Chance oder Risiko?

Energie aus dem Boden: Neues Landratsamt Reutlingen setzt auf Geothermie

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Luisa Sophie Klink

Das Reutlinger Landratsamt will mit einer positiven Klimabilanz glänzen. Geothermie soll das Gebäude heizen und kühlen. Doch wie wirkt sich das auf den Boden aus?

Für den Neubau des Landratsamts Reutlingen werden derzeit pro Woche vier bis fünf Bohrungen für eine oberflächennahe Geothermie vorgenommen. Mit Erdwärme aus bis zu 140 Metern Tiefe soll der Neubau geheizt, gekühlt und mit warmem Wasser versorgt werden.

Geothermie - Erdwärme, also Energie aus dem Boden, soll gut fürs Klima sein - zumindest grundsätzlich?

Landratsamt Reutlingen nutzt für Neubau erneuerbare Energien

Die geothermische Anlage wurde laut Landratsamt von Experten "passgenau auf das Gebäude ausgelegt". 63 Sonden sollen dafür bis zum 11. April senkrecht in die Erde eingebracht werden und die Erdwärme über rund 40 kilometerlange Rohrleitungen transportiert werden. Wärmepumpen und eine Photovoltaikanlage runden das "Energiekraftwerk" ab. 38.000 Liter Wärmeträgerflüssigkeit befinden sich in den Leitungen, die dem Erdreich Wärme entziehen und an der Oberfläche an die Wärmepumpen wieder abgegeben werden.

Gibt es da vielleicht auch einen Haken oder ist das das Mittel der Wahl, wenn es um erneuerbare Energie geht? Mancher denkt bei Bohrungen in der Erde gar an "Fracking".

Geothermie-Bohrungen: Einfach gut fürs Klima oder auch gefährlich?

Energiegewinnung durch Geothermie-Bohrungen kann grundsätzlich ein positiver Ansatz im Kampf gegen den Klimawandel sein, allerdings kann eine Bohrung in die Erde auch ein Risiko bedeuten. Zumindest sei dies nie ganz ausgeschlossen, so der Hydrologe Olaf Cirpka von der Universität Tübingen gegenüber dem SWR. Beispielsweise könnte eine Leitung ein Leck bekommen und die Wärmeträgerflüssigkeit auslaufen. Ob das Grundwasser dadurch aber überhaupt gefährdet wäre, müsse man im Einzelfall prüfen.

Und wie ist das jetzt beim neuen Landratsamt in Reutlingen?

Eine Erdbebengefahr sei ebenso wenig zu erwarten wie Gestein, das an der Stelle des Neubaus quellen oder weg geschwemmt werden könne und somit Risse und Verschiebungen der Erdoberfläche mit sich bringen könnte. "Geologische Karten können gut Auskunft über die Bodenbeschaffenheit geben", so Cirpka. Auch lernten die Experten aus bisherigen negativen Erfahrungen mit Geothermie-Bohrungen wie beispielsweise in Wurmlingen (Kreis Tübingen) oder Staufen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) und legten noch strengere Maßstäbe an die Begutachtung der Maßnahmen an. Unter dem Landratsamt Reutlingen sei daher kein kritisches Gestein zu erwarten. Auch handelt es sich nicht um eine Tiefen-Geothermie, wobei mehrere Kilometer tief gebohrt wird und die laut Cirpka als "Fracking" bezeichnet werden kann.

Millionenbau soll 2026 fertiggestellt sein

Der rund 22.000 Quadratmeter große Neubau soll 170 Millionen Euro kosten. Dafür nimmt der Kreis Reutlingen laut Landratsamt Kredite in Höhe von 105 Millionen Euro auf. Darüber hinaus werde der Bau über Fördermittel, Rücklagen und die laufenden Haushalte der kommenden Jahre finanziert, heißt es. Bislang ist das Landratsamt Reutlingen auf 27 Gebäude in der Oststadt verteilt.

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