Asylantrag eines Bundeswehr-Helfers abgelehnt

Afghanischer Familie aus Calw droht die Abschiebung

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Einer ehemaligen Bundeswehr-Ortskraft aus Afghanistan droht die Abschiebung aus Calw. Der Mann hat mit seiner Familie Zuflucht im Nordschwarzwald gefunden.

Dreieinhalb Jahre war die Familie Jacobi auf der Flucht aus Afghanistan, nachdem es für sie immer gefährlicher geworden war. Sie floh auf eigene Faust nach Deutschland. Anfang dieses Jahres kamen Hasrat Jacobi und seine Frau mit ihren vier Kindern in Calw an. Jetzt lebten sie wieder in großer Angst, erzählen sie. Denn die deutschen Behörden wollen sie abschieben.

Katharina Thoms berichtete im SWR über die drohende Abschiebung der Familie Jacobi:

Taliban bedrohten ehemaligen Dolmetscher

Vater Hasrat Jacobi hat sich von den Taliban bedroht gefühlt. Sie hätten ihn wegen seiner Kontakte zu Deutschen gesucht, sagt er. Er sei verschleppt und geschlagen worden und es sei auch auf ihn geschossen worden. Der Grund für die Taliban-Verfolgung: Jacobi spricht Deutsch und hatte 2003 in Kabul als Dolmetscher für die Bundeswehr gearbeitet.

Fehlende Hilfen für ehemalige Ortskräfte

Erst vor einem Monat hat die Bundesregierung wieder versprochen: Wir kümmern uns um die afghanischen Ortskräfte, die jahrelang für die Bundeswehr gearbeitet haben. Immer noch warten mehr als eintausend Afghanen auf ihre Ausreise. Es sei schwierig, sie herauszuholen, so die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen).

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BAMF hat Asylantrag abgelehnt

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat den Asylantrag der sechsköpfigen Familie Jacobi kürzlich abgelehnt. Die Tätigkeit als Bundeswehr-Ortskraft hat das BAMF nicht berücksichtigt. Die Familie müsse nach Kroatien ausreisen. Nach EU-Recht sei Kroatien für das Asylverfahren zuständig, so das Amt. Denn dort seien die Jacobis in Europa zum ersten Mal registriert worden.

Traumatisierende Erfahrungen in Kroatien

Nach Kroatien zu müssen, gleicht für Familie Jacobi einer Horror-Vorstellung. Denn nach ihrer Flucht aus Afghanistan über Iran, Türkei und Griechenland sei sie an der Grenze zu Kroatien immer wieder an der Einreise gehindert worden - mit Gewalt, erzählt Hasrat Jacobi.

"Da hat man keine Chance. Die kroatische Polizei hat unsere Kinder geschlagen, unser Geld genommen."

Die gewalttätigen Zurückweisungen - sogenannte Pushbacks - an der kroatischen Grenze traumatisieren die Familie bis heute. Und ausgerechnet dort sollen sie wieder hin. Tino Bayer von der Flüchtlingshilfe Schömberg (Kreis Calw) und Asylanwalt Ernst Dietzfelbinger versuchen der Familie zu helfen, die Abschiebung nach Kroatien zu verhindern.

Asylanwalt: Bundeswehr-Ortskräfte müssen geschützt werden

Ernst Dietzfelbinger aus Calw hat als Asylanwalt schon einiges erlebt. Aber dass für die Behörde, das BAMF, im Asylantrag der Job bei der Bundeswehr gar keine Rolle spiele, erschüttert ihn. Dabei sei das der Grund, warum Hasrat Jacobi nicht mehr sicher in Afghanistan leben könne, sagt Dietzfelbinger.

"Es sind Belege, die er abgegeben hat für seine Tätigkeit bei der Bundeswehr. Das Wort ‚Ortskraft‘ taucht im Bescheid mit keiner Silbe auf, nicht mal ansatzweise."

Anwalt klagt gegen BAMF-Bescheid

Der Anwalt hat Zweifel an der Begründung und Klage gegen den Bescheid eingereicht. Denn er hat in der Akte herausgefunden: Die Jacobis seien nicht in Kroatien, sondern in Griechenland zum ersten Mal registriert worden. "Deswegen wäre Griechenland zuständig", sagt Dietzfelbinger. Dorthin würden aber Familien mit minderjährigen Kindern wegen gravierender Mängel im Asylsystem nicht abgeschoben.

Für Hasrat Jacobi ist klar: In Kroatien werden er und seine Familie auf keinen Fall bleiben.

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