt, als sie hörten, dass der Preis für eine Anwohnerparkberechtigung auf das Vierfache steigt. Auch im Gemeinderat war heftig über die drastische Erhöhung diskutiert worden. Nichtsdestotrotz wurde sie beschlossen. Nun müssen die Betroffenen tiefer in die Tasche greifen, wenn sie in ihrem Wohngebiet ein Auto auf einem kostenpflichtigen öffentlichen Parkplatz abstellen wollen - ohne jedes Mal ein (noch teureres) Ticket aus dem Parkschein-Automaten zu ziehen. Für bestimmte Gruppen, etwa für Menschen mit Seh- oder Gehbehinderung, gibt es Ermäßigungen.
Überblick: bestehende und kommende Zonen mit Parkraumbewirtschaftung

Reutlingen hat Gebühren seit knapp 30 Jahren nicht erhöht
Die Reutlinger Stadtverwaltung hält die Erhöhung für längst überfällig und angemessen. Denn die bisherige Gebühr von 30 Euro wird seit 1993 kassiert, ist also trotz aller Kostensteigerungen noch nie erhöht worden. Und, so wird argumentiert, die Zahl der Autos und der Parkdruck auf öffentlichen Straßen hätten zugenommen. Dadurch sei der "Wert des Bewohnerparkrechts" deutlich gestiegen. Zudem würden für Grünanlagen sowie den klimaschonenden Bus- und Radverkehr immer mehr öffentliche Flächen gebraucht, weshalb der Platz fürs Parken knapper wird. Die Gebühr soll dem städtischen Konzept zufolge auch ein Anreiz sein, mit der knapper werdenden Ressource Parkraum sparsam umzugehen.
Verärgerung nicht nur wegen Preiserhöhung
Für weitere Debatten sorgte die Tatsache, dass man für jährlich 120 Euro ja keinen festen Stellplatz bekommt. Man erkauft sich lediglich das Recht, kein Parkticket ziehen zu müssen, falls man in seinem Wohnbezirk eine freie Parklücke findet. Das kann allerdings schwierig werden oder lange Suchfahrten erfordern. Zum einen, weil auf den öffentlichen Flächen auch Nicht-Anwohner parken dürfen. Zum anderen gibt die Stadt teils viel mehr Parkberechtigungen aus, als Plätze in den betroffenen Arealen vorhanden sind.
Park-Flucht in altstadtnahe Wohngebiete
Seit 1993 hat die Reutlinger Stadtverwaltung immer mehr Parkplätze in und am Rande der Altstadt gebührenpflichtig gemacht. Reutlingens Verkehrsplaner Gerhard Lude musste feststellen: Wenn irgendwo Gratisparkplätze wegfallen, suchen Autonutzer in angrenzenden Wohngebieten nach kostenlosen Alternativen. Seit in der Altstadt und den nördlichen Randzonen Parkscheinautomaten stehen, füllen sich die Straßenränder in den südlicher gelegenen Gebieten. Und auch ein längerer Fußmarsch zum eigentlichen Ziel, vielleicht dem Arbeitsplatz, wird wohl in Kauf genommen.
Verkehrsplaner der Stadt Reutlingen Gerhard Lude
Mehr gebührenpflichtige Parkplätze für alle
Um dieser Parkgebührenflucht in die südlich der Altstadt gelegenen Wohngebiete zu begegnen, will die Stadt Reutlingen im Laufe des Jahres auch dort Parkscheinautomaten aufstellen. Pendler, Shopping-Kundschaft, Touristen, Besucher des Kreiskrankenhauses oder des städtischen Theaters "Tonne", die bislang kostenlose Parklücken gefunden haben, müssen sich dann ans Zahlen gewöhnen. Die Stadt hätte auch gern, dass die citynahen Parkhäuser verstärkt genutzt werden, in denen es meist noch reichlich Plätze gibt. Sobald die neuen kostenpflichtigen Zonen eingerichtet sind, müssen die Anwohner auch dort 120 Euro pro Jahr zahlen, wenn sie eine Parkberechtigung möchten. Beim Informieren der Bürgerschaft bekommt die Stadt externe Unterstützung von Kommunikationsspezialisten, denn Reutlingen ist Modellkommune im Kompetenznetz Klima Mobil.
Tübingen staffelt Parkgebühren nach Gewicht
Während in Reutlingen für alle Autos ein einheitlicher Preis verlangt wird, setzt Tübingen auf eine Staffelung der Gebühren. In der Regel werden für ein Auto ebenfalls 120 Euro pro Anwohnerberechtigung und Jahr fällig. Wenn das Auto aber mehr als 1.800 Kilo wiegt, wie etwa größere SUVs oder Kleinbusse, müssen 180 Euro ans Rathaus gezahlt werden. Mit Ausnahmen, versteht sich, etwa bei finanziell schlechter Gestellten. Aber auch, wenn Elektronantriebe im Spiel sind.
Nach und nach sind die Tübinger Stadtteile dran
Was Reutlingen eher im Kleinen vorantreibt, will die Stadt Tübingen flächendeckend schaffen: dass immer mehr öffentliche Parkplätze nur gegen Bezahlung genutzt werden können. Noch kurz vor Weihnachten hat der Gemeinderat beschlossen, die - im Verwaltungsdeutsch - Parkraumbewirtschaftung zunächst im Stadtteil Lustnau, in der Nordstadt und einzelnen weiteren Straßen einzuführen. Laut Stadtverwaltung ist aber das Ziel, Parkgebühren auf allen öffentlichen Stellplätzen zu kassieren - als Teil der Tübinger Klimaschutz-Offensive. OB Boris Palmer (Grüne) verfolgt die Strategie, das Parken teurer und den öffentlichen Nahverkehr günstiger zu machen.