Dialekte bringen Farbe, Humor und Vielfalt in die Sprache. Trotzdem sind sie vor allem bei jungen Menschen vom Aussterben bedroht. Dafür gebe es einige Gründe, heißt es bei der Tübinger Arbeitsstelle "Sprache in Südwestdeutschland".

Lob statt Kritik für Schwäbisch
Hubert Klausmann vom Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft Tübingen leitet die Arbeitsstelle. Seit über 30 Jahren erforscht er Mundarten im süddeutschen Raum. Klausmann betont, dass der Anteil der Dialekt sprechenden Kinder steige, wenn sie dafür gelobt würden.
"In Bayerisch-Schwaben wird der Dialekt von den betreuenden Personen im Kindergarten viel häufiger als schön, als wichtig und als Vorteil angesehen als das in Baden-Württemberg der Fall ist. Und wird Dialekt bei einem Kind als positiv empfunden, so steigt der Anteil der Dialekt sprechenden Kinder."
"Erdbeergsälz" oder "Kutterschaufel und Kehrwisch" verstünden Kinder zum Beispiel an Reutlinger Grundschulen zwar noch. Aber im Unterricht sprechen sie kaum noch Dialekt, eher ein regional gefärbtes Hochdeutsch, so die Studie.

"Landesweit spricht nur noch jeder neunte bis zehnte Schüler der ersten und zweiten Klasse den alten Ortsdialekt im Unterricht, rund 30 Prozent haben aber noch eine regionale Sprechweise."
Vor allem in Großstädten gehe die regionale Färbung deutlich verloren, sagte der Sprachwissenschaftler. Im Kreis Sigmaringen werde dagegen mit über 40 Prozent noch am meisten Dialekt im Unterricht gesprochen. Im Kreis Reutlingen sind es noch rund 25 Prozent. In diesen Regionen lohne es sich, den Dialekt zu fördern, so Klausmann.
Wichtig: Positive Einstellung zum Dialekt
Klausmann appelliert an Eltern und Lehrkräfte, eine positive Einstellung zum Dialekt zu vermitteln. Sie seien wichtige Vorbilder. Die Leute müssten verstehen, dass sprachliche Variationen nicht nur etwas Normales seien, sondern ein Kulturgut, das es zu erhalten gelte.
Ausbildung muss für Dialekt sensibilisieren
Klausmann empfiehlt der Landesregierung, Mehrsprachigkeit in die Referendarsausbildung aufzunehmen. Die künftigen Lehrkräfte müssten dafür sensibilisiert werden, dass Dialekte nicht zu korrigieren, sondern zu fördern seien.

Dialektinitiative des Landes
Für die Studie wurden über 700 Lehrkräfte von 13.600 Grundschülerinnen und Grundschüler befragt. Die Studie ist Teil der Dialektinitiative des Landes und wurde von der Eva-Mayr-Stihl-Stiftung gefördert. Diese hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor vier Jahren gestartet.
Mundart-Studie vorgestellt Meinung: Ohne Dialekte wird es fad und freudlos
Dialekte sind im Südwesten vom Aussterben bedroht. Stefan Giese hat sich eine Welt ohne regionale Mundarten vorgestellt. Sie gefällt ihm nicht.
Zwei Großdialekte in BW: Fränkisch und Alemannisch
In Baden-Württemberg gibt es laut Sprachexpertinnen und Sprachexperten zwei Großdialekte: Fränkisch im nördlichen Drittel und Alemannisch in den südlichen zwei Dritteln. Diese werden in regionale Mundartformen unterteilt. So gehört das Kurpfälzische, das im Raum um Mannheim und Heidelberg gesprochen wird, zum rheinfränkischen Dialektraum. Auch das Hohenlohische ist eine fränkische Mundart. Sie wird insbesondere in den Landkreisen Schwäbisch Hall, Hohenlohekreis und Bad Mergentheim gesprochen. Die Alemannischen Dialekte, das Badische und das Schwäbische, werden im Süden von Baden-Württemberg gesprochen.