Wärmeenergie vom Dach von Ritter Sport

In Dettenhausen ist eine deutsche Rekord-Solaranlage eingeweiht worden

Stand
AUTOR/IN
Luisa Sophie Klink

Die Solarthermieanlage misst 2.300 Quadratmeter und wandelt Sonnenstrahlen in Wärmeenergie um. Doch wie sieht's allgemein mit der Solarenergie in Baden-Württemberg aus?

Ein weiterer Schritt in Richtung Klimaneutralität bis 2040 ist getan: Die Stadtwerke Tübingen haben gemeinsam mit dem Schokoladenhersteller Ritter Sport und der Ritter Energie- und Umwelttechnik ein modernes und ökologisches Wärmekonzept für Dettenhausen (Kreis Tübingen) entwickelt.

In der derzeit größten Dach-Solarthermieanlage Deutschlands sollen jährlich sieben Millionen Kilowattstunden klimafreundliche Wärme im Zusammenspiel mit Blockheizkraftwerk (BKHW) und Wärmepumpe erzeugt werden, heißt es von den Stadtwerken Tübingen. 20 Prozent der Wärmeenergie werden aktuell von der Solarthermieanlage erzeugt, 75 Prozent steuern Blockheizwerk und Wärmepumpe bei. Künftig will man den Anteil erneuerbarer Energien noch erhöhen, indem eine Biomasse-Verbrennungsanlage beispielsweise für Pellets oder Hackschnitzel integriert wird.

Die Solarmodule auf dem Dach des Lagers von Ritter Sport (Foto: SWR, Kay-Uwe Hennig)
Die Solaranlage liefert Energie für die Wärmeversorgung Dettenhausen

Die neue Energiezentrale in Dettenhausen ist zusammen mit der Solarthemieanlage seit Mai 2022 in Betrieb. Grünes Licht hatte der Gemeinderat Ende 2020 gegeben, sodass mit den Bauarbeiten bereits im Februar letzten Jahres begonnen werden konnte.

Besonders viele Sonnenkollektoren in Kreisen wie Rottweil und Freudenstadt

Den Umweltämtern des Bundes und des Landes zufolge sind die Zahlen der neu installierten Solarthermieanlagen seit einigen Jahren rückläufig. Laut Bundesumweltamt ist die Zahl an Sonnenkollektoren von circa 1,2 Millionen Quadratmetern im Jahr 2012 auf rund 500.000 Quadratmeter im Jahr 2019 zurückgegangen. "23 Prozent aller Kollektoren Deutschlands sind in Baden-Württemberg installiert", heißt es seitens des Landesumweltamts. Dabei gehe es aber nicht nur ums Warmwasser: "Etwa jede dritte neue solarthermische Anlage wird nicht nur zur Warmwasserbereitung genutzt, sondern auch zur Unterstützung der Heizung, sozusagen als Kombianlage."

Durchschnittlich kämen auf 1.000 Einwohner in Baden-Württemberg rund 420 Quadratmeter Kollektorfläche. Bezogen auf die Einwohnerzahlen sind nach Angaben des Landesumweltamts überdurchschnittlich viele Solarkollektoren in den Landkreisen Rottweil, Freudenstadt, Schwäbisch Hall, Tuttlingen und im Hohenlohekreis installiert. Eine unterdurchschnittliche Nutzung sei vor allem in den Stadtkreisen vorzufinden, was hauptsächlich auf den dort vergleichsweise geringen Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern zurückzuführen sei.

Solarthermie - ein Auslaufmodell?

Auf Dachflächen treten Solarthermie- mit Photovoltaik-Anlagen in Konkurrenz, heißt es auf Anfrage des SWR von der Klimaschutzagentur des Landkreises Reutlingen. Sie ist eine von 30 kreisweit tätigen Energieagenturen, die zusammen mit der Landesenergieagentur KEA-BW bei der Umsetzung der Klimaschutzziele Baden-Württembergs helfen. Photovoltaik-Anlagen würden einen weitaus größeren Nutzen mit sich bringen, da der erzeugte Strom über eine Wärmepumpe ebenfalls zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden könne. "Solarthermie ist noch bei der Wärmeerzeugung für Wärmenetze wie beispielsweise in Dettenhausen interessant, weil große Wärmepumpen mit entsprechenden Leistungen bisher sehr teuer waren", so die Klimaschutzagentur. Das werde sich mit der kommenden Bundesförderung für effiziente Wärmenetze jedoch ändern, heißt es weiter. Die Klimaschutzagentur rechnet daher damit, dass solarthermische Anlagen in Zukunft auch in der Freifläche verdrängt werden.

Fossile und erneuerbare Energiequellen

Um einen Vergleich zu fossilen Energiequellen zu ziehen: Laut baden-württembergischem Umweltministerium können mit Hilfe von Solarthermie in Deutschland pro Quadratmeter Kollektorfläche jährlich rund 400 bis 550 Kilowattstunden an Sonnenwärme gewonnen werden. Dies entspricht in etwa einem Heizwert von 50 Litern Öl.

Ungefähr sechs Quadratmeter Flachkollektoren mit einem Speicher von 300-Litern brauche ein Vier-Personen-Haushalt, um jährlich 50 bis 65 Prozent an Warmwasserbrauch einzusparen. Dabei würden pro Jahr etwa 900 Kilogramm Kohlendioxid vermieden, so das Landesumweltministerium.

Photovoltaikanlagen nehmen zu

Einer Statistik des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) zufolge wurden im ersten Halbjahr 2022 bereits 22.545 Photovoltaikanlagen installiert. Das sind über 4.500 Anlagen mehr als im ersten Halbjahr 2021, Tendenz steigend. Das zeigt auch die Statistik des baden-württembergischen Umweltministeriums. Bis auf einen kleinen Einbruch 2016 hat die Zahl der installierten Photovoltaikanlagen seit 2000 stetig zugenommen. Im Jahr 2020 wurden bundesweit Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 5,1 Gigawatt neu installiert, davon entfallen gut 616 Megawatt auf Baden-Württemberg. Schwerpunkte beim Zubau zeigten sich in den südlichen Bundesländern.

Photovoltaikpflicht in Baden-Württemberg

Seit 1. Januar 2022 gilt aufgrund einer Novellierung des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes im Herbst 2021 eine Photovoltaik-Pflicht für neue Gebäude, die nicht bewohnt werden, und neue Parkplätze, die Platz für mehr als 35 Stellplätze bieten. Seit Mai gilt die Pflicht auch für neue Wohngebäude. Ab Januar 2023 sind Solarstromanlagen auch bei Dachsanierungen von bestehenden Gebäuden zu installieren. Nach Angaben des baden-württembergischen Photovoltaik-Netzwerkes müssen diejenigen, die einen Bauantrag für ein neues Büro-, Verwaltungs- oder Wohngebäude einreichen, 60 Prozent der solargeeigneten Dachfläche mit Solarmodulen belegen. Hintergrund ist, dass Baden-Württemberg sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2040 klimaneutral zu werden, noch fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der EU.

Stuttgart

Ab 1. Mai Solaranlagen-Pflicht ab 1. Mai in Baden-Württemberg ausgeweitet: Was man beachten muss

Ab 1. Mai gilt für Häuslebauer in Baden-Württemberg die Solaranlagen-Pflicht. Was man jetzt beachten muss, erklärt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale im SWR-Interview.  

Solarenergie im Winter nutzen

Die Entwicklung und der Ausbau von erneuerbaren Energien schreiten in Baden-Württemberg voran, doch stellt es ein Problem dar, dass die Sonne im Sommer mehr scheint, wir aber eigentlich im Winter heizen müssen? Beim BW-Umweltministerium heißt es, dass die Nutzung von Sonnenenergie in Deutschland zwar kaum von der geographischen Lage abhängig ist, jedoch dreiviertel der Sonneneinstrahlung auf das Sommerhalbjahr von April bis September entfällt. Nicht so problematisch sei das für die Warmwasserversorgung, da sie ungefähr gleichmäßig über das Jahr verteilt ist. Anders sieht es allerdings beim Thema Heizen und Stromverbrauch aus. Geheizt wird im Winter vermehrt und auch das Licht wird früher eingeschaltet. Laut Ulrich Bittner, Maschinenbauingenieur und Mitglied der Initiative "Rückenwind", ist dies ein Problem, denn die Energie könne nicht über ein halbes Jahr bis zum Winter gespeichert werden.

Solarzellen der Zukunft

In Baden-Württemberg wird derzeit auch an einem neuen Material für Solarzellen geforscht. Der vom Europäischen Forschungsrat für herausragende Forschung ausgezeichnete Wissenschaftler Michael Saliba vom Institut für Photovoltaik der Universität Stuttgart setzt auf Perowskit. Das Material sei sehr nachhaltig, effizient und günstig in der Herstellung. Außerdem soll dadurch die Lebensdauer von Solarzellen deutlich erhöht werden. Auch können mithilfe von Perowskit zusammen mit anderen Materialien sogenannte Tandemsolarzellen hergestellt werden, die einen deutlich höheren Wirkungsgrad haben. Forschung und Industrie seien besonders von der Möglichkeit begeistert, Perowskite als dünne Schichten auf biegbare, flexible Substrate aufzubringen.

Kosten der Anlagen

Dem Landesumweltministerium zufolge haben sich die durchschnittlichen Kosten für Solaranlagen zur Trinkwassererwärmung In den letzten 20 Jahren nahezu halbiert. Die mittleren Materialkosten von marktüblichen Kombianlagen zur Heizungsumrüstung für Einfamilienhäuser liegen bei 8.000 bis 12.000 Euro. Die Kosten für eine Anlage zur Warmwasserbereitung für einen Vier-Personen-Haushalt liegen bei etwa 4.000 bis 6.000 Euro.

Für eine Photovoltaikanlage müssen laut Landesumweltministerium durchschnittlich 10.000 Euro aufgewendet werden. Eine Investition lohne sich langfristig, da der Hauseigentümer den erzeugten Strom entweder einspeisen oder selbst verbrauchen könne. Haus und Grund Baden-Württemberg hingegen schätzt die Mehrkosten beim Neubau eines durchschnittlichen Einfamilienhauses durch eine Solaranlage plus Stromspeicher auf mindestens 13.000 bis 15.000 Euro. Erst nach 15 bis 20 Jahren würde sich die Investition lohnen. Fraglich sei aber, ob sich die Anlage so lange halte.

Mehr zum Thema

Freiburg

Solar-Professor aus Freiburg So kann Solartechnik die Energiewende schaffen

Ein Auto mit Solarzellen auf dem Dach. Weiße Solarzellen an Häuserwänden. Das ist die Zukunft der Energiewende, sagt Professor Stefan Glunz vom Fraunhofer-Institut ISE in Freiburg.

Schweiz

Thailand macht es vor Energiewende: Schweiz will auf natürlichen Seen Solarenergie erzeugen

Die Schweiz will in der Energiewende jetzt voran kommen. Das Alpenland plant, die Sonne auf seinen großen Seen zu nutzen.

Stand
AUTOR/IN
Luisa Sophie Klink