Polizeibeamte, Wasserwerfer und Blaulicht am Oskar-Kalbfell-Platz in Reutlingen (Foto: SWR, Peter Binder)

Ärger wegen verbotener Demo

Reutlinger Corona-Demonstranten wehren sich gegen Bußgelder

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Miriam Plappert

Knapp 500 Kritiker der Corona-Politik haben einen Bußgeldbescheid bekommen. Sie hatten trotz Versammlungsverbots in Reutlingen demonstriert. Bezahlen wollen viele nicht.

Am 18. Dezember haben in Reutlingen tausende Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Und das, obwohl der Protest im Vorfeld verboten worden war. Hintergrund war, dass sich die Veranstalter in der Vergangenheit nicht an die Auflagen, zum Beispiel die Maskenpflicht, gehalten haben sollen.

Rund 150 Euro Bußgeld fordert die Stadt

An dem Abend nahm die Polizei die Personalien von rund 500 Demonstrantinnen und Demonstranten auf. Dazu hatte die Polizei die Demonstrierenden auf einem zentralen Platz eingekesselt. Mittlerweile sind die Bußgeldbescheide in deren Briefkästen gelandet. Rund 150 Euro Bußgeld sollen sie bezahlen. Das sehen die meisten Betroffenen aber nicht ein.

Strategie Einspruch: Viele wollen nicht bezahlen

Viele tauschen sich online über Chat-Gruppen zu den Bußgeldbescheiden aus. Eine Strategie scheint zu sein, möglichst viele Einsprüche einzureichen und so Aufwand bei den Behörden zu produzieren. So haben laut Stadtverwaltung mittlerweile mehr als 270 Menschen Einspruch eingelegt. Knapp 100 Menschen hätten das Bußgeld bezahlt.

So begründen die Demonstrierenden ihre Einsprüche

Die Betroffenen begründen ihre Einsprüche unterschiedlich. Eine Frau aus dem Reutlinger Umland teilt ihr Einspruchsschreiben in einer Chat-Gruppe: Sie sei lediglich zum Einkaufen in der Stadt gewesen und habe an der Veranstaltung nicht teilgenommen, schreibt ihr Anwalt. Andere Betroffene zweifeln die Rechtmäßigkeit des Versammlungsverbotes an. Die Demonstration hätte gar nicht erst verboten werden dürfen, argumentieren sie.

Wieder andere begründen ihren Einspruch mit angeblichem Fehlverhalten der Polizei: Die Beamten hätten die Demonstrierenden zwar mehrfach per Lautsprecher-Durchsage dazu aufgefordert den Platz zu verlassen, hätten ihnen dann aber gar keine Möglichkeit dazu gegeben. Als sie gehen wollten, seien sie bereits eingekesselt gewesen, heißt es.

Grüppchen von Demonstrierenden stehen beieinander, von der Polizeibeamten locker umstellt (Foto: SWR, Peter Binder)
Die Polizei nahm am 18. Dezember die Personalien von den Demonstrierenden auf, die nach mehrfacher Aufforderung nicht gegangen waren.

Die Reutlinger Polizei hat auf das Verbot hingewiesen

Polizeisprecherin Andrea Kopp sagt, die Teilnehmer seien an dem Abend mehrfach dazu aufgefordert worden, zu gehen. "Da haben umfangreiche Durchsagen stattgefunden, bevor es zur Personalienfeststellung kam", so Kopp. "Jeder, der wollte, konnte sich vorher entfernen."

Ein Fehler sei der Polizei aber trotzdem unterlaufen, sagt Ordnungsamtsleiter Albert Keppler: Auch als die Einkesselung schon lief, sei fälschlicherweise noch durchgesagt worden, dass die Menschen den Platz verlassen sollen. Das sei dann aber tatsächlich nicht mehr möglich gewesen.

Demonstrant oder Fußgänger: Kann die Teilnahme nachgewiesen werden?

Dass Leute, die gar nicht an der Demonstration teilgenommen haben, versehentlich eingekesselt wurden und so ein Bußgeld bekommen haben, glaubt Keppler nicht. Die Beweismittel, die die Polizei vorgelegt habe und auch das Online-Videomaterial, das es von der Demonstration gibt, seien überzeugend. Entscheidend sei nun die Frage, ob die Teilnahme auch vor Gericht nachgewiesen werden kann.

Nun muss das Reutlinger Amtsgericht ran

Die Fälle, in denen widersprochen wurde, werden nämlich von der Staatsanwaltschaft an das Reutlinger Amtsgericht weitergeleitet. Knapp 100 Einsprüche lägen dort schon vor, sagte die stellvertretende Direktorin Andrea Wimmer. Bis zum ersten Prozess werde es aber noch eine Weile dauern. Die Fälle müssten nun zunächst auf die Richter verteilt werden. Diese würden dann die Verhandlungstermine ansetzen.

2019 gab es schon einmal eine Verfahrensflut wegen Blitzern

Wie hoch der Aufwand durch die vielen Verfahren sein werde, lasse sich noch nicht abschätzen, sagte Wimmer. Bei einer noch größeren Verfahrensflut im Jahr 2019 war das Amtsgericht an seine Kapazitätsgrenzen gekommen: Damals wehrten sich 1.500 Autofahrerinnen und Autofahrer gegen Bußgeldbescheide, die sie wegen eines Blitzers auf der  B27 bei Walddorfhäslach (Kreis Reutlingen) bekommen hatten.

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