Bund prüft öffentliche Schutzräume

Bunker unter Gymnasium in Rottenburg: künftige Verwendung ungewiss

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Peter Binder
Peter Binder ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen. (Foto: SWR, Jochen Krumpe)

Im Kalten Krieg wurde er gebaut, als Krankenhaus, das vor ABC-Waffen schützen sollte. Seit über 20 Jahren wird der Bunker nicht mehr gewartet. Jetzt ist die Frage: reaktivieren?

Unter dem Schulhof des Eugen-Bolz-Gymnasiums in Rottenburg (Kreis Tübingen) verbirgt sich seit rund 60 Jahren ein Bunker. Jetzt stellt sich die Frage, was mit den Schutzräumen passieren soll.

Im Jahr 2000 schien es so gut wie undenkbar, dass es wieder einen Krieg in Europa geben könnte. Da ging die gesamte Ausstattung des unterirdischen Hilfskrankenhauses nach Afrika: Röntgengeräte, OP-Tische, Prothesen, Betten, Decken, Kopfkissen, erzählt Hausmeister Stefan Keßler beim Rundgang durch den Bunker. Seitdem werden auch die Maschinen nicht mehr gewartet.

Manuell betriebene Frischluftzufuhr im ehemaligen Schutzbunker unter dem Eugen-Bolz Gymnasium in Rottenburg mit einem von zwei ehemaligen Hilfskrankenhäusern in Deutschland. Der Bunker könnte reaktiviert werden oder auch teilweise von der Schule genutzt werden. (Foto: SWR, Peter Binder)
Wenn der Strom ausfällt und auch der Generator keinen Treibstoff mehr hat, kann man noch von Hand Atemluft in den Bunker pumpen. Das ist allerdings Knochenarbeit. Zum Dekontaminieren muss die Luft eine dicke filternde Sandschicht durchdringen.

Bund interessiert sich für Bunker

Vor kurzem war eine Staatssekretärin aus dem Bundesinnenministerium zu Gast, um sich den Bunker zeigen zu lassen. Jetzt soll eine Gruppe von Experten prüfen, ob es sinnvoll wäre und sich lohnen würde, das alte unterirdische Hilfskrankenhaus wieder betriebsfähig zu machen.

Maschinenraum (Foto: SWR, Peter Binder)
Etwa zwei Tage lang könnten die alten Schiffs-Dieselmotoren Strom erzeugen. Dann wäre der Treibstoff aufgebraucht. Lebenswichtiges ließe sich dann noch von Hand kurbeln oder pumpen.

Parkhaus für Fahrräder

Die Stadt Rottenburg hat eigentlich andere Pläne, die jetzt warten müssen. Das Eugen-Bolz-Gymnasium soll erweitert werden, dann könnte man Heizung und Lüftung im Bunker unterbringen - und ein Fahrradparkhaus.

Schmiererei an der Bunkerwand (Foto: SWR, Peter Binder)
Sieht schlimmer aus, als es ist: Früher durften die Schülerinnen und Schüler Halloween-Partys im alten Bunker feiern. Daher die Malereien blutiger Handabdrücke.

Dicke Wände, Filter aus Kies und Sand

Rottenburgs erster Bürgermeister Thomas Weigel bezweifelt, ob der Bunker tatsächlich Schutz vor ABC-Waffen bieten könnte, wie er in den 1960-Jahren gedacht war. Es gibt dicke schwer Betonklötze, mit denen man alle Türen verrammeln kann, die Zuluft wird durch einen dicken Filter aus Sand angesaugt. Aber Weigel gibt zu bedenken, dass man in Amerika zu jener Zeit auch eine über den Kopf gelegte Zeitung als möglichen Schutz bei einem Atomschlag betrachtet habe. Außerdem hätten sich auch die Waffen verändert.

Zwei Männer stehen im Schutzbunker (Foto: SWR, Peter Binder)
Eine Zusatzfunktion im Bunker: Von hier könnte man Rottenburgs Kernstadt mit Grundwasser versorgen, sollte das oberirdische Trinkwasser verseucht oder verstrahlt sein.

Bunker beklemmend eng im Katastrophenfall

Bis zu 1.500 Menschen hätten im Katastrophenfall Platz in dem Bunker gefunden. In den engen Krankenzimmern hätten sie dicht an dicht gelegen, in Stockbetten jeweils drei Patienten übereinander. Thomas Weigel stellt sich die Situation sehr beklemmend vor: die Kälte, den hallenden Beton, die Schreie der Verwundeten.

"Da ist man in jedem Moment damit konfrontiert, dass das Leben komplett aus den Fugen gebracht ist, wenn man hier unten untergebracht wird."

Küche im ehemaligen Schutzbunker unter dem Eugen-Bolz Gymnasium in Rottenburg mit einem von zwei ehemaligen Hilfskrankenhäusern in Deutschland. Der Bunker könnte reaktiviert werden oder auch teilweise von der Schule genutzt werden. (Foto: SWR, Peter Binder)
Die Küche im Bunker war dafür eingerichtet, Essen für bis zu 1.500 Personen zu erwärmen.

Keine Nahrungsmittel mehr auf Vorrat

Die Küche im Bunker war nie zum Kochen gedacht, nur zum Erwärmen von Speisen aus Dosen. Auch die wurden bis zur Jahrtausendwende immer wieder erneuert, inzwischen ist der große Vorratsraum leer, die Küche verfällt. Auch das Abgasrohr des Feldküchen-Motors ist von Rost zerfressen.

Ehemaliger Schutzbunker unter dem Eugen-Bolz Gymnasium in Rottenburg mit einem von zwei ehemaligen Hilfskrankenhäusern in Deutschland. Teile der Rohrleitungen sind stark beschädigt. Der Bunker könnte reaktiviert werden oder auch teilweise von der Schule genutzt werden. (Foto: SWR, Peter Binder)
Sollte der Bund entscheiden, dass er den Bunker wieder betriebsbereit machen will, gäbe es noch viel zu tun.

Sicherung zum Unfallschutz

Hausmeister Stefan Keßler sieht seine Aufgabe im Bunker derzeit vor allem darin, Unfälle zu verhindern. Würde er nicht gelegentlich eine Stahltür an der nächste Wand verschrauben, könnte es passieren, dass sie aus ihrem rostigen Rahmen fiele und jemanden verletzte.

Experten der Bundesregierung prüfen den Bunker

Zur Zukunft des Bunkers sollen bis Frühjahr 2023 erste Ergebnisse der Expertengruppe vorliegen. Mit einem endgültigen Bescheid der Bundesregierung rechnet die Stadt Rottenburg nicht vor Ende kommenden Jahres.

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