Jeden dritten Tag, so das Bundeskriminalamt, wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner, Exfreund oder Bruder getötet - nur, weil sie eine Frau war. Am Montag gingen hunderte Tübingerinnen und Tübinger deshalb auf die Straße: Tanzend wollten sie auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. Die Gründe für diese Gewaltverbrechen – Femizide genannt - sind wenig erforscht. Das wollen jetzt Expertinnen und Experten der Tübinger Universität in Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsens untersuchen. Unterstützt wird die dreijährige Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Das Opfer: eine Frau
Zwei rote Grabkerzen, ein Kuscheltier und eine Rose liegen auf dem Kopfsteinpflaster. Es sind stumme Zeugen eines Gewaltverbrechens. Das Opfer: eine Frau. Hildegard Kusicka vom Landesfrauenrat Baden-Württemberg beschäftigen diese Bilder lange, denn Frauen werden getötet, weil Frauenhass da ist, weil Frauen aus ihrer Rollenerwartung raus gegangen sind, eigne Wege einschlagen und sich damit dem männlichen Einfluss entziehen, sagt sie. Die Täter kommen aus allen Gesellschaftsschichten, egal welchen Alters: etwa der Jugendliche, der aus Eifersucht mordet. Oder der 80-Jährige, der nach 50 Jahren Ehe mordet. Oft würden Außenstehende in sollen Situationen schnell ein Urteil über die Getötete fällen, nach dem Motto: vielleicht war sie ja selber schuld – so wie sie gekleidet war, wie viel Alkohol sie getrunken hat.
Der Täter: ein Mann
Jörg Kinzig, Kriminologe an der Universität Tübingen, vermutet unterschiedliche Gründe für solche Gewaltverbrechen. Deshalb sollen bei der Studie in den nächsten drei Jahren die Akten von Strafverfahren, in denen die Tötung von Frauen geahndet wurde, genau analysiert werden. Die Akten stammen aus dem Jahr 2017. Der Vorteil ist, dass diese Verfahren meistens schon abgeschlossen sind. Die Experten wollen die Fälle kategorisieren, um besser erklären zu können, warum in bestimmten Situationen Frauen zu Opfern werden.

Die Tat: Unterschiedliche Formen der Gewalt
Häufig, so Hildegard Kusicka vom Landesfrauenrat, geschieht Gewalt hinter verschlossenen Türen: Tritte, Schläge, psychische Gewalt oder Vergewaltigung. Die traumatischen Übergriffe stehen oft am Beginn eines Gewaltverbrechens. Frauen trauen sich in vielen Fällen nicht, darüber zu reden, verharmlosen manchmal sogar die Übergriffe, und versuchen, Spuren von körperlicher Gewalt zu verstecken, weiß Kusicka. Auch hier spiele wieder die Angst ein große Rolle: Angst, den Partner zu verärgern oder ihn womöglich zu einem Gewaltverbrechen zu verleiten.
Die Studie: Mehr Schutz
Nur wenn die Hintergründe für solche Straftaten bekannt und durchschaubar sind, wenn ein klares Bild der Täter entstanden ist, sei es auch möglich, so Hildegard Kusicka, die Frauen besser zu schützen. Wichtig seien dabei alle Formen der Prävention: von Selbstverteidigung über Beratungsstellen und Notfalltelefonen bis hin zu geschützten Räumen für Frauen mit Gewalterfahrungen.
Ein bundesweites Beratungsangebot bietet das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" an. Unter der Nummer 08000 116 016 können Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben, Unterstützung finden. Die Beratung ist anonym und kostenfrei.