Erstaufnahmestelle für Geflüchtete aus der Ukraine wird vorbereitet. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod)

12.000 Plätze in Unterkünften bereit

Tausende Geflüchtete aus Ukraine erwartet: BW kämpft mit großen Problemen bei Verteilung

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Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine flüchten viele Menschen ins Ausland - auch in Baden-Württemberg suchen viele Schutz. Doch die Flüchtlingsverteilung läuft nicht rund.

Rund 3,3 Millionen Menschen haben die Ukraine verlassen. In Deutschland wurden bereits 230.000 Flüchtlinge von der Bundespolizei registriert. Etwa 7.400 Geflüchtete sind in Baden-Württemberg ankommen, so die baden-württembergische Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges (CDU), am Dienstag. Das sei allerdings nur ein unvollständiges Bild, denn viele Menschen kämen auch bei Freunden oder Verwandten unter und meldeten sich nicht zwingend in den Erstaufnahmestellen des Landes. In Baden-Württemberg stehen mittlerweile mehr als 12.000 Plätze zur Verfügung.

Die Organisation des Bundes wurde nicht nur von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Montagabend kritisiert. Auch Gentges sieht zwei Probleme. "Die Menschen, die aus der Ukraine zu uns kommen, sind nicht residenzverpflichtet", so die Ministerin. Daher können sie sich niederlassen, wo sie möchten. Oftmals dort, wo sie einen persönlichen Bezugspunkt haben.

Ministerin für Justiz und Migration Marion Gentges (CDU) (Foto: SWR)
Die baden-württembergische Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges (CDU), fordert eine bessere Kommunikation bei der Organisation der Flüchtlingsverteilung im Land.

Schlechte Organisation bei der Flüchtlingsverteilung frustriert Helfer

"Der andere Punkt ist insbesondere ein Kommunikationsproblem. Für unsere Planungssicherheit wäre es gut, wenn wir wüssten, wann wohin wie viele Menschen kommen", erklärte Gentges. So sei die Ankunft Geflüchteter angekündigt worden, dies habe sich aber nicht bestätigt. Das Land müsse mit solchen Informationen planen, auch den Einsatz von Haupt- und Ehrenamtlichen. "Hier wäre mehr Planungssicherheit wünschenswert." Die Situation werde alle noch wochenlang fordern, daher wolle sie Helferinnen und Helfer nicht unnötig vor Ort warten lassen.

Großer Frust herrscht auch im Nachbarbundesland Bayern: Mehrfach waren im Landkreis Lindau angekündigte Busse mit ukrainischen Flüchtlingen nicht eingetroffen. Stundenlang warteten Helferinnen und Helfer umsonst auf die Ankunft. "Stundenlanges Warten ohne eine Information ist sehr frustrierend - vor allem, wenn das einfach abgestellt werden könnte", sagte der Lindauer Landrat Elmar Stegmann. Ähnlich erging es Helferinnen und Helfern in Dillingen, dort waren knapp 1.400 Geflüchtete angekündigt worden.

Vorbereitungen laufen - aber Informationen fehlen

Die Stadt- und Landkreise bereiten sich auf die Ankunft von Geflüchteten vor. Doch das sorgt oft für Unmut. Der Deutsche Städtetag beklagte eine "Schieflage bei der Verteilung von Geflüchteten". Insgesamt ist die Situation für Landkreise und damit für Kommunen sehr unübersichtlich. So war dem Main-Tauber-Kreis am Montag noch keine Zuweisung von geflüchteten Menschen bekannt.

Der Hohenlohekreis berichtete: "Vom zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe wurden uns für Mittwoch 50 Menschen aus der Ukraine angekündigt. Geplant ist, zuerst die Unterkunft im ehemaligen Krankenhausgebäude Künzelsau zu belegen." In Künzelsau hatte der Hohenlohekreis bereits vergangene Woche die Eberhard-Gienger-Halle vorbereiten lassen.

Die Mehrzweckhalle in Blaustein-Arnegg im Alb-Donau-Kreis wurde als Notunterkunft eingerichtet. Sie bietet Platz für bis zu 150 Menschen. Bislang sei aber noch nicht klar, ob dort Flüchtlinge untergebracht werden müssten, so das Landratsamt.

Wo bisher Geflüchtete angekommen sind

Im Landkreis Schwäbisch Hall kamen am Samstag 50 Geflüchtete aus der Ukraine an. Sie wurden in der Sibilla-Egen-Halle untergebracht. Im Landkreis befinden sich noch zwei weitere Hallen, die für die Flüchtlingsaufnahme vorbereitet wurden, die Blendstatthalle und die Kreßberghalle in Kreßberg-Marktlustenau.

Auch in der Region Heilbronn-Franken laufen die Vorbereitungen für die Flüchtlingsaufnahme. Der Kreis Heilbronn erwartet am Dienstag die Ankunft von 60 weiteren Geflüchteten. Momentan stehen über 200 Plätze in Unterkünften zur Verfügung. Dem Landratsamt sind rund 1.000 angemeldete Geflüchtete aus der Ukraine bekannt, die privat zum Beispiel bei Freunden oder Verwandten untergekommen sind.

Der Hohenlohekreis ist ebenfalls auf die Ankunft von geflüchteten Menschen aus der Ukraine vorbereitet. Die Ankunft von 50 Personen wurde bereits angekündigt. Hierfür gibt es Plätze in einem ehemaligen Krankenhausgebäude und in der Eberhard-Gienger-Halle in Künzelsau.

Im Rhein-Neckar-Kreis musste es schnell gehen mit der Flüchtlingsaufnahme. Schon am Wochenende wurden rund 200 Menschen aus dem Ankunftszentrum in Heidelberg auf Sporthallen in Weinheim und Schwetzingen verteilt. Es sollen noch rund 150 Menschen hinzukommen. Die Stadt Weinheim bereitet sich außerdem auf die Ankunft von 130 Waisenkindern aus der Ukraine vor.

Baden-Württemberg

Justizministerin kritisiert Bundesregierung BW öffnet Messehallen für ukrainische Geflüchtete - Mangelnde Planungssicherheit moniert

In Baden-Württemberg kommen immer mehr ukrainische Flüchtlinge an. Um die Menschen unterbringen zu können, stehen seit Montag Messehallen in Karlsruhe und Stuttgart bereit.

Messehallen in Stuttgart und Karlsruhe stehen bereit

Die Halle 9 der Landesmesse beim Stuttgarter Flughafen bietet Platz für 800 Menschen. Auf dem Karlsruher Messegelände sollen rund 1.000 Menschen unterkommen. Dort ist eine Halle vorbereitet. Ab Dienstag wird mit ersten Geflüchteten gerechnet. Laut Justizministerium steht die Halle dem Land für diesen Zweck bis zum 23. April 2022 zur Verfügung. Auch die Messehalle in Offenburg steht laut Ministerin Gentges bereit. Auch weitere Messestandorte würden aktuell geprüft, um die Kapazität weiter ausbauen zu können.

Gentges rechnet mit größerer Zahl von Ukraine-Flüchtlingen

Baden-Württemberg müsse sich auf eine größere Zahl von Geflüchteten einstellen, so Gentges am Dienstag in der Regierungspressekonferenz. Natürlich reichten die bisher geplanten 12.000 Plätze auf Dauer nicht aus. Daher würden aktuell noch weitere Unterbringungsmöglichkeiten geprüft. In der Erstaufnahme würden die Menschen nur eine kurze Zeit verbringen. Die Stadt- und Landkreise sind für die vorläufige Unterbringung verantwortlich. Geflüchtete sollen gleichmäßig in Baden-Württemberg verteilt werden.

Ministerpräsident Kretschmann stellte "eine enorme Hilfsbereitschaft der Bevölkerung fest". Für die Solidarität sei er dankbar. "Dieser Krieg verändert einfach alles. Wir müssen uns auf schwere Zeiten einstellen. In jeder Hinsicht", sagte er. Man könne nicht einschätzen, wie das weitergehe. "Wir sehen nur, dass der Putin einen totalen Terrorkrieg gegen die Bevölkerung inszeniert hat." Das seien Vorgänge, die einen völlig fassungslos machten. "Wir müssen uns alle mental darauf vorbereiten, dass das Leben in jeder Hinsicht nicht mehr so sein wird wie vorher." Am 6. April will Kretschmann dazu eine Regierungserklärung im Parlament abgeben.

Interview mit Ministerin Gentges Unterbringung, Arbeit, Bildung: So will BW mit Geflüchteten aus der Ukraine umgehen

Was plant Baden-Württemberg für die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine? Das erläutert die Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges, im Interview mit dem SWR.

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