Menschen demonstrieren in der Rottweiler Innenstadt. (Foto: SWR)

Corona-Demonstrationen

Gibt es zu wenig Polizei, um gegen die Corona-Proteste vorzugehen?

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Samantha Happ
Samantha Happ (Foto: SWR DASDING)

Laut dem Rottweiler Oberbürgermeister gibt es nicht ausreichend Einsatzkräfte, um gegen Regelverstöße bei unangemeldeten Versammlungen vorzugehen oder diese aufzulösen.

In vielen Orten treffen sich seit einigen Wochen die Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen montagabends, um bei unangemeldeten Demonstrationen gegen die Corona-Politik zu protestieren. So auch in Rottweil, wo sich vergangenen Montag etwa 1.300 Menschen in der Innenstadt versammelt haben, bevorzugt ohne Masken zu tragen und Abstand zu halten. Während die Inzidenz im Land über 1.000 liegt, stoßen die unangemeldeten Demonstrationen bei vielen auf Unverständnis. Aus diesem Grund formieren sich zunehmend mehr Gegendemonstrationen.

Menschenkette mit Tüchern als Abstandshalter steht in der Rottweiler Innenstadt  (Foto: SWR, Samantha Happ)
Bei einer Menschenkette in Rottweil protestieren rund 600 Demonstrierende stundenlang bei Minusgraden für Demokratie und Solidarität in der Corona-Pandemie.

Protest gegen unangemeldete Demonstrationen nimmt zu

In Rottweil hatten letzte Woche etwa 600 Demonstrantinnen und Demonstranten eine Menschenkette in der Fußgängerzone gebildet. Nebenan, am Fuß des Schwarzen Tors klepften sich einige Narren mit ihren Peitschen traditionell auf die kommende Fasnet ein. An einer digitale Unterschriftenaktion beteiligten sich mehr als 3.000 Menschen. Man wolle Gesicht zeigen und den Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen entgegentreten. Ordnungsgemäß angemeldet, mit Masken und Abstand, nahmen sie den Raum in der Rottweiler Fußgängerzone ein, statt ihn den Impfkritikern zu überlassen.

"Die Obere Hauptstraße ist das Wohnzimmer von Rottweil und wir wollen, dass die aus unserem Wohnzimmer draußen bleiben."

Am Ende der Rottweiler Fußgängerzone trafen am vergangenen Montag die verschiedenen Lager aufeinander. Wortfetzen wechselten stimmungsgeladen, teils aggressiv die Seiten. Doch es blieb friedlich. In Erinnerung bleiben die Bilder von hunderten Protestierenden, die sich auf engstem Raum ohne Masken und Abstand versammelten. Als tanze man hier dem Rechtsstaat provokativ auf der Nase herum.

Rottweiler Bürgermeister möchte härter gegen Verstöße vorgehen

Unverständnis auch beim Rottweiler Bürgermeister Ralf Broß. Er würde gerne strenger gegen die Verstöße vorgehen und beobachtet kritisch, was in seiner Stadt passiert. Statt eines Versammlungsverbots habe man bisher an die Vernunft der Menschen appelliert, nicht an den vorher auf den Messengerdiensten beworbenen Versammlungen teilzunehmen. Ein Verbot sei für ihn das letzte Mittel. Aufgrund der vielen Demonstrationen im Land habe man außerdem zu wenig Einsatzkräfte, um entsprechende Veranstaltungen durch die Polizei auflösen zu lassen, sagt Broß.

"Es ist deutlich, dass gerade montagabends in vielen Städten etwas stattfindet und deswegen die Polizeibeamten nicht überall gleichzeitig sein können. Das ist zumindest die Aussage, die wir von dort bekommen haben."

Polizeidirektor gibt Einschätzung zur Lage

Für die Einsätze in Rottweil oder der Nachbarstadt Villingen-Schwenningen ist eigentlich die Polizeidirektion Konstanz zuständig. Doch bei den Corona-Protesten handelt es sich um nicht um ein regionales Phänomen. Fabian Meyer ist Polizeidirektor im Landespolizeipräsidium des Innenministeriums. Er hat den Überblick über alle Einsätze in Baden-Württemberg. Allein am vergangenen Montag seien über 3.000 Polizistinnen und Polizisten bei mehr als 350 angemeldeten und unangemeldeten Demonstrationen im Einsatz gewesen.

Freiburger Großdemonstration gegen die Corona-Regen: Die Polizei sorgte mit einem Großaufgebot für Sicherheit. (Foto: SWR, Gabi Krings)
Freiburger Großdemonstration gegen die Corona-Regeln am Wochenende: Die Polizei sorgte hier mit einem Großaufgebot für Sicherheit.

"Natürlich ist die Polizei insgesamt in besonderem Maße gefordert, aber nicht überfordert."

Dabei profitiere man aktuell auch davon, dass keine Großveranstaltungen stattfinden, die durch die Polizei abgesichert werden müssten. Die Kapazitäten der Polizei seien ganz klar endlich, gibt Fabian Meyer zu, doch an dem Punkt sei man noch nicht angekommen. Zudem habe man vielfältige Möglichkeiten auch kurzfristig zu reagieren. Mit einem landesweiten Kräftemanagement könne man innerhalb kürzester Zeit Einsatzkräfte verlagern und an die Orte bringen, wo sie gebraucht werden. Im Zweifel könne man sogar Polizeikräfte aus ganz Deutschland anfordern. Doch bisher sei das nicht nötig gewesen, da die Proteste weitestgehend friedlich verlaufen und so soll es auch bleiben.

Härter gegen Ordnungsverstöße vorgehen

Auch wenn es bei vielen den Anschein erweckt, als blicke man über die Regelverstöße gegen die Maskenpflicht und das Abstandhalten hinweg, sei das nicht der Fall. Jeden Montag würden eine Vielzahl von Verstößen durch die Polizei angezeigt. Dennoch müsse man immer situationsbedingt abwägen, ob es die Situation zulässt oder es dadurch zu Handgreiflichkeiten und aggressivem Verhalten kommen könnte.

Auch an diesem Montag werden wieder Demonstrierende durch die Innenstädte ziehen, nicht nur in Rottweil. Gegen das Demonstrieren selbst spricht schließlich auch nichts, würden die Demonstrationen ordnungsgemäß angemeldet und die Teilnehmenden sich an die geltenden Regeln halten.

In Rottweil bereitet man sich seit Tagen auf Protest für und gegen die Corona-Maßnahmen - mit und ohne Anmeldung - vor. Dieses Mal soll eine Pufferzone zwischen den unterschiedlichen Lagern eingerichtet werden. Denn auch dieses Mal sollen die Proteste möglichst friedlich verlaufen.

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