Nach dem Tod eines psychisch kranken Mannes in Mannheim nach einem Polizeieinsatz gibt es Kritik an der Aus- und Weiterbildung der Polizei. Der Vorsitzende des baden-württembergischen Landesverbands der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, Klaus Obert, sagte dem SWR, es müsse mehr praxisorientierte Schulungen für Streifenpolizistinnen und Streifenpolizisten geben - und diese müssten auch regelmäßig wiederholt werden.
So berichtete SWR Aktuell am 3. Mai 2022 über den Einsatz in Mannheim:
Mehr Geld für Weiterbildungen von Polizisten gefordert
Für die Schulungen forderte Obert mehr finanzielles Engagement: "Schulungen zu wiederholen bindet Ressourcen, wenn ein regelmäßiger Austausch von Experten und Beamten stattfinden soll, müssen dafür auch zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden." Auch der baden-württembergische Landesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen teilte dem SWR mit, es sei dringend geboten, dass der Kontakt mit psychisch angeschlagenen Menschen zu einem festen Bestandteil der Ausbildung von Polizeibeamten werde.
Landespolizeipräsidentin sieht keine Defizite in der Ausbildung
Die Landespolizeipräsidentin von Baden-Württemberg, Stefanie Hinz, wies dagegen die Kritik an der Polizeiausbildung zurück. "Unsere Kolleginnen und Kollegen müssen regelmäßig ein Einsatz-Training absolvieren und im Rahmen dieses Trainings ist auch der Umgang mit psychisch und verhaltensauffälligen Personen ein regelmäßiger Bestandteil", sagte Hinz dem SWR. Sie sehe keine Defizite in der Polizeiausbildung.
Für umstrittene Polizeieinsätze Tod nach Polizeikontrolle in Mannheim: BW-Polizeipräsidentin will keine bundesweite Ermittlungsstelle
Die baden-württembergische Polizeipräsidentin hält eine Sonderermittlungsstelle für umstrittene Polizeieinsätze nicht für nötig. Eine solche wird immer wieder gefordert.
Kriminologe: Drei Viertel der Opfer psychisch krank
Der Kriminologe Thomas Feltes forderte im Interview mit dem SWR ein generelles Umdenken. Aus seiner Sicht reicht die klassische Polizeiausbildung nicht aus, um Vorfälle wie in Mannheim zu verhindern: "Die meisten Beamten haben sich ihr Wissen vor Jahren oder manchmal auch Jahrzehnten angeeignet, das heißt nicht, dass sie das erlernte Wissen auch in Einsätzen anwenden können." Aus diesem Grund würden sie versuchen, Situationen möglichst schnell aufzulösen, Personen zu fixieren und festzunehmen, so Feltes. Auf diese Weise komme es in einigen Fällen zur Anwendung von übertriebener Gewalt durch Polizeibeamte.
Um das zu verhindern, brauche es eine systematische Aufarbeitung von Einsätzen, in denen psychisch kranke Menschen gestorben seien, sagte der Kriminologe weiter. Seiner Einschätzung nach sind drei Viertel der Menschen, die in den vergangenen Jahren in Polizeieinsätzen zu Tode kamen, psychisch krank gewesen.