Erfolgreich auf Instagram und TikTok

Handwerks-Influencer kritisiert Branche wegen Schikane und Macho-Gehabe

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Er legt sich in den Sozialen Medien fürs Handwerk ins Zeug. Der Tischler Ben Berger kennt aber auch die Schattenseiten - vor allem für junge Frauen - und fordert Konsequenzen.

Seine Begeisterung ist ansteckend. Wenn der Influencer Ben Berger vom Handwerk schwärmt, hört sich das so an: "Wenn wir den Leuten zeigen, wie geil es ist, was anzupacken, wie geil es ist, sich dreckig zu machen, wie geil es ist, am Ende vom Tag völlig im Arsch zu sein, dann merken die auch erst mal, was für eine Bereicherung sowas sein kann." Gesagt hat er das im SWR-Videopodcast "Zur Sache! intensiv".

Handwerk muss mehr gegen hohe Abbruchquote bei Azubis tun

Der 28-Jährige ist nicht nur Tischler, sondern auch erfolgreich auf Social Media unterwegs. Berger hat 300.000 Follower auf Instagram und TikTok und nutzt seinen Einfluss. Doch macht er unter "Holz im Herz, Stroh im Kopp" nicht nur Werbung für seine Branche, sondern prangert auch Missstände an. Zum Beispiel, dass gut ein Drittel der Azubis die Lehre abbricht, obwohl man dringend Nachwuchs brauche. Hier müssten die zuständigen Handwerkskammern dringend handeln, fordert er.

Berger kritisiert fehlende "Fehlerkultur und Selbstreflexion"

Der junge Mann dringt darauf, die Branche zu modernisieren und besser nach außen hin zu vertreten. "Was mir jetzt immer mal wieder aufgefallen ist, dass wir im Handwerk eins zu eins das gleiche Problem haben, wie wir es auch in der Spitzenpolitik aktuell haben. Es gibt keine Fehlerkultur und es gibt keine Selbstreflexion."

Ben Berger hält es für ein Unding, dass die Kammern nicht der Frage nachgingen, warum so viele Azubis vorzeitig aussteigen. Berger verlangt eine Evaluierung dieser Fälle und mehr Kontrollen: "Wenn ein Betrieb immer wieder auffällt, also wirklich massive Missstände bekannt sind, dann muss dieser Betrieb definitiv mal überprüft werden", fordert Berger, der aus Landau in Rheinland-Pfalz kommt.

Handwerksverband verbittet sich "Pauschalisierungen dieser Art"

Beim Zentralverband des Deutschen Handwerks kommt die Kritik nicht gut an. Eine Sprecherin verbittet sich "Pauschalisierungen dieser Art bei rund einer Million Handwerksbetrieben in Deutschland". Wie in jedem anderen Bereich könne auch das Handwerk "möglicherweise einen gewissen Nachholbedarf in Sachen Fehlerkultur und Selbstreflexion haben". Es überwögen aber bei Weitem die Betriebe, "die die Veränderungen annehmen, sich weiterentwickeln und neue und innovative Konzepte verfolgen".

Der Abbruchquote lägen oft "eine falsche Berufswahl oder unrealistische Erwartungen an den Arbeitsalltag" zugrunde. "Viele junge Menschen haben ein unzutreffendes Bild vom Handwerk, weshalb mehr Praktika und eine intensivere Berufsorientierung helfen könnten, Fehlentscheidungen zu vermeiden", sagte die Sprecherin.

Berger kritisiert fehlende "Willkommenskultur" im Handwerk

Berger sagt, das Handwerk sei eine "Branche von Gegensätzen: Wir haben super viele Betriebe, die sich extrem engagiert um ihre Auszubildenden kümmern, die wirklich sehr viel machen, die auch von sich aus Sonderleistungen geben, die Prämien auszahlen für gute Schulnoten. Es gibt aber auch noch sehr viele Betriebe, die prinzipiell nichts ändern wollen." Leider seien das oft die lauten Handwerker, die sich auch auf Social Media äußern. Der Spruch "war schon immer so, haben wir schon immer so gemacht" sei in den Betrieben immer noch sehr verbreitet.

Es gebe im Handwerk häufig für gewisse Gruppen "keine Willkommenskultur". Stattdessen sei oft das Motto: "Du musst ein richtiger Kerl sein." Nur wer von Montag bis Samstag von 8 bis 18 Uhr "durchkloppe" und seine Gesundheit vernachlässige, sei wirklich angesehen. Ausbeutung von Azubis sei etwas, "was immer noch sehr stark existiert. Ich würde nicht sagen, dass es die Mehrheit ist. Da gibt es auch gar keine Erhebungen dazu. Aber das gibt es auf jeden Fall immer noch sehr häufig."

Verband spricht von "einzelnen schwarzen Schafen"

Auch hier Widerspruch vom Handwerks-Verband: "Solche Vorfälle sind nicht zu tolerieren, spiegeln aber mit Sicherheit nicht die Situation in den allermeisten Ausbildungsbetrieben des Handwerks wider", sagt eine Sprecherin. "Von einzelnen schwarzen Schafen, die es in jeder Branche und in jedem Gesellschaftsbereich gibt, abgesehen, setzen die Betriebe auf eine gute Ausbildung und faire Arbeitsbedingungen. Dort, wo es Probleme gibt, müssen diese konsequent angegangen und Missstände beseitigt werden."

Frauen im Handwerk "müssen wirklich kämpfen"

Berger findet, besonders schwierig sei es für junge Frauen im Handwerk. "Die müssen wirklich kämpfen", meint Berger. "Mädels müssen erstmal beweisen, dass sie überhaupt würdig sind und fähig sind, diesen Job auszuüben, bevor die überhaupt voll ernst genommen werden." Neben Schikane komme es im schlimmsten Fall auch hin und wieder zu sexuellen Übergriffen. Eine Kollegin wurde laut Berger "drei Jahre lang in ihrer Ausbildung Muschi gerufen". Als Berger selbst sich im Netz als homosexuell geoutet habe, hätten ihm zahlreiche Handwerker "hasserfüllte Kommentare" geschrieben.  

Er bekomme auf seinen Social-Media-Kanälen besonders viel Zuspruch, wenn er sich für die Rechte von Frauen im Handwerk starkmache, erzählt der 28-Jährige. "Frauen gehören ins Handwerk, sind eine Bereicherung." Jede Frau in Ausbildung sei "eine Wegbereiterin für die Generationen, die nach uns kommen". Zudem könne sich die Branche "Arroganz" gar nicht mehr leisten und müsse sich stärker öffnen. "Wir können es uns im Handwerk gar nicht mehr raussuchen. Wir brauchen alle Hände fürs Handwerk, völlig egal an wem die dranhängen." Wichtig sei nur, dass die jungen Leute "Bock hätten anzupacken".

Handwerksverband sieht positive Tendenz bei Frauen

Der Handwerksverband sieht auch das Thema Frauen und queere Personen im Handwerk anders als Berger. "Es gibt viele Betriebe, die aktiv für Vielfalt und Chancengleichheit stehen", sagte die Sprecherin. Es gebe deutlich mehr Frauen im Handwerk als das öffentlich wahrgenommen werde. "Das kann durchaus daran liegen, dass mit diesem Fakt, vor allem seitens der Betriebe, noch zu wenig geworben wird." Es sei so, "dass auch schon jetzt fast jede fünfte erfolgreiche Meisterprüfung von einer Frau absolviert und etwa jeder vierte Betrieb von einer Frau geführt wird - Tendenz steigend."

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