Mutterkühe und ihre Kälber im Biobetrieb Reutter in Tübingen-Hagelloch (Foto: SWR, SWR / Ulrike Mix)

Seit fünf Jahren Biolandwirt - aber kein Fundamental-Öko

Alles Bio - alles gut? Der Tübinger Christian Reutter zieht Bilanz

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Ulrike Mix

Der Tübinger Biolandwirt Christian Reutter macht nicht Bio, weil er es für das einzig Richtige hält. Er ist aus wirtschaftlichen Überlegungen umgestiegen. Würde er es wieder tun?

Christian Reutter sieht Bio in der Landwirtschaft als ein zweischneidiges Schwert. Klar, auf Kunstdünger oder Pflanzenschutzmittel zu verzichten, findet auch er gut. Trotzdem will er nicht schlecht reden über all die, die weiter auf konventionelle Landwirtschaft setzen.

"Alle sind Bauern, egal ob jetzt einer Demeter macht oder nicht. Völlig egal. Wir haben alle das gleiche Ziel, nämlich die Menschen zu ernähren. Das ist die Königsaufgabe der Landwirtschaft."

Nur Bio geht nicht, wenn wir die Welt ernähren wollen

Und damit ist Christian Reutter gleich beim Thema: Bio ist schon gut, aber nur Bio geht nicht. Wenn in Deutschland alle Landwirte biologisch erzeugen würden, könnte Deutschland sich nicht selbst ernähren. Dafür reiche schlicht die landwirtschaftliche Fläche nicht aus. Denn auf einem Bio-Acker wird rund die Hälfte von dem geerntet, was Landwirte auf einem konventionell bewirtschafteten Acker ernten. Das bestätigt auch der Landesbauernverband Baden-Württemberg. Es gebe zwar keine genauen Zahlen, sagte dessen stellvertretender Hauptgeschäftsführer Horst Wenk dem SWR, aber so wie heute könnten wir uns mit Bio sicher nicht ernähren. Wenn es mehr Vegetarier und Veganer gäbe, dann ginge es vielleicht.

Tübinger setzt auf Bio aus wirtschaftlichen Gründen

Zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland werden aktuell biologisch bewirtschaftet. Der Bioanteil wächst zwar seit Jahren, aber viel langsamer als sich die Politik das eigentlich gedacht hatte. Auch das grün regierte Baden-Württemberg ist von seinem selbst gesteckten Ziel weit entfernt: Derzeit sind 12 Prozent der Flächen Bio, 2030 sollen es über 30 Prozent sein - theoretisch. Anreize, auf Biolandwirtschaft umzusatteln, gibt es durchaus. Die sah auch Christian Reutter. Weil er schlechte Böden hat und mit schlechten Ernten kämpfen musste, entschied er sich vor fünf Jahren, auf Bio umzustellen. Einfach deshalb, weil da mehr rauszuholen ist. Die Bio-Prämie, die er jetzt pro Hektat vom Staat bekommt, liegt um rund hundert Euro höher als die Prämien, die er vorher erhielt.

Christian Reutter aus Tübingen-Hagelloch hat seinen Hof vor fünf Jahren auf Bio umgestellt - aus wirtschaftlichen Gründen (Foto: SWR, SWR/Ulrike Mix)
Christian Reutter aus Tübingen-Hagelloch hat seinen Hof vor fünf Jahren auf Bio umgestellt - aus wirtschaftlichen Gründen.

Christian Reutter ist nicht der einzige Landwirt, der Bio macht, ohne ein Fundamental-Öko zu sein: Sein Kollege Alexander Schäfer aus Ratshausen im Zollernalbkreis bewirtschaftet seine Flächen schon seit 30 Jahren ökologisch. Bei ihm sei das nicht schwer, meint er. Er hat nur Weideland und erzeugt Bio-Rindfleisch. Schäfer vermarktet jedes Jahr 15 Tonnen Fleisch von Angus-Rindern. Auf Bio umgestellt hat auch er schlicht deshalb, weil er da höhere Prämien bekommt.

Umstellen auf Bio beim Ackerbau nicht so einfach

Die Umstellung bei Ackerland findet Schäfer schwieriger als bei der Viehhaltung. Christian Reutter aus Tübingen-Hagelloch wusste das. Seine vielen Äcker auf Bio umzustellen, machte tatsächlich viel Arbeit - und er musste Lehrgeld zahlen, sagt er. Im ersten Jahr lief noch alles glatt: Die Böden hatten noch Reserven vom Kunstdünger, den er jahrzehntelang aufgebracht hatte. Unkraut gab es kaum, weil er ja immer Unkrautvernichtungsmittel gespritzt hatte. Im zweiten Jahr waren die Reserven im Boden weg. Die Ernten wurden geringer. Das Unkraut kam hoch. Biolandwirte haben beim Unkraut nur eine Chance: Sie kämmen ihre Äcker im Herbst und im Frühjahr mit einem sogenannten "Striegel" durch, einer Maschine, die die jungen Unkrautpflanzen herausreißt. Das funktioniert, sagt Reutter. Aber nur, wenn der Boden im Herbst und Frühjahr nicht zu matschig ist, so dass man den Acker befahren kann. Wenn er im Herbst nicht striegeln kann, hat er im Frühjahr Probleme. Das bedeutet Ernte-Einbußen.

Fünf Jahre Bio - die Bilanz von Christian Reutter aus Tübingen-Hagelloch

Während bei Alexander Schäfer klar ist, dass er bei seiner Weidelandhaltung mit Bio gut fährt und keine größeren Probleme hat, fällt die Bilanz bei Christian Reutter nicht ganz so klar aus. Es sei spannend, meint er, und er bereue die Umstellung auf Bio nicht. Auch er hat jetzt mehr Geld in der Tasche als vorher. Vorher, als konventioneller Landwirt, habe sich bei seinen schlechten Böden manchmal gefragt, wofür er sich überhaupt abrackerte. Doch neben dem Geld hat er noch einen weiteren guten Grund, bei Bio zu bleiben: Sein Hof ist gleich in der Nähe der grünen Öko-Stadt Tübingen. Wenn er früher seine Felder gedüngt oder gespritzt hat, sei er manchmal Anfeindungen ausgesetzt gewesen - bekam immer mal wieder einen Stinkefinger gezeigt. Das habe sich seit dem Umstieg auf Bio erledigt.

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