Mutmaßliche Täter aus Raum Tübingen und Konstanz

Großer Drogenprozess in Tübingen: Durch Chatverläufe aufgeflogen

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Zwei Männer und eine Frau sollen kiloweise Drogen verkauft haben. Seit Montag wird gegen sie wegen bandenmäßigen Drogenhandels am Tübinger Landgericht verhandelt.

Um so große Mengen geht es selten: 75 Kilo Marihuana, zehn Kilo Haschisch, 14 Kilo Amphetamin und 750 Gramm Kokain. Die Angeklagten kommen aus dem Raum Tübingen und Konstanz. Sie sollen im Jahr 2020 im großen Stil Drogen verkauft haben. Der mutmaßliche Gewinn: fast 350 000 Euro.

Landgericht Tübingen von außen, schräg untersichtig, bei blauem Himmel (Foto: SWR, Magdalena Knöller)
Am Landgericht Tübingen wurde das Urteil zum toten Säugling gesprochen.

Fußfesseln wegen Fluchtgefahr

Jetzt läuft das Verfahren gegen sie. In Handschellen und Fußfesseln werden die beiden Männer in den Gerichtssaal geführt. Seit Juli sind sie in Untersuchungshaft. An der Anklagebank angekommen, nehmen die Beamten ihnen die Handschellen ab. Die Fußfesseln bleiben coronabedingt dran. Wegen des hohen Krankenstands seien zu wenige Beamten im Haus, die eine Flucht verhindern könnten, erklärt die Richterin.

Die dritte Angeklagte, eine 44-Jährige, ist nicht mehr in Untersuchungshaft. Sie ist geständig und seit August auf freiem Fuß. Vorgeworfen wird den dreien bandenmäßiger Drogenhandel.

Drogentransporte im großen Stil

Sie sollen mehrfach Drogen zwischen den Städten Badenweiler, Tübingen, Freiburg und Berlin transportiert und verkauft haben. Die Arbeit hätten sie sich geteilt, so die Anklage. Der 24-Jährige aus dem Raum Tübingen soll hauptsächlich für die Lagerung der Drogen in Erdbunkern und Fahrzeugen zuständig gewesen sein, der 54-Jährige aus der Bodensee-Region für die Beschaffung und den Verkauf und seine Ex-Lebensgefährtin als Fahrerin. Ein vierter Name fällt immer wieder in der Verhandlung: der des mutmaßlichen Chefs. Der Mann aus dem Raum Tübingen sitzt aber nicht auf der Anklagebank. Er ist untergetaucht.

Verhängnisvolle Chatnachrichten

Als Hauptbeweismittel dienen dem Gericht Chatnachrichten aus einer Art WhatsApp, die viele Kriminelle nutzen: EncroChat. Der Anbieter hatte verschlüsselte Handys verkauft. Auf ihnen war ein angeblich abhörsicheres Chatprogramm. In einer großangelegten Aktion ist es der europäischen Polizeibehörde Europol im Jahr 2020 gelungen, die EncroChat-Handys zu knacken und hunderttausende Chatverläufe mitzulesen. Zahlreiche Verhaftungen folgten. Allein in Deutschland laufen aktuell rund 2.700 Ermittlungsverfahren, die aus den abgehörten Handychats entstanden. Darunter auch das aktuelle Verfahren am Landgericht Tübingen.

Die gelernte Arzthelferin ist geständig

Meister Proper, Liquid und Mister42 sollen die Angeklagten sich im Chat genannt haben. Dort sollen sie ihre Aktionen geplant und verabredet haben. Die Angeklagte ist geständig. Die gelernte Arzthelferin gab zu, Drogen transportiert und Kokain verkauft zu haben. Sie sei damals arbeitslos gewesen und über ihren damaligen Lebensgefährten in die Sache hineingerutscht, sagt sie. Ihr 54-jähriger Ex-Lebensgefährte bestritt die meisten Vorwürfe. Der arbeitslose KFZ-Mechaniker räumte lediglich ein, Transportfahrten gemacht zu haben. Er behauptete aber, nicht gewusst zu haben, was er transportierte. Der 24-jährige Angeklagte wurde noch nicht vernommen. Er kündigte an, beim nächsten Verhandlungstag aussagen zu wollen.

Ein Geständnis könnte sich positiv auswirken

Sollte sich der bandenmäßige Drogenhandel bestätigen, drohen den Angeklagten fünf Jahre Freiheitsstrafe. Ein Geständnis könnte sich strafmildernd auswirken, so die Tübinger Richterin. Außerdem soll der mutmaßliche Gewinn von fast 350.000 Euro eingezogen werden.

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