Aufsehenerregender Fund im Tempel von Esna

Tübinger Archäologen entdecken spektakuläres Deckengemälde in ägyptischem Tempel

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Im Tempel von Esna in Oberägypten haben Archäologen aus Tübingen und Ägypten farbenprächtige Deckenbilder freigelegt. Die Darstellungen zweier Göttinnen sind über 2.000 Jahre alt.

Bei den Deckenbildern handelt es sich nach Angaben der Tübinger Forscher um insgesamt 46 Darstellungen von zwei Göttinnen mit Kronen. Beide Göttinnen werden als Geier mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt. Die oberägyptische Göttin Nechbet hat einen Geierkopf, die unterägyptische Göttin Wadjet den Kopf einer Kobra.

Deutsche und ägyptische Forscher haben im Tempel von Esna in Oberägypten eine Serie farbenprächtiger Deckenbilder freigelegt. Wie Professor Christian Leitz von der Universität Tübingen berichtete, handelt es sich bei den reliefartig ausgeführten Bildern des mittleren Deckenabschnitts um insgesamt 46 Darstellungen der oberägyptischen Kronengöttin Nechbet sowie der unterägyptischen Kronengöttin Wadjet. Zwei der 46 Geierfiguren am zentralen Deckenbereich (Zentraltravée) von Esna. Oben die oberägyptische Kronengöttin Nechbet mit Geierkopf, unten die unterägyptische Kronengöttin Wadjet mit Kobrakopf. (Foto: Ahmed Amin / © Ministry of Tourism and Antiquities (MoTA))
Die Deckenbilder der beiden Göttinnen Nechbet und Wadjet.

2.000 Jahre lang waren die Deckengemälde von einer Dreck- und Rußschicht verdeckt, die aber dafür sorgte, dass die Gemälde konserviert wurden. Seit 2018 arbeiten das Institut für Alte Kulturen des Orients an der Universität Tübingen und das ägyptische Ministerium für Tourismus und Altertümer daran, die Malereien, Reliefs und Inschriften des Tempels freizulegen.

Deutsche und ägyptische Forscher haben im Tempel von Esna in Oberägypten eine Serie farbenprächtiger Deckenbilder freigelegt. Wie Professor Christian Leitz von der Universität Tübingen berichtete, handelt es sich bei den reliefartig ausgeführten Bildern des mittleren Deckenabschnitts um insgesamt 46 Darstellungen der oberägyptischen Kronengöttin Nechbet sowie der unterägyptischen Kronengöttin Wadjet. Die fliegenden Geier am zentralen Deckenbereich (Zentraltravée), dahinter der nördliche Querbalken (Architrav) (Foto: Ahmed Amin / © Ministry of Tourism and Antiquities (MoTA))
Decke und Wand des Tempels von Esna sind reich bemalt und verziert.

Zwar seien Tempel und Götterdarstellungen des Altertums oft mit leuchtenden Farben bemalt gewesen, sagt Professor Christian Leitz. Sie seien aber meist durch äußere Einflüsse verblasst oder vollständig verschwunden. Die nun aufgetauchten Darstellungen der beiden Kronengöttinnen waren nach Angaben der Tübinger Forscher auch der Fachwelt in ihrer Farbenpracht bislang unbekannt.

Einzigartiges Bildprogramm

Zwar hatte ein französischer Ägyptologe den Tempel von Esna und die damals sichtbaren Bildwerke bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts systematisch dokumentiert, berichtet der Tübinger Wissenschaftler Dr. Daniel von Recklinghausen. Das Bildprogramm des Tempels sei aber hinsichtlich des Reichtums der Darstellungen und des Erhaltungszustands der Farben einzigartig.

Ausschnitt eines Bildfrieses aus dem Tempel von Esna, Links ist der Ortsgott Chnum zu sehen, rechts der Himmelsgott Behedeti. (Foto: Ahmed Amin / © Ministry of Tourism and Antiquities (MoTA))
Links ist der Ortsgott Chnum zu sehen, rechts der Himmelsgott Behedeti.

Übersetzung aller Inschriften ist geplant

Mehr als die Hälfte der Decken und acht der 18 Säulen wurden bislang gesäubert, konserviert und dokumentiert. Damit lassen sich erstmalig sämtliche Dekorationselemente zueinander in Beziehung setzen, so Christian Leitz. Der Tübinger Ägyptologe plant nun eine Gesamtübersetzung der Inschriften im Tempel von Esna. Außerdem beschäftigt er sich mit den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Inschriften und Darstellungen im Inneren des Tempels.

Deutsche und ägyptische Forscher haben im Tempel von Esna in Oberägypten eine Serie farbenprächtiger Deckenbilder freigelegt. Wie Professor Christian Leitz von der Universität Tübingen berichtete, handelt es sich bei den reliefartig ausgeführten Bildern des mittleren Deckenabschnitts um insgesamt 46 Darstellungen der oberägyptischen Kronengöttin Nechbet sowie der unterägyptischen Kronengöttin Wadjet. Blick auf die neu restaurierten Kapitelle der Säulen in Esna.  (Foto: Ahmed Amin / © Ministry of Tourism and Antiquities (MoTA))
Die Halle des Tempels mit den reichverzierten Säulen.

Idealbeispiel ägyptischer Tempelarchitektur

Von dem Tempel in Esna, 60 Kilometer südlich von Luxor, ist nur die Vorhalle erhalten. Die Lage mitten im Stadtzentrum hat wohl dazu beigetragen, dass die Halle vollständig erhalten blieb. Andere antike Gebäude wurden während der Industrialisierung Ägyptens als Steinbruch genutzt.

Die Vorhalle aus Sandstein wurde spätestens unter dem römischen Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) vor das eigentliche Tempelgebäude gesetzt. Die Halle hat eine Länge von 37 Metern, ist 20 Meter breit und 15 Meter hoch. Die Halle war vermutlich deutlich größer als der Tempel selbst. Schon zu Napoleons Zeiten erregte der Bau in Fachkreisen große Aufmerksamkeit. Man betrachtete ihn als Idealbeispiel altägyptischer Tempelarchitektur.

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SWR