Es war ein elegantes Grandhotel, eines, wie es in den Goldenen Zwanzigern auch das Adlon in Berlin war. Dem Adlon ebenbürtig war das Grandhotel Waldlust in Freudenstadt durchaus. Doch das ist alles längst vorbei, das Hotel ist seit langem geschlossen und verlassen. Aber die Möbel stehen noch, es gibt Strom und Wasser. Ja, dort wollte ich einmal eine Nacht verbringen.

Denkmalfreunde sorgen sich ums Hotel
Die Denkmalfreunde Waldlust kümmern sich darum, dass das Hotel nicht kaputt geht. Sie machen manchmal Veranstaltungen dort und: sie lassen mich übernachten. Einer vom Verein empfängt mich an der Rezeption und zeigt mir die verlassenen Zimmer mit den herumstehenden Möbeln, die irgendwie verloren wirken.
Samt in der American Bar
Im Erdgeschoss wartet die American Bar. Sie ist recht anheimelnd, in plüschigem Weinrot und mit Grammophon im Eck. Dann wandere ich durch die Teesalons mit den verschlissenen Polstermöbeln, hinüber in den Ballsaal. Prächtig muss das gewesen sein, als hier die mondänen Paare in rauschenden Kostümen tanzten…

Langsam naht die einsame Nacht...
Es wird dunkel. Ich finde einen Lichtschalter. Ein Artdeco-Leuchter über mir geht an, hunderte Glitzersteinchen glimmen auf. Doch der Ballsaal wird immer größer und leerer, umso länger ich allein darin bin. Ich steige vorsichtig die spärlich beleuchtete Treppe hinauf. Ich wünschte, ich hätte Facettenaugen wie ein Insekt, für den Rundumblick.

In dem für mich vorbereiteten Zimmer liege ich auf dem Bett und starre die Stuckdecke an. Ich kann die Augen nicht schließen. Es sind zuviele Geräusche in der Atmosphäre. Mal knarzt es, mal knackt es, mal pfeift der Wind, es regnet, und ein Käuzchen schreit aus dem Wald hinter dem Hotel. Aber Gespenster sehe ich keine und habe auch keine Spuk-Erscheinungen. Dafür erfahre ich eindrücklich, was unsere Fantasie aus Klängen macht. Einen kleinen Film im eigenen Kopf...
