Eigentlich könnte Friedrich Kähny jeden Tag ausschlafen. Er könnte seinen Hobbies nachgehen, er könnte gärtnern oder reisen. Doch stattdessen steht der 74-Jährige um 7 Uhr auf, um eine Stunde später in seiner Praxis im Medizinischen Versorgunsgzentrum Mariaberg (Kreis Sigmaringen) zu sein.
Landarzt aus Leidenschaft
Seit fast 40 Jahren arbeitet Kähny als Allgemeinmediziner in Gammertingen und Mariaberg. Von den meisten seiner Patienten kennt er nicht nur die Kranken- sondern auch die Lebensgeschichte. "Wenn hier einer mit Schnupfen angekündigt ist, dann merke ich ganz schnell, ob vielleicht doch ein gebrochenes Herz dahinter steckt", sagt er.
Der 1,96 Meter große Mann strahlt Lebensfreude aus. Seine blauen Augen leuchten, um einen schelmischen Spruch ist er nie verlegen. Seine Kollegen und Kolleginnen mögen ihn.
Der erste Versuch in Ruhestand zu gehen
2014 geht der dreifache Großvater erstmals in Rente. Zusammen mit seiner Frau zieht er nach Ulm, sie wollen beide näher an den Kindern sein. Außerdem lieben sie gutes Essen und Jazzkonzerte. Doch dann kommt Corona und das Versorgunsgzentrum Mariaberg bittet Kähny zurückzukommen - übergangsweise, heißt es. Kähny freut sich und sagt zu.
Der kurze zweite Ruhestand
2021 wird Friedrich Kähny von der Leitung des Versorgunsgzentrums erneut feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Doch auch diesmal dauert die Trennung nicht lange. Es findet sich einfach kein Allgemeinmediziner, der langfristig die Nachfolge in Mariaberg antreten möchte. Eine verzwickte Situation für den ärztlichen Leiter der Einrichtung, Rainer Boldt: "Wir haben alles versucht. Ein paar Ärzte waren da und sind wieder gegangen. Herr Kähny ist immer wieder unsere Rettung. Wir sind mehr als froh, dass er uns weiterhin unterstützt. Ohne ihn wäre es hier gerade gar nicht machbar."
Und so steht Friedrich Kähny weiterhin jeden Tag in seiner Praxis. Aus dem Versorgunsgzentrum Mariaberg kommen viele Menschen mit geistiger Beeinträchtigung zu ihm. Da braucht es ein besonderes Händchen, um herauszufinden, wo der Schuh drückt, sagt Kähny.
Vom Wohnwagen zur Arbeit
Wenn er in Mariaberg arbeitet, wohnt der 74-Jährige im Familienwohnwagen. Was während Corona als Notlösung begann, ist inzwischen zu Kähnys geliebtem Zweitwohnsitz geworden. "Die zwei Quadratmeter kann ich als Hausmann gerade so in Ordnung halten", sagt er lachend. Mit seiner Frau in Ulm telefoniert Kähny täglich. Und die ist mit der Situation gar nicht mal so unzufrieden: "Ich bin sehr froh darüber. Er hat Beschäftigung, er ist fröhlich und verdient gutes Geld. Und ich habe ein bisschen Freizeit."
Pendeln mit dem Motorrad
Wenn Friedrich Kähny am Wochenende nach Hause fährt, dann auf seinem Motorrad. Einem strahlend blauen Gespann mit Beifahrerwagen. Das hatte er sich während einer seiner kurzen Rentenphasen gekauft. Jetzt pendelt er damit. Montags hin, freitags wieder zurück.
Über einen Nachfolger für Mariaberg würde sich Friedrich Kähny schon freuen. Allerdings nur, wenn dieser gute Arbeit leisten würde. Er selbst würde sich dann wohl eine neue Beschäftigung suchen: "Ein Arzt ist eben Arzt, so lang wie der Papst Papst ist. Das ist einfach so. Man lebt und hat diesen Beruf."