Innenstadt in Tübingen ist voll mit Menschen bei Solidaritätsaktion für Ukraine (Foto: SWR, Magdalena Knöller)

Solidarität mit der Ukraine

Friedenskundgebungen in Reutlingen und Tübingen: Gegen Krieg und für Flüchtlingshilfe

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Magdalena Knöller

Mehrere tausend Menschen haben am Wochenende auf Kundgebungen gegen den Krieg in der Ukraine protestiert, unter anderem in Reutlingen, Tübingen und Rottenburg.

Reutlingens Oberbürgermeister Keck rief am Sonntag bei einer Kundgebung zur Solidarität mit der Ukraine auf (Foto: SWR, Thomas Scholz)
Reutlingens Oberbürgermeister Keck rief am Sonntag bei einer Kundgebung zur Solidarität mit der Ukraine auf.

Mehrere hundert Menschen haben am Sonntagabend auf dem Reutlinger Marktplatz ihre Solidarität mit der Ukraine gezeigt. Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) beschwor die deutsche Gesellschaft in seiner Rede. Es könne uns nicht gleichgültig sein, wenn die Menschen in der Ukraine beschossen würden, nur weil sie in Frieden und Freiheit leben wollen. Sie bräuchten unsere Solidarität, aber auch die mutigen Menschen in Russland, die gegen den Krieg protestieren, so Keck weiter.

Hilfskonvois und Flüchtlingshilfe

Demnächst sei ein Hilfskonvoi unterwegs, weitere Hilfsaktionen würden folgen. Außerdem bereite sich die Stadt auf die Aufnahme von Geflüchteten vor. Der Reutlinger Oberbürgermeister rief zur Unterstützung auf. Bereits am Samstagvormittag demonstrierten rund 1.000 Menschen in Rottenburg. Viele waren im Narrenhäs auf den Marktplatz gekommen und verfolgten die Rede von Oberbürgermeister Stephan Neher (CDU). Die Stadt hatte ebenfalls angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen.

Kundgebung gegen Krieg in Tübingen

Am Nachmittag strömten dann ebenfalls rund 1.000 Menschen in die Tübinger Innenstadt. Politische Jugendorganisationen hatten zur Solidarität mit der Ukraine aufgerufen.Für Sätze wie "Solidarität darf am eigenen Geldbeutel nicht Halt machen" gab es bei der Friedenskundgebung am Samstag auf dem Tübinger Holzmarkt viel Applaus. Deutschland müsse wirtschaftliche Einschränkungen in Kauf nehmen, um Wladimir Putin im Krieg gegen die Ukraine zu schaden, so die Meinung der meisten Anwesenden. Viele der Demonstrierenden befürworteten am Samstag konkret auch einen Ausschluss der Russischen Föderation aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk SWIFT.

Innenstadt in Tübingen ist voll mit Menschen bei Solidaritätsaktion für Ukraine (Foto: SWR, Magdalena Knöller)

Neben Sanktionen gegen Russland auch Waffen an Ukraine?

Bei ihrer öffentlichen Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine und einer europäischen Armee kassierten die Jungen Liberalen dagegen Buhrufe in Tübingen. Als die Junge Union später von Waffenlieferungen sprach, wurde dagegen applaudiert. Diesbezüglich herrschte auf dem Tübinger Holzmarkt demnach keine Einigkeit. Zu dem Zeitpunkt der Kundgebung war noch nicht bekannt, dass die Bundesregierung der Ukraine nun doch Waffen aus Bundeswehr-Beständen zur Verfügung stellen will- unter anderem 1.000 Panzerfäuste und 500 Boden-Luft-Raketen.

"Wir möchten ein Zeichen setzen und Solidarität zeigen über die Parteigrenzen hinaus. Wir möchten, dass etwas passiert und dass es die volle Unterstützung für die Ukraine gibt und die vollen Sanktionen gegen Russland. Deshalb haben wir uns in Tübingen zusammengetan."

SWR-Umfrage in Tübingen: Was heißt für Sie solidarisch mit der Ukraine?

Der stellvertretende Kreisvorsitzende der Jugendorganisation der SPD (Jusos), Fabian Köppen, war Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine am Samstagnachmittag nicht mehr abgeneigt. "Ich schließe Waffenlieferungen nicht mehr kategorisch aus", sagte er dem SWR. Außerdem müsse Wladimir Putin mit den härtesten Sanktionen getroffen werden. Er persönlich sei dafür, die russische Föderation aus dem SWIFT-System auszuschließen. Wenige Stunden später folgte dann der Beschluss von EU und westlichen Verbündeten, russische Finanzinstitute aus dem SWIFT-System als Reaktion auf die russische Großoffensive in der Ukraine auszuschließen.

Aufnahme von Flüchtlingen aus Ukraine gefordert

Fabian Köppen berichtete, dass die Jusos bereits mit Vertretern des Tübinger Gemeinderats im Gespräch seien, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen.

"Unsere Türen sind auf, wenn Menschen Schutz suchen. Das haben wir schon 2015 gemacht. Auch jetzt müssen unsere Türen und Herzen wieder offen sein."

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Solidarität auch mit Anti-Kriegs-Demonstranten in Russland

Solidarität heißt für Anne Mann von der Grünen Jugend in Tübingen genau hinzuschauen: in die Ukraine, was dort angerichtet und den Menschen angetan wird, und auch nach Russland. Sie hat großen Respekt für die Russinnen und Russen, die in ihrem Land auf die Straßen gehen, um zu zeigen, dass sie gegen den Krieg in der Ukraine sind, und dabei drastische Folgen wie Festnahmen in Kauf nehmen. "Ich bin sehr beeindruckt von den Bewegungen, denn ich glaube, dass da sehr viel Mut dazugehört", sagte die Sprecherin der Grünen Jugend dem SWR.

Sie könne nachvollziehen, dass Menschen in Deutschland unterschiedlich über Sanktionen gegen Russland denken, dazu müsse jede und jeder ihr und seine eigene Haltung haben. Für sie sei aber klar:

"Wir müssen uns einfach überlegen, was ist es uns wert und sind wir auch bereit, Konsequenzen zu tragen, um für Frieden einzustehen? Ich denke, dass sollten wir schon tun."

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Vorsitzende des Ukraine-Vereins von Deutschland enttäuscht

Olga Garaschuk, die Vorsitzende des Ukrainischen Vereins Tübingen, sagte sie dem SWR, es sein eine "Schande", dass Deutschland zunächst gebremst habe, Russland aus dem SWIFT-Abkommen auszuschließen. Sie ist in Kiew geboren und blickt mit Entsetzen in ihre ukrainische Heimat.

"Das sind ganz schlimme Erinnerungen, die da geweckt werden. Meine Heimatstadt Kiew wurde zuletzt im Zweiten Weltkrieg 1941 bombardiert!"

Sie fordert die deutsche Bundesregierung dazu auf, Waffen in die Ukraine zu liefern. Außerdem müsse sich Deutschland unabhängig von Russland machen, was die Gaslieferungen angeht. "Wir dürfen den Diktator in Russland nicht mit unserem Geld füttern", sagte die Vorsitzende des Ukrainischen Vereins in Tübingen. Als am Samstagnachmittag noch nicht bekannt war, dass Deutschland Verteidigungswaffen in die Ukraine liefern wird, war Garaschuk tief enttäuscht von der Bundesregierung.

Hilfsgüter an die Polnisch-Ukrainische Grenze

Irene Schuster, Tübinger Stadtverbandsvorsitzende der FDP, nutzte das Zusammenkommen in der Innenstadt, um mit Olga Garaschuk Kontakt aufzunehmen. Bei ihrem Gespräch ging es um Hilfslieferungen, die von Sindelfingen aus in die Grenzregion der Ukraine gebracht werden sollen. In Sindelfingen ruft die Initiative "Helfen statt Hamstern" dazu auf, ab Dienstag, 1. März, Sachspenden wie Kleidung, Verbandsmaterial, haltbare Lebensmittel wie Reis sowie Isomatten, Decken, Rucksäcke und Hygieneartikel tagsüber bei der Galerie auf dem Marktplatz beim alten Rathaus in Sindelfingen abzugeben.

Rund 1.000 Menschen versammelten sich in Tübingen für Solidarität mit der Ukraine (Foto: SWR, Magdalena Knöller)
Kein Durchkommen mehr: Um Punkt 16 Uhr versammelten sich am Samstagnachmittag rund 1.000 Menschen in der Tübinger Innenstadt, darunter auch viele Familien mit Kindern.

Gemeinsamer Aufruf zur Solidarität mit Ukraine erfolgreich

Die jungen Initiatorinnen und Initiatoren der Friedenskundgebung in Tübingen zeigten sich überwältigt von dem großen Zuspruch. Sie hatten ursprünglich nur 100 Personen angemeldet. Gekommen waren laut Schätzung der Polizei rund 1.000 Menschen.

"Ich bin total beeindruckt und geflasht - Gänsehaut! Eine Kundgebung mit so vielen unterschiedlichen Parteien und Jugendparteien auf die Beine zu stellen, ist auch für uns nichts Alltägliches. Dass der Anklang so riesig war, freut uns."

Auch Tübinger Bürgerinnen und Bürger, die dem Aufruf gefolgt waren, hat die Solidaritätsaktion am Samstag sehr bewegt. Eine Frau sagte dem SWR, sie sei beeindruckt davon, dass die politischen Jugendorganisationen Einigkeit mit der Solidaritätsaktion für die Ukraine bewiesen hätten - und das trotz der politischen Unterschiede.

Friedenskundgebung auch in der Tübinger Nachbarschaft

In Rottenburg beteiligten sich am Samstagvormittag rund 300 Menschen an einer Friedenskundgebung gegen den Angriff Russlands auf die Ukraine. Zu der Kundgebung hatten unter anderem die Stadt, die Narrenzünfte und die Kirchengemeinden aufgerufen. Die Freiheit werde immer über den Krieg siegen, sagte der Rottenburger Oberbürgermeister Stephan Neher (CDU). Rottenburg hat sich bereits bereit erklärt, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Die Stadt ist Mitglied im Bündnis "Seebrücke". Das heißt, sie ist bereit, mehr Geflüchtete aufzunehmen, als ihr zugewiesen werden.

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