SWR Aktuell: Johanna Bath, Sie als Wirtschaftsprofessorin an der European School of Business (Hochschule Reutlingen), haben sich intensiv mit Vor- und Nachteilen von Homeoffice befasst. Was hat sich nach zwei Jahren verbessert?
Johanna Bath: Ich würde sagen, die größte Verbesserung haben wir beim Thema Digitalisierung gesehen. Die Unternehmen haben vermehrt in Hardware und Software investiert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zum einen mit Endgeräten, aber auch mit Softwarelösungen sehr gut ausgestattet worden. Deswegen würde ich sagen, dass wir in den letzten zwei Jahren tatsächlich eine große Entwicklung gesehen haben. Das ist sicherlich ein Highlight, das man für diese zwei Jahre erwähnen kann.

SWR Aktuell: Zuhause arbeiten heißt auch, man kann mal kurz die Spülmaschine ausräumen oder die Kinder bespaßen. Da kam bei Arbeitgebern die Sorge auf, dass das ausgenutzt werden oder die Ablenkung und die fehlende Kontrolle zu Leistungseinbußen führen könnte. Das ist Ihrer Erkenntnis nach aber nicht passiert, oder?
Johanna Bath: Da gibt es Studien dazu, die belegen, dass diese Leistungseinbußen so nicht eingetreten sind. Und das bestätigen auch viele Unternehmen. Nichtsdestotrotz wird die Sorge der Arbeitgeber teilweise auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Viele Ablenkungen lauern überall. Die Arbeitnehmer versuchen das dann aber durch "Über-Engagement" zu kompensieren. Das heißt, dann wird abends oder am Wochenende viel öfter nochmal der Rechner eingeschaltet.
SWR Aktuell: Lässt sich die Entwicklung zu mehr Homeoffice zurückdrehen? Und wäre das aus Ihrer Sicht überhaupt sinnvoll?
Johanna Bath: Nein, auf keinen Fall. Das lässt sich aus sehr vielen Gründen nicht zurückdrehen, weil wir durch die zwei Jahre einen neuen Status quo geschaffen haben, mit dem wir jetzt umgehen müssen. Ich plädiere hier vor allem dafür, die Chancen dieser neuen Arbeitsweise zu erkennen. Ein Beispiel: Es können jetzt auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt werden, die weiter von ihrem Büro entfernt wohnen, einfach weil es nicht mehr notwendig ist, jeden Tag zu einem bestimmten Standort zu pendeln.
Unternehmen tun sehr gut daran, sich zu überlegen, wie sie diese neue Form des Arbeitens unterstützen und als Unternehmensstrategie nutzen. Bei einer Stadt wie Stuttgart herrscht pures Verkehrschaos. In den normalen Pendelzeiten waren da Distanzen von zehn oder 20 Kilometern für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon zu weit. Denn das würde bedeuten, zu bestimmten Stoßzeiten eine Stunde für einen Weg unterwegs zu sein. Diese Mitarbeiter können vielleicht mit einer neuen Richtlinie zum mobilen Arbeiten überzeugt werden. Eine Option wäre, anzubieten, an zwei Tagen in der Woche im Büro zusammenzukommen und an den anderen drei Tagen mobil zu arbeiten. Ich glaube, dass sich dann viele Beschäftigte vorstellen können, auch eine Stunde entfernt von ihrem potentiellen neuen Arbeitgeber zu wohnen.
SWR Aktuell: Bei der technischen Infrastruktur hat sich viel getan in den vergangenen zwei Jahren. Sie, Frau Bath, fordern aber gezieltere und mehr Schulungen für die Betroffenen. Was muss aus Ihrer Sicht gelernt sein, bevor man richtig Homeoffice kann?
Johanna Bath: Hard- und Software, die ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stelle, sind nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass die Menschen die Arbeitsmittel auch bestmöglich nutzen können. Da ist tatsächlich noch relativ wenig passiert. Es gibt zum Beispiel eine Studie aus Baden-Württemberg, die besagt, dass weniger als zehn Prozent der Mitarbeitenden bisher überhaupt Schulungen zu diesem Themenkomplex erhalten haben. Das heißt, wir haben bisher noch nichts dafür getan, den Menschen zu helfen, mit dieser neuen Arbeitswelt und den neuen Arbeitsweisen umzugehen. Da, glaube ich, gibt es einen enormen Nachholbedarf. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn viele Arbeitgeber die kommende Zeit, in der wir immer noch mobil arbeiten werden, aktiv dafür nutzen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei zu unterstützen.