50 Jahre Schönbuch - Blick ins Goldersbachtal (Foto: Werner Schaal)

Jubiläum am Oktoberwochenende

50 Jahre "Naturpark Schönbuch": Erst Großflughafen geplant - dann Naturpark gegründet

Stand

Es ist eine fast unglaubliche Geschichte: Erst sollten große Teile des Waldgebiets zwischen Stuttgart und Tübingen für einen Großflughafen abgeholzt werden. Dann kam alles anders.

Die Geschichte beginnt in den 1960er Jahren: Die Wirtschaft boomt. Den Menschen geht es gut. Der Flugverkehr nimmt zu. Bald ist der baden-württembergischen Landesregierung unter dem damaligen CDU-Ministerpräsident Hans Filbinger klar: Der Stuttgarter Flughafen wird langsam zu klein. Man will einen neuen Großflughafen bauen und nimmt dafür drei Standorte ins Visier - einer davon ist der Schönbuch.

SWR Reporterin Ulrike Mix erzählt, wie es zum Naturpark Schönbuch kam

Angedacht war das Gebiet zwischen Dettenhausen, Walddorf und Bebenhausen. 1.100 Hektar Wald hätten gerodet werden müssen, erzählt der Geschäftsführer der Naturparkverwaltung, Mathias Allgäuer. Der Standort hatte auf den ersten Blick Vorteile:

"Man hätte keine Umsiedlungen machen müssen. Der Waldbesitz war fast vollständig in öffentlicher Hand - da wären die unzähligen Verhandlungen mit Privatwaldbesitzern entfallen."

Doch schnell formierte sich Widerstand: Die Bevölkerung machte gegen den geplanten Großflughafen im Schönbuch mobil - mit Informationsveranstaltungen, Massendemonstrationen und Flugblättern.

50 Jahre Schönbuch - Planung Flughafen im Schönbuch (Foto: Pressestelle, Landesforstverwaltung Baden-Württemberg)
Nach den Plänen der Landesregierung unter Ministerpräsident Filbinger sollte zwischen Dettenhausen, Walddorf und Bebenhausen ein Großflughafen entstehen.

Tübinger Landrat Klumpp organisiert den Protest

Es ging nicht nur um die geplante Abholzung des Waldes. Es ging auch um Lärmbelästigung: Alle zweieinhalb Minuten hätte ein Flugzeug starten oder landen sollen. Die Uni Tübingen befürchtete, dass das ihre sensiblen Messgeräte beeinflussen könnte. Der Tübinger CDU-Landrat Oskar Klumpp setzte sich an die Spitze der Protestbewegung und organisierte den Widerstand.

Alarmstimmung auch beim Forst

Auch beim Forst war man alarmiert, erzählt Peter Weidenbach. Er lebt heute in Bad Liebenzell (Kreis Calw) und war damals Assistent der Abteilungsleitung in der Forstdirektion Südwürttemberg-Hohenzollern. Weidenbach erhielt zunächst den Auftrag, die Lärmbelastung durch einen Großflughafen zu durchleuchten. Er, der Forstmann, holte sich Daten von verschiedenen Ämtern, wie er sagt. Daraus entwickelte er eine Karte, die die zu erwartende Lärmbelastung aufzeigte. Die sei immens gewesen - auch im besiedelten Umland.

50 Jahre Schönbuch (Foto: Werner Schaal)
Ein Eisvogel lauert am Goldersbach im Schönbuch auf Beute.

Neuland: Der Schönbuch als Erholungsraum

Dann betrat Weidenbach weiteres Neuland: Er sollte die Rolle des Schönbuchs für Boden, Wasser, Klima und Luft erläutern - und seine Funktion als Erholungsraum. Heute normal. Damals ein Novum. 20 junge Förster zählten parkende Autos am Waldrand und befragten Waldbesucherinnen und Waldbesucher, wann, wie oft und woher sie in den Schönbuch kamen.

"Man hat Fragebogen ausgelegt und Postkästchen aufgebaut, in die die Leute ihre Formulare einwerfen konnten."

Die Befragung unterstrich den Wert des Waldgebiets und war sicher ein Grund, warum die Landesregierung schließlich von der Idee, dort einen Großflughafen zu bauen, abrückte.

Der Schwäbische Albverein hilft bei der Rettung des Schönbuchs

Ein geologisches Gutachten warnte außerdem vor Problemen beim Bau eines Großflughafens im Schönbuch, sagt Naturpark-Geschäftsführer Mathias Allgäuer. Einen großen Anteil an der Rettung des Schönbuchs hatte aber der Schwäbische Albverein. Dessen Vorsitzender Georg Fahrbach verbündete sich mit dem Tübinger Landrat Klumpp. Fahrbach habe Ministerpräsident Filbinger davon überzeugt, aus dem Schönbuch den ersten Naturpark des Landes zu machen. Viele glauben, dass der mitgliederstarke Albverein die Landesregierung zum Umdenken brachte, weil eine Landtagswahl vor der Tür stand.

50 Jahre Schönbuch - Protestversammlung gegen den Flughafen im Schönbuch am 06.03.72 in Dettenhausen (Foto: Pressestelle, Landesforstverwaltung Baden-Württemberg)
Im März 1972 - kurz vor der Gründung des Naturparks - fand in Dettenhausen eine große Protestversammlung statt. Einer der Redner war der damalige Präsident des Schwäbischen Albvereins, Georg Fahrbach.

Im 27. März 1972 waren die Pläne für einen Großflughafen im Schönbuch endgültig vom Tisch. Ministerpräsident Filbinger erklärte den Schönbuch zum ersten Naturpark Baden-Württembergs.

Am ersten Oktoberwochenende (1./2.10.2022) ist der 50. Geburtstag des "Naturparks Schönbuch" in Tübingen-Bebenhausen groß gefeiert worden. Mit Politikerinnen und Politikern und geladenen Gästen und mit einem Fest für alle. Es gab einen Regionalmarkt, Zauberkünstler und jede Menge Mitmachstationen im Wald ums Kloster Bebenhausen: etwa einen Pirschpfad, eine Waldseilbahn oder eine Jagdhundevorführung.

Mehr zum Naturpark Schönbuch

Tübingen

Tausende Besucher erwartet 50 Jahre Naturpark Schönbuch - Jubiläumsfest in Bebenhausen

Seit 50 Jahren gibt es den Naturpark Schönbuch zwischen Stuttgart und Tübingen. Das will die Naturparkverwaltung am ersten Oktober-Wochenende mit einem Bürgerfest am Kloster Bebenhausen feiern.

SWR4 BW aus dem Studio Tübingen SWR4 BW aus dem Studio Tübingen

Stuttgart/Waldenbuch

Jährliches Monitoring Stuttgart 21: Bahn schafft neuen Lebensraum für Juchtenkäfer im Schönbuch

Wegen der S21-Bauarbeiten hat die Bahn im Schönbuch Lebensraum für Juchtenkäfer angelegt. Jedes Jahr begutachten Experten die präparierten Bäume. Ob all das Erfolg hat, ist unklar.

Landesschau Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Stand
AUTOR/IN
SWR