Nach schwerem Erdbeben in Syrien und der Türkei

Trauerfeier für Erdbebenopfer in Stuttgarter Moschee: "Alle versuchen meiner Familie beizustehen"

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Susanne Babila

Bei dem schweren Erdbeben haben Syrer aus Baden-Württemberg Angehörige, Freunde und Bekannte verloren. Die Anteilnahme ist groß - Möglichkeiten für Hilfe vor Ort aber begrenzt.

Adnan Agha ist einer von drei Söhnen. Er hat durch das Erdbeben, das die Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien verwüstete, seine Großeltern und seinen 17-jährigen Onkel verloren. In einer Moschee in Stuttgart Bad-Cannstatt hat am Dienstag und Mittwoch eine zweitägige Trauerfeier stattgefunden. Seit Tagen waren Angehörige, Freunde und Bekannte gekommen, die Familie Agha ihr Beileid ausdrücken.

Türkische Helfer suchen weiter nach Großeltern

"Man weiß noch nichts über meine Großeltern. Sie wurden immer noch nicht gefunden", erzählte er. Helferinnen und Helfer seien noch auf der Suche nach ihnen. Aber jeder sage, dass sie vermutlich gestorben seien. "Von ihrem Haus ist gar nichts mehr übrig", so Agha. Seine Großeltern waren vor dem Krieg in Syrien nach Iskenderun in die Türkei geflohen. Die Stadt ist besonders stark von dem Erdbeben betroffen.

Unter den Trümmern in Iskenderun starben die Angehörigen, derer in der Moschee in Stuttgart gedacht worden ist. (Foto: Privat)
Unter den Trümmern in Iskenderun starben die Angehörigen, derer in der Moschee in Stuttgart gedacht worden ist.

In den Räumen der Stuttgarter Moschee wurde gebetet, geredet, gegessen und getrunken, Frauen und Männer getrennt. "Alle versuchen meiner Familie beizustehen", sagt der junge Adnan Agha. Es seien sogar Menschen aus anderen Ländern hergekommen, aus den Niederlanden zum Beispiel, oder aus Norwegen. Und auch aus Berlin und Hamburg kamen Leute, der Familie und der Liebe wegen, wie er sagte.

Anteilnahme als "mentale Stütze" von der Community

Liebe und Trost helfe der Familie in den ersten Tagen der Trauer, berichtete auch Riem Hamwie. Sie ist die Großcousine von Adnan Agha und in Stuttgart geboren. "Die Menschen, die zum Gebet kommen, haben eigentlich gar nichts mit den Verstorbenen zu tun haben. Sie kommen dann auch nochmal kurz und bekunden ihr Beileid", sagte sie. "Das ist einfach diese mentale Stütze, die man von der 'Community' bekommt."

Durch den Krieg sei die Familie weit verstreut. Viele syrische Familien haben Opfer auf beiden Seiten der Katastrophengebiete zu beklagen, erklärte Hamwie am Mittwoch in der Stuttgarter Moschee. In die Türkei könnten sie Spenden schicken, aber nach Syrien sei das bisher nicht gegangen. "Es fehlt ja in Syrien nicht nur an Decken, Zelten und Lebensmitteln. Es fehlt überhaupt an Maschinerie, um überhaupt diese Trümmer zur Seite zu schaffen und nach Überlebenden zu suchen", sagte sie. "Das machen die Leute mit den Händen."

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Rettungsarbeiten kommen kaum voran

Jede Minute zähle, sagt Hamwie, um noch Überlebende aus den Trümmern retten zu können. Aber die Rettungsarbeiten im syrischen Teil des Katastrophengebiets kämen kaum voran, auch weil es nur einen Grenzübergang in die von Rebellen kontrollierte Region gebe. Dazu kommt: "Strom und Wasser sind ausgefallen, die Menschen schlafen im Freien bei eisigen Temperaturen", sagt Adnan Agah. "Die Leute leben jetzt auf der Straße, es regnet", erzählte er. Es gebe Leute, die keine Kleidung mehr hätten. "Sie brauchen Essen, sie brauchen Medikamente, sie brauchen viel Unterstützung", so Agah.

Suppenküche in Idlib soll Not lindern

Im syrischen Erdbebengebiet ist die Armut ohnehin hoch, die Infrastruktur unzureichend. Seit Beginn des Krieges vor über zehn Jahren versucht der Deutsch-Syrer Adnan Wahhoud seinen Landsleuten zu helfen. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur lebt im bayerischen Lindau am Bodensee.

In der Region Idlib hat Wahhoud sogenannte Medical Points errichtet, um die Menschen mit Medikamenten und Nahrungsmitteln zu versorgen - darunter auch eine Suppenküche. Dort habe er eine zweite Schicht organisiert. "In dieser Schicht kochen wir 900 Portionen. Und die werden in den Sammelstellen an die Erdbebenopfer von Idlib verteilt", sagt Wahhoud. Doch die Hilfe sei begrenzt, sie könnten nur ihre Lagerbestände aufbrauchen, erklärt er. "Danach haben wir nichts mehr."

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