Der Künstler und Gastgeber Daniel Schürer war am Samstag schon vor Ausstellungsbeginn im Bergcafé in Reusten (Kreis Tübingen) schwer beschäftigt. Bereits gegen Mittag waren viele Leute da. Auf der Terrasse genossen sie bei Kaffee und Kuchen die Aussicht vom Kirchberg hinunter ins Tal. Hinter dem Haus warteten, an Wäscheleinen zwischen Linden aufgehängt, etwa 350 Kittelschürzen auf ihre Bewunderer. Mit unterschiedlichsten Motiven und Schnitten, von modern bis altmodisch.
Das Bergcafé-Team in Kittelschürze
Wie im Bergcafé üblich, trugen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Daniel Schürer selbst schon ein Exemplar. Nicht unbedingt gewöhnlich für einen Mann. Schon gar nicht, wenn es sich um eine zart-geblümte Kittelschürze handelt. Unter anderem das ist es, was Schürer an diesem Kleidungsstück spannend findet: "Die Kittelschürze diskutiert Themen zwischen Mann und Frau - und wenn sie ein Mann trägt, noch viel stärker."

Positive Reaktionen der Gäste
Schürer bedient öfter im Bergcafé. Dass er dabei stets mit Kittelschürze unterwegs ist, ruft überwiegend positive Reaktionen hervor: "Die Leute reagieren euphorisch, die jubeln jedes Mal, wenn wir auf die Terrasse kommen und sagen: 'fantastisch!'." Ab und zu gebe es aber auch kritische Stimmen. Ob er nicht mal was anderes tragen könne, zum Beispiel. Aber das kümmert ihn offensichtlich wenig.
Erinnerungen an die Kindheit
Nach dem offiziellen Ausstellungsbeginn um 15 Uhr, machten sich die Gäste daran, die Kittelschürzen zu bestaunen und Fotos von und mit ihnen zu machen. Ein Mann war auf der Suche nach einem Exemplar, wie es seine Mutter immer getragen hatte. "Das war Usus. Die Kittelschürze war tagsüber in Gebrauch. Die wurde nur abgelegt, wenn das Essen rum war, in der Küche alles erledigt war oder beim Rausgehen." Es sei ein Relikt aus der Vergangenheit, so eine Besucherin. "In meiner Kindheit hatten Frauen einfach Kittelschürzen an, um die Kleidung zu schonen." Lange hätte ihre Mutter gar keine Waschmaschine gehabt. Da hätte die Kleidung lange halten müssen. Die Kittelschürze war genau der richtige Schutz.
Namen für die Kittelschürzen
Die Kittelschürze als Schutz – auch das ist für Daniel Schürer faszinierend: "Eine Kittelschürze, die dreckig ist, die adelt einen. Ein weißes Hemd, das dreckig ist, das adelt einen eben nur bedingt." Bei ihm machen die Kittelschürzen noch eine besondere Erfahrung: Sie bekommen Namen aufgestickt. Namen, die Schürer zum Beispiel in einem Film oder Buch begegnen. Das können Namen unterschiedlichster Persönlichkeiten sein, von heldenhaft bis bösartig. Die Kittelschürzen würden so personifiziert. Wer sie dann trage, übernehme quasi ein Kuratorium sowohl für das Andenken an diese Person als auch für diese Kittelschürze.

Am Sonntag (8. Mai) sind die Kittelschürzen noch auf der Wiese zu sehen. Dann wandert ein Teil von ihnen in den Park des Hotels "Weißes Rössel" unweit des Bergcafés. Ein anderer Teil kommt in den Süddeutschen Kunstverein in Reusten. Dort kann man sie dann ab dem 12. Mai 2022 anschauen.